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Lesen Polen Österreichs Autoren?

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Auf Einladung der Osterreichischen Gesellschaft für Literatur war Olga Dobijanka-Witczakowa, Germanistin an der Krakauer Universität, nach einigen Jahren wieder in Wien. Wie präsent ist die österreichische Literatur im Bewußtsein der polnischen Leser, wie groß ist das In-

teresse der Polen an historischer Forschung über Osterreich?

Das nostalgische Bild der gemeinsamen Vergangenheit, als Mythos tief eingeprägt, ist aus der polnischen Geschichte des 19. Jahrhunderts zu erklären. Osterreichische Literatur hat ihren eigenen, gesicherten Platz im Bewußtsein der Polen.

Um den Begriff selbst geht es Olga Dobijanka: „Es gibt bis heute Österreicher, die nicht von einer eigenständigen österreichischen Literatur überzeugt sind. Im Gegensatz dazu haben wir Polen uns schon daran gewöhnt, daß es seit 1945 vier deutschsprachige Länder und also auch vier deutschsprachige Literaturen gibt. Wir unterscheiden ziemlich genau zwischen einem österreichischen und nicht-österreichischen deutschsprachigen Autor."

Große Namen stehen seit Generationen im Mittelpunkt des Interesses auch der polnischen Leser: Stefan Zweig, Joseph Roth, Robert Musil, Hermann Broch, Heimito von Doderer, seit einiger Zeit auch Elias Canetti. „Natürlich auch Franz Theodor Csokor, der eng mit Polen verbunden war. Er hat einen Teil seines Lebens in Polen verbracht, ist ein großer Name für uns geblieben, wird gelesen, es wird auch viel über ihn geschrieben", ergänzt Frau Dobijanka.

Joseph Roth hat seine Popularität in Polen vor allem seinen Romanen zu verdanken, in denen er die auch für Polen so wichtige historische Epoche des allmählichen Untergangs der Monarchie schildert.

Die Vorliebe der Polen für Lyrik hat auch der österreichischen Lyrik der Nachkriegszeit starkes Interesse gesichert, und zwar bei jungen und älteren Lesern. An erster Stelle nennt Olga Dobijanka Ingeborg Bachmann, sowohl mit Lyrik als auch mit Prosa. Auch Ingeborg Bachmanns poetisches Hörspiel „Der gute Gott von Manhattan", in dem die elementare Sehnsucht nach paradiesischer Existenz so eindrucksvoll ausgedrückt wird, hat viel Echo gefunden.

Olga Dobijanka hat auch selbst zwei zeitgenössische österreichische Autoren in Polen eingeführt und umfassend vorgestellt: Wolfgang Georg Fischer, dessen wichtigste Werke - „Wohnungen" und „Möblierte Zimmer" — ins Polnische übersetzt und wissenschaftlich analysiert wurden. Der zweite Erfolgsautor am polnischen Theater ist Fritz Hochwälder, der an fast allen polnischen Bühnen und im Fernsehen inszeniert wird.

Da österreichische Geschichte zum Teil auch polnische Geschichte ist, wird selbstverständlich auch den historischen Forschungen über Österreich in Polen intensives Interesse entgegengebracht. So hat die Jagiellonen-Universität in Krakau gemeinsam mit der Wiener Universität die Reihe Studia Austro-Polonica herauszugeben begonnen, die in deutscher Sprache erscheint und in erster Linie der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gewidmet ist. An dieser Reihe sind vor allem

Historiker beteiligt, aber auch literaturwissenschaftliche Themen werden behandelt.

Das Interesse für österreichische Geschichte und Literatur schlägt sich auch in der Errichtung einer „Österreichischen Leser-Halle" in der Bibliothek der Krakauer Universität nieder. Vorläufig stehen 2500 Bücher und einige Zeitschriften zur Verfügung. Zur Verlagspolitik im allge- . meinen meint Olga Dobijanka: „Sie hängt von vielen Faktoren ab. Oft gibt es persönliche Beziehungen, oft wäre ein Autor bereit, nicht so viele Devisen für das Ubersetzungsrecht zu verlangen. Manchmal ist der Verlag an einem bestimmten Werk interessiert, oder der Ubersetzer macht Vorschläge. Manchmal werden auch wir Germanisten um Rat gebeten."

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