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Libanon auf Teheran-Kurs
Das vergangene Wochenende hat Beirut nach den schwersten Kämpfen seit 1982 zwar etwas Ruhe, doch keine Lösung der politischen Krise gebracht. Präsident Dschumael sieht sich nach wie vor einer islamischen Einheitsfront gegenüber, kann sich seinerseits aber nicht auf alle libanesischen Christen verlassen.
Das vergangene Wochenende hat Beirut nach den schwersten Kämpfen seit 1982 zwar etwas Ruhe, doch keine Lösung der politischen Krise gebracht. Präsident Dschumael sieht sich nach wie vor einer islamischen Einheitsfront gegenüber, kann sich seinerseits aber nicht auf alle libanesischen Christen verlassen.
Von der multinationalen Truppe des Westens ist nur ein Teil der Franzosen als Rückendeckung für Libanons zentrale Autoritäten zurückgeblieben. Nun sind gerade die Franzosen bei den Anhängern Dschumaels durch ihr Draufgängertum besonders geschätzt. Weniger beliebt allerdings bei den allislamischen oder panarabischen Kräften, bei denen sie Erinnerungen an das brutale Durchgreifen früherer Ultra-Generationen gegen den Freiheitskampf der Algerier wachrufen.
Das Rumpf kabinett des zu Beginn der Krise zurückgetretenen Ministerpräsidenten Schaufik al-Wazzan übt seine Regierungsfunktionen in West-Beirut theoretisch weiter aus. Wazzan, dessen Amtssitz von schiitischen Amal-Milizen besetzt ist, will erst einer Regierung der nationalen Einheit aus allen Parteien des neu entflammten Bürgerkrieges Platz machen. Das ist aber mehr Absichtserklärung als politische Realität einer nahen Zukunft.
Die Reaktionen der libanesischen Opposition auf das nun schon zweite Versöhnungsangebot von Amin Dschumael sind alles andere als ermutigend.
Nach seinem ursprünglichen Acht-Punkte-Plan für eine Wiederaufnahme der Verhandlungen in Genf vor dem Monatsende sah der zweite Kompromißvorschlag aus dem inzwischen völlig isolierten Präsidentenpalast von Baab-da eine Neuverteilung der 99 Parlamentssitze nach den aktuellen demographischen Verhältnissen, die sofortige Bildung einer zweiten Kammer aus prominenten Vertretern der verschiedenen Konfliktparteien und sonstige Schritte zur Entkonfessionalisie-rung des libanesischen Staatsge-füges vor. Eine Reform, die von Drusen und Sunniten schon längst gefordert worden war.
Für die auch im maronitischen Lager als einsamer Rufer Raymond Edde aus seinem französischen Exil auftrat. Doch die jetzige Zurückhaltung von Eddes „Nationalem Block", der Anhänger des gleichfalls maronitischen Alt-Präsidenten Franolschie, der Griechisch-Orthodoxen und aller Muslime, bestätigen die Befürchtung, daß die Angebote des Präsidenten zwar richtig liegen, aber viel zu spät gekommen sind.
Die ursprüngliche Hoffnung Dschumaels, den Führer der bisher halbwegs gemäßigten Amal-Schiiten, den einzigen in Beirut selbst residierenden Oppositionspolitiker, Nabih Berri, durch eine Ernennung zum Vizepremier für sich gewinnen zu können, hat sich völlig zerschlagen. Berris Führungsrivalität mit dem in Baalbek etablierten schiitischen Terroristen-Boß Hussein Mus-sauwi, auf die sich die Kalkulationen des Präsidenten gründeten.hat im Gegenteil dazu geführt, daß der ursprünglich liberale Rechtsanwalt selbst durch Radikalismus im Sattel zu bleiben versucht.
In Beirut selbst herrschen nach der Vertreibung der Regierungstruppen aus dem Westen der Stadt wieder die alten Bürgerkriegsfronten längs der sogenannten grünen Linie wie vor der israelischen Invasion vom Sommer 1982.
Chomeinis Islamische Revolution ist genau fünf Jahre nach ihrem Sieg von Teheran in Beirut angelangt. Und in den Geschäftsstraßen der Hamra spielen sich Szenen ab, die an'die iranische Hauptstadt nach der Flucht des Schah erinnern: Islamische Soldaten der in Auflösung befindlichen Armee fraternisieren mit raquo;den Amal-Milizen, jugendlichen Kämpfern der arabisch-nationalen Murabitun und von den Bergen einströmenden Drusen; stürmische Befreiungsfeiern von politischen Gefangenen vor dem Kerker von Al-Zaraf.
Auf der anderen Seite eine frenetische Jagd auf Alkohol und leichte Mädchen, Zwangsverschleierung von Passantinnen und Zerstörung der in Beirut so beliebten amerikanischen Straßenkreuzer.
Flugblätter in diesem Sinne waren schon im Jänner in der Bekaa gedruckt und Tage vor dem Ausbruch dieser Bürgerkriegsrunde in der Hauptstadt verteilt worden. Das alles zeigt, daß die Schiiten ihre Machtergreifung in Westbeirut von langer Hand geplant und auf den fünften Jahrestag der iranischen Revolution festgelegt hatten.
Doch in der anti-maronitischen Einheitsfront Libanons, die Präsident Dschumael die schwere Niederlage der letzten Woche zugefügt und den Abzug der US-Marines, Briten und Italiener aus Beirut veranlaßt hat, zeigen sich nach ihrem Sieg schon erste Risse. Die in Damaskus versammelten Drusen- und Sunnitenführer von Walid Dschumblat bis Raschid Karame zeigen überhaupt keine Eile, sich mit den Schiiten in der libanesischen Hauptstadt auch politisch zusammenzutun.
An der Spitze dieser offenkundig auch von Syrien geförderten Bestrebungen für einen neuen „Nationalen Pakt" zwischen Libanons Christen und Muslimen mit wesentlich mehr Rechten für die letzteren steht der sunnitische Alt-Ministerpräsident Saeb Sa-lam. Er hatte das Regime Dschumael lange als prominentester Muslim unterstützt, war aber vor Ende 1983 noch rechtzeitig von dessen Politik abgerückt.
Nun will Salam die meisten von Dschumaels fast absoluten Vollmachten an einen Staatsrat aus den Führern von möglichst vielen politischen Lagern und paramilitärischen Machtgruppen abgetreten wissen.
Je länger in Damaskus gezögert wird, desto besser können sich die Maroniten und ihre anti-syrischen Verbündeten aus allen Lagern von dem Schlag erholen, der für sie zunächst vernichtend ausgesehen hatte. Nach der völligen Kopflosigkeit der Amerikaner im Anschluß an das Debakel von West-Beirut hat eben auch der Führungswechsel im Kreml seine lähmenden Auswirkungen auf die syrischen und drusischen Verbündeten der Sowjets gezeitigt.
Diese Konstellation hat die neue saudi-arabische Libanoninitiative dieser Woche ermöglicht, nachdem König Fahds Botschafter in Beirut selbst bereits die Flucht aus dem von der radikalen Schia beherrschten Westviertel der Stadt ergriffen hatte.
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