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Lernfähig weltoffen kreativ

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Tatsache ist, daß wir von sehr vielen Dingen unserer Umwelt und von Menschen dauernd beeinflußt werden. Es sollte uns aber auch klar sein, daß beileibe nicht alle Veränderungen unseres Verhaltens erzieherisch sind. Denken wir nur einmal an die negativen Einflüsse unseres politischen Klimas, von dem auch Erwachsene verbildet werden.

Was ist dann Erziehung? Wir verbinden mit Erziehimg nur sol- che Veränderungen unseres Verhal- tens, die auf ein von uns positiv bewertetes Ziel hinführen. Wir sagen, daß ein Individuum dann erzogen ist, wenn es selbständig, ohne die Hilfe von anderen - aber in Anerkennung der anderen - han- deln kann, wenn es also zu einer selbständigen, bewußten Lebens- führung fähig ist.

Dazu gehört ein angemessenes Wissen über alle wichtigen Lebens- bereiche und darüber, wie man selbst dieses Wissen erweitern kann; weiters ein selbständiges Wertur- teil, das mit Vorstellungen verbun- den ist, wie man sein Leben in die- ser unserer Lebenswelt, in unserer Gesellschaft gesstalten möchte. Das schließt auch Vorstellungen über den Sinn des Lebens und über ein geglücktes gesellschaftliches Zu- sammenleben ein. Nicht zuletzt gehört dazu auch Handlungsfähig- keit, die Umwelt den eigenen Vor- stellungen entsprechend zu gestal- ten.

Wendet man diesen Maßstab von Erzogensein an - und dieser ent- spricht wohl dem aufgeklärten Bewußtsein - dann erkennen wir, daß auch Erwachsenenbildung viel zu leisten hat.

Will Erziehung dieses Ziel eines selbständigen, handlungsfähigen und aufgeklärten Menschen verfol- gen, dann müssen wir vorausset- zen , daß Erzieher ebenso bewußt zu handeln vermögen. Sie müssen also selbst Menschen sein, die über die Wirkungen der Umwelt auf das Handeln Bescheid wissen, um sie bewußt und gezielt so gestalten zu können, wie sie der Entwicklung der Lernenden dienlich ist. Damit ist der einzelne oft überfordert. Daher muß Erziehung immer auch ein gesellschaftliches Anliegen sein. Das ist leider oft zu wenig bewußt, weil zu wenig an die Individuen und ihre Entwicklungsmöglichkei- ten gedacht wird. Das ist besonders deutlich an Zielen zu sehen, die dem Erziehungsprozeß zuwiderlau- fen, wie etwa an einer zu starken Orientierung an wirtschaftlichen Kriterien.

Wenn gesagt wird, daß die Erzie- her die Umwelt der Heranwach- senden bewußt gestalten sollen, dann sollte ihnen auch bewußt sein, daß sie Teil dieser Umwelt sind. Das bedeutet, daß sie sich selbst gut kennen müssen, um nicht zu glau- ben, sie wären wertschätzend, re- spektvoll, verstehend und echt, tatsächlich aber fließen in ihr Be- ziehungshandeln ihre Proj ektionen und alten Verhaltensmuster mit ein.

Es ist vor allem in Konfliktsitua- tionen schwierig, nichts davon in sein Handeln einfließen zu lassen. Aber es ist schon viel gewonnen, wenn dieses Faktum nicht geleug- net wird und man versucht, es zu bedenken.

So tragen Mütter zur Bildung typischer geschlechtsspezifischer Verhaltensmuster unbewußt bei. Günstig wäre natürlich ein speziel- les Training, das sowohl die Denk- und Verhaltensmuster aufzubre- chen als auch die Gefühls- und Stimmungslagen bewußt zu machen versuchte.

Erzieher haben die Aufgabe, eine anregende, aktives Lernen ermög- lichende Umwelt zu schaffen und darauf zu achten, daß die Lernen- den diese so nützen. Da wird ein verstehendes, respektvolles, Ver- trauen gewinnendes Eingreifen der Erzieher nötig sein, um zu gewähr- leisten, daß nicht die von den Er- wachsenen vorgegebenen, sondern aus dem sozialen Zusammenleben in der Gruppe sich einsichtig erge- benden Regeln eingehalten werden. Erziehimg sollte eine Atmosphäre schaffen, in der die Individuen ihre Fähigkeiten im Austausch mit der Umwelt angstfrei erproben können.

Diese Sicht von Erziehung setzt ein Bild vom Menschen voraus, das ihn lernfähig, weltoffen und lern- willig versteht. Der Mensch hat wie jeder Organismus ein Streben in sich, sich selbst zu verwirklichen. Dazu braucht er eine anregende Umwelt, die jeweils auf die psychi- sche Reifung und Entwicklung abgestimmt ist. Diese Umwelt soll- te dadurch gekennzeichnet sein, daß der Heranwachsende selbst Erfah- rungen unterschiedlichster Art machen kann.

Dies spricht gegen ein Lernen, das mehr durch Vorgaben, durch Aufnahme von Informationen ge- kennzeichnet ist. Dieses unproduk- tive, unkreative Lernen ist leider nur zu oft in unseren Schulen vor- herrschend. Schüler werden nicht mit Welt, sondern mit Wissen kon- frontiert, das ihre Lehrer selbst in der Regel aus zweiter Hand haben.

Auch herrschen in Erziehungsin- stitutionen künstliche Beziehungen vor, die soziales Lernen als eine so wichtige Voraussetzung gelingen- der gesellschaftlicher Kommunika- tion verhindern.

Der Autor ist Dozent am Institut für Erzie- hungswissenschaften der Universität Wien und arbeitet auch in der Erwachsenenbildung und als Psychotherapeut.

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