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Letzte Mahnung für die Union

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Na von Nordrhein-Westfalen übt sich die geschlagene Union in Treue - und Resignation. Soweit die Stimmung ausdeutbar ist, ergibt sich folgendes: Gegen Schmidt sei kein Kraut gewachsen, bis zur Bundestagswahl vermöge ein neues Rezept, das man darüber hinaus nicht habe, nicht mehrzu wirken. Infolgedessen müsse man jetzt mit Anstand durch den Wahlkampf, um dann für 1984 zu sorgen.

Es ist dies eine Analyse, die 1980 und 1984 für die Union verloren gibt. Denn eine Wahl ist nicht nur eine Platzverteilungslotterie für Parteien, sie schafft Realitäten, und zwar immer auch die Bedingungen für die nächsten Wahlen ...

Niemand kann ausschließen, daß am 5. Oktober in Bonn ein Düsseldorfer Ergebnis herauskommen wird. Dann würde sich zeigen, daß die Freude über das Herauskatapultieren der FDP allein bei jenen liegt, die es bewirkt haben: bei den Sozialdemokraten. Der Restbestand bürgerlicher Politik, für den die FDP Sorge getragen hat, würde dann zur Disposition gestellt.

Die Union sollte nicht glauben, daß sie dann einfach auf ihrem Kompaß die Marschzahl 1984 einstellen könnte, als ob nichts geschehen wäre. Bei einer absoluten Mehrheit der SPD regiert deren linker Flügel, und das heißt, daß die Bundesrepublik nicht nur einen Neutralitätskurs verfolgen, sondern auch ihre inneren Verhältnisse so zugunsten der gesellschaftlichen - sprich: gewerkschaftlichen - Kräfte verändern wird, daß eine bürgerliche Alternative jeglichen Ansatzpunkt verliert.

Wenn Bonn im Oktober so endet wie Düsseldorf, ist nicht über eine Wahl, sondern über ein Jahrzehnt entschieden.

Unter diesen Umständen sind die Parolen: jetzt nur kein interner Disput; jetzt nur keine Personaldiskussion; jetzt durchhalten - das Papier nicht wert, auf dem sie zur Vorbereitung für den CDU-Parteitag am letzten Wochenende notiert wurden. Die CDU hat in Nordrhein-Westfalen einen bistlosen Wahlkampf geführt, sie wird Für die Bundestagswahl nicht aus der Reserve zu locken sein, wenn das Ziel nur lautet: anständig verlieren. Die Schweigespirale wird sich jetzt für die Union erst recht nach unten zu drehen beginnen. Ein Wahlkampf ohne Hoffnungen ist nicht zu führen.

Und selbstverständlich wird die Personaldebatte kommen, ob die Partei-Führung es will oder nicht. Sie hat nur die Wahl, ob sie selbst diese Debatte im internen Gespräch mit Strauß beginnen und damit steuern will, oder ob sie sie als Metastasenbildung von unten entstehen läßt. Vermutlich ein Drittel der derzeitigen Bundestagsabgeordneten der CDU muß um die Wiederwahl im Wahlkreis bangen, wenn das Ergebnis vom Sonntag sich im Oktober wiederholen sollte. Ob diese Abgeordneten alle bereit sind, nichts als gute Haltung zu zeigen?

In der CDU werden viele auch wissen, daß ein verlorener Wahlkreis nicht einfach wiederzuholen ist wie ein Hut, den eine Boe vom Kopf geweht hat. Wenn die Wahllandschaft sich verändert, verändern sich Strukturen. Zurückerobern ist um ein Mehrfaches schwerer als Behaupten. Also wird auch das Fußvolk sich regen. Die Personaldebatte ist unumgänglich, und jede neue Umfrage wird sie bestärken ...

Ziel der Union kann es . . .jetzt nur sein, zunächst sich selbst den Glauben an die Möglichkeit eines Wahlsiegs zurückzugeben; sodann sicherzustellen. daß eine mögliche Niederlage im Oktober sich höchstens in einer Dimension bewegt, die den Anschluß Für 1984 wahrt; schließlich einen neuen Hoffnungsträger herauszustellen, der eine unter diesen Umständen denkbare Trendwende als Kapital für 1984 bei sich buchen kann ...

Gewiß hat CDU/CSU-Kanzlerkandidat Franz Josef Strauß mit der Feststellung recht, daß er zum Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen kaum gebeten worden ist. Vermutlich war diese Taktik falsch, da es für die CDU gewiß besser gewesen wäre, die ihr aufgedrängte Auseinandersetzung offensiv anzunehmen, statt dem perfiden Wahlkampf der SPD nurverlegen auszuweichen.

Aber ob mit Strauß oder ohne ihn: es war ein Wahlkampf um Strauß. Vor allem war es ein Wählkampf, in dem Schmidt seine Attraktivität ins Spiel brachte. Von Landespolitik war kaum die Rede. Entschieden wurde über eine Bonner Alternative, und die Entscheidung fiel für Schmidt...

Die CDU steht vor einem unvergleichlichen Desaster ihrer politischen Existenz. In außergewöhnlichen Lagen aber hilft kein Quietismus, kein Still-Gestanden, keine Resignation. CDU und CSU müssen jetzt riskieren, was überhaupt nur zu riskieren ist. Die Gefahr für sie kann nicht größer, sie kann nur kleiner werden.

Strauß hat sich in den letzten Monaten mit Kraft, Opferbereitschaft und Einfühlungsvermögen in das Erfolgs-profil der Partei einordnet. Ob er sich ihm nicht auch unterzuordnen vermag? Eine Lösung kann, fünf Monate vor der Bundestagswahl, mit Sicherheit nicht gegen, sie kann nur mit ihm gefunden werden.

Niemand wird der Union jetzt raten wollen, Strauß zu opfern und damit seiner Leistung Unrecht zu tun und die Infamien seiner Gegner zu rechtfertigen. Aber er selbst könnte sehr wohl auf einen Mann verweisen, der ihn nicht vom Wahlkampf, aber von der Konfrontation mit Schmidt entlastet. Warum sollte ihm ein solcher Weg nicht gangbar erscheinen? f Ludolf Hermann ist Chefredakteur der in Bonn erscheinenden Wochenzeitung ..Rheinischer Merkur/Christ und Well”. Der hier abgedruckte Beilragist ein Auszug seines am 16. Mai erschienenen Leitartikels zum Ergebnis der .Landtagswahlen von Nordrhein- Westfalen. Wir wollten unseren Lesern diese in vielen westdeutschen Zeitungen zitierte brillant geschriebene Analyse nicht vorenthalten.

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