7002202-1987_29_08.jpg

Lenins Reise nach Wien

19451960198020002020

Das totgesagte Filmland Österreich ist wieder bevorzugter Drehort für internationale Filmproduktionen. Nach James Bond kam nun auch Lenin im „Zug“ nach Wien.

19451960198020002020

Das totgesagte Filmland Österreich ist wieder bevorzugter Drehort für internationale Filmproduktionen. Nach James Bond kam nun auch Lenin im „Zug“ nach Wien.

Werbung
Werbung
Werbung

Kein Zweifel, Österreichs Image im Ausland hat in den letzten paar Jahren erheblich gelitten. Und doch gibt es Bereiche, in denen wir offenbar noch an Attraktivität gewinnen können. So gibt Österreich in den letzten Jahren immer häufiger die Kulisse für internationale Filmproduktionen ab.

Vorläufig letztes Projekt dieser Art ist „Der Zug“, ein Fernsehfilm über die Fahrt Lenins in einem geschlossenen Eisenbahnwaggon von der Schweiz nach Rußland im Jahre 1917. Unter der Regie von Damiano Damiani, den Fernsehzuschauern durch die Serie .Allein gegen die Mafia“ bekannt, entsteht als italienisch-österreichische Koproduktion die Geschichte dieser historischen Reise vornehmlich an Schauplätzen in Wien.

Ausschlaggebend für die Wahl zum Drehort war in erster Linie ein Vorzug Österreichs, von dem wir schon lange zehren: die Vielfalt der Landschaft. Nirgendwo sonst war es möglich, von den Schweizer Alpen bis zur russischen Ebene alle nötigen Geländeformen so nahe beinander zu finden. Von den 10 Millionen Dollar des Budgets bleibt also der Großteil im Land. Davon fallen allein der ÖBB für das Vermieten der Gleis- und Bahnhofsanlagen rund eine Million Schilling zu.

Recht günstig wird das Geschäft auch für den Verband der Eisenbahnfreunde, der das historische Wagenmaterial zur Verfügung stellt. Die Waggons des Vereins haben schon in vielen Filmen mitgespielt. Von Schwejk bis Anastasia, wer in Österreich alte Eisenbahngarnituren braucht, kommt zu den Eisenbahnfreunden. Die Tarife, die der Verein als Unkostenbeitrag verstanden wissen will, betragen für einen Zweiachswagen 4000 und für einen Vierachswagen 5000 Schilling pro Tag.

Ist im heurigen Jahr „Der Zug“ einstweilen noch das einzige internationale Projekt, so gab es im Vorjahr ein richtiges Gedränge. Vor allem sorgte natürlich der neue „James Bond“ für Aufregung unter den ewig schaulustigen Wienern. Diesem Film ist es auch zu danken, daß die bürokratischen Hürden, die ein Produzent in Wien zu überwinden hat, um ein gutes Stück geringer geworden sind. Anläßlich der Bond-Dreharbeiten wurde in der Wiener Stadtverwaltung eine Koordinationsstelle eingerichtet, die den Produzenten die Amtswege weitgehend abnimmt.

Bis dahin blieb es dem Produktionsleiter nämlich nicht erspart, bei allen dreißig Magistratsabteilungen, die für die Genehmigung von Außenaufnahmen zuständig sind, persönlich vorstellig zu werden. Seit Mitte vorigen Jahres übernimmt das nun die Pressestelle im Rathaus. Nur die Stadtwerke und die für den Straßenverkehr zuständige Magistratsabteilung 46 müssen jetzt noch direkt angesprochen werden. Während der gesamten Dauer der Dreharbeiten zum Bond-Film war ständig ein Betreuer anwesend, der bei etwaigen Schwierigkeiten helfend eingriff. Auf diese Art wurde auch die Kooperationsbereitschaft der Beamten in den einzelnen Abteilungen angehoben, die früher oft zu wünschen übrig ließ. Die übrigen Produktionen des Vorjahres (wie der zweite Teil der Serie „Der Feuersturm“, Franz Antels „Johann Strauß“ oder die Schnitzler-Verfilmung „Das weite Land“) kamen zum Teil ebenfalls in den Genuß der neuen Situation.

Die Vorteile, die die österreichische Filmindustrie aus diesen Produktionen zieht, liegen nach Ansicht von Gerhard Schedl, dem Geschäftsführer des österreichischen Filmförderungsfonds, weniger auf finanzieller Ebene, als vielmehr im Gewinn von Kontakten und Reputation. Es hat zwar jedes der genannten Projekte eine österreichische Filmfirma als Partner, doch werden diese Firmen oft nur für die eine Produktion gegründet und nach Ende der Arbeiten wieder liquidiert. Was sich aber beobachten läßt,’ ist, daß von Film zu Film immer mehr Österreicher beschäftigt werden.

Viel erwarten sich die Fremdenverkehrsverbände von Österreich als Handlungskulisse. Die Werbestrategie des „Product Placement“, das heißt, sein Produkt zwanglos in Spielfilmen auftauchen zu lassen, verspricht im Fremdenverkehr gute Erfolge. So bemüht sich auch die österreichische Fremdenverkehrswerbung darum, immer wieder Österreich als Drehort anzubieten. Die Zweigstellen überall auf der Welt sind angehalten, sich nach in Frage kommenden Projekten umzuhören.

Eine Zeitlang gab es in den USA einen eigenen Konsulenten, der sich in Filmkreisen gut auskannte und Informationen brachte. Um die Produzenten zu ködern, werden über Gegengeschäfte mit der AUA oder den ÖBB günstige Tarife angeboten. Dasselbe gilt für Hotels. Diese Unternehmen können dafür gratis in den Publikationen der Fremdenverkehrswerbung inserieren.

Als zusätzlichen Werbeträger verwenden die Fremdenverkehrsverbände auch Dokumentationen über die Dreharbeiten der Filme. Groß ausgeschlachtet wird von der Wiener Fremdenverkehrswerbung natürlich der James Bond-Film. In sieben europäischen Ländern wird es ab der Premiere Preisausschreiben für die Kinobesucher geben, bei denen Reisen nach Wien zu gewinnen sind. In der Bundesrepublik wird darüber hinaus eine Plakatkampagne gestartet

Ob wir damit den gleichen Erfolg haben werden wie Rio de Janeiro, bleibt abzuwarten. Dort stieg, nachdem ein James Bond- Film gedreht worden war, der Fremdenverkehr zur Karnevalszeit um runde 15 Prozent.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung