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Letztlich bleibt die alte Krise

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Trotz besonders guter Vorbereitung durch- die Länder der Dritten Welt endete UNCTAD VI nur mit unverbindlichen Erklärungen. Im folgenden wird Verlauf und Ergebnis der Konferenz analysiert.

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Trotz besonders guter Vorbereitung durch- die Länder der Dritten Welt endete UNCTAD VI nur mit unverbindlichen Erklärungen. Im folgenden wird Verlauf und Ergebnis der Konferenz analysiert.

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In den Morgenstunden des 3. Juli wurde nach vier Wochen erbitterten Tauziehens die 6. Welthandels- und Entwicklungskonferenz der UNO mit einem Kompromiß abgeschlossen.

Der Anlaß für diese Großveranstaltung war die gegenwärtige weltweite Wirtschaftskrise und ihre katastrophalen Auswirkungen auf die Länder der Dritten Welt. Gleichzeitig sollte sie den Blick für die wechselseitige Abhängigkeit zwischen dieser Ländergruppe und den industrialisierten Staaten in Ost und West schärfen.

Das Ergebnis, das nach einer zweimaligen Verschiebung der offiziellen Schlußversammlung endlich verkündet wurde, kann weder als totaler Mißerfolg noch als der von der Dritten Welt er-

sehnte Durchbruch gewertet werden.

Einerseits betont die grundsätzliche Erklärung den globalen Charakter der Weltwirtschaft und unterstreicht die Notwendigkeit einer sofortigen Ankurbelung des Entwicklungsprozesses in der Dritten Welt auf der Grundlage einer Neuen Internationalen Wirtschaftsordnung. Die Resolutionen zu den zentralen Fragen in den drei Bereichen Rohstoffe, Handel, Währung und Finanzen halten wenigstens die Tür zu weiteren Verhandlungen offen.

Andererseits sieht die konkrete Bilanz dürftig aus: Das beginnt schon bei der erwähnten Erklärung. Sie wurde von den USA als untragbar abgelehnt und von der BRD und Großbritannien mit sehr distanzierenden Bemerkungen bedacht. Damit ist selbst im Grundsätzlichen keine Einigung erzielt worden.

Die größte Enttäuschung erlitten die Länder der Dritten Welt im Bereich „Währung und Finanzen“ mit der Ablehnung ihres so dringend benötigten Notstandsprogramms zur Behebung der ärgsten krisenbedingten Schädigungen und zur Uberbrückung ihres Schuldenproblems.

Die Weigerung der Regierungen, Zugeständnisse im Bereich der öffentlichen Entwicklungshilfe zu machen, ist hier symptomatisch für die „Zugeknöpftheit“ auf allen Linien. Auch langfristige Veränderungen zur Erhöhung der Mitbestimmung der Dritten Welt in den internationalen Wäh- rungs- und Finanzinstitutionen wurden blockiert.

Im Zusammenhang mit Fragen des Handels wurde nur eine Einigung über den Abbau des Protektionismus, aber ohne jedwede zeitliche Bindung erzielt.

Am ehesten ist noch eine Annäherung im Rohstoffsektor geglückt, aber auch hier ist eher eine Aufrechterhaltung des status quo als die Durchsetzung neuer Positionen erzielt worden.

So wurde die Bedeutung des Gemeinsamen Fonds zur Finanzierung von Rohstoff-Ausgleichs- lagern, der schon 1976 beschlossen, aber noch immer nicht in Kraft getreten ist, zwar unterstrichen, aber weder die USA noch die Sowjetunion erklärten sich bereit, das Abkommen zu ratifizieren. Außerdem kamen nur Norwegen, die EG und die OPEC- Länder dem Vorschlag nach, die Eintrittsgebühren für einige der ärmsten Länder zu übernehmen.

Damit ist dieses wichtige Or-

gan, mit dem eine Stabilisierung der Erlöse der Dritten Welt aus dem Rohstoffexport erreicht werden sollte, noch immer weit von seiner Funktionsfähigkeit entfernt. Hinsichtlich des für die Dritte Welt sehr wichtigen Anliegens der Vermarktung von Rohstoffen sind die Beschlüsse nur sehr unverbindlich, das gleiche trifft auf den Wunsch nach Rohstoffabkommen begrenzten Umfangs und begrenzter Dauer, die nur zur Preisstabilisierung gedacht sind, zu.

In der Frage der Sondervereinbarungen im Rahmen des Internationalen Währungsfonds über Entschädigungen für Exporterlösausfälle, die die ärmsten Länder der Welt betreffen, stimmten die USA dagegen …

Ein Anliegen, das zwar unwidersprochen blieb, das aber nur in einer blassen Resolution gipfelte, ist das der Unterstützung der wenigst entwickelten Länder. Auch hier ging man nicht über bereits gefaßte Beschlüsse hinaus.

Dabei hatte alles verhältnismäßig vielversprechend angefangen: Viele Industrieländer, vor allem die Vertreter Neuseelands, Schwedens, der Niederlande, Frankreichs und in gewissem Maße auch Österreich, hatten sich eindeutig zu einer Verantwortung der Industrieländer für die Unterstützung der Dritten Welt ausgesprochen. Die Industrieländer, von denen man eine harte Linie erwartet hatte, ließen zwar sofort erkennen, daß sie zu keiner zusätzlichen Verpflichtung bereit wären, gaben sich aber im Ton umgänglich und maßvoll.

Abrupt wendete sich das Blatt mit der dritten Konferenzwoche, als — viel zu spät — die konkreten Gespräche in den Komitees beginnen sollten. Vor allem die USA, aber auch viele EG-Länder, blockten alle Versuche, in Verhandlungen zu treten, ab. Auf der anderen Seite leisteten auch die östlichen Industrieländer, mit Ausnahme Jugoslawiens, keinerlei konkreten Beitrag zur Ankurbelung der Debatte.

Neben den entgegengesetzten Auffassungen in Einzelfragen ging es bei UNCTAD VI aber auch um ganz verschiedenartige Konzepte von der Richtung und dem Ansatzpunkt des Prozesses, der zur Krisenbewältigung eingeschlagen werden sollte.

Während die Dritte Welt der Ankurbelung der Entwicklung in ihren Ländern den Vorrang gibt und die Notwendigkeit grundsätzlicher struktureller Veränderung innerhalb der Weltwirtschaft betont, glauben die streng marktwirtschaftlich orientierten Industrieländer, allen voran die USA, die BRD, Großbritannien und Kanada, fest daran, daß der bald bei ihnen einsetzende Wiederaufschwung von selbst nach unten, das heißt zu den Ländern des Südens, durchsickern werde.

Nicht alle Industrieländer teilten diese Sichtweise. Die skandinavischen Staaten und auch Österreich ließen durchblicken, daß die Situation in der Dritten Welt eine viel solidarischere Aktion als die bloße „Erlaubnis zum Nachziehen“ erfordere, sie taten es aber nicht deutlich genug.

Das Verdienst, im letzten Moment doch noch eine von den USA unabhängige Meinungsbildung der westlichen Industrieländer zu erreichen, kam Frankreich und der mitreißenden Rede des Außenministers Claude Cheysson zu. Damit wurde wenigstens die Unterzeichnung der abschließenden Erklärung durch die übrige westliche Welt sichergestellt.

Die bei UNCTAD ungelösten Fragen sind damit nicht vom Tisch gewischt, die industrialisierte Welt wird nicht umhin können, sich in der nahen Zukunft weiter mit ihnen zu befassen. Allerdings bedeutet jeder Monat der Verzögerung unermeßliches Leid für zahllose Menschen in den an den Rand des Geschehens gedrängten Ländern. In diesem Sinn erscheint es wichtig, daß die Dritte Welt zum Schluß der Konferenz sich betont und in verstärktem Maße zur Zusammenarbeit in den eigenen Reihen bekannte.

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