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Liberale Pechsträhne

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Die Gemeinde- und Provinzial-wahlen zeitigten für den italienischen Ministerpräsidenten Giulio Andreotti kein ermutigendes Ergebnis. Die Democrazia Cristiana vermochte nicht mehr so gut abzuschneiden wie in den Parlamentswahlen vom 7. Mai. Für die Liberalen geht die Pechsträhne glückloser Wahlergebnisse weiter; ihre Regierungsbeteiligung brachte der

Partei Malagodis nicht den erhofften Erfolg. Zwar haben bei diesen Partialwahlen da und dort mehr Italiener und Italienerinnen liberale Wahlzettel eingelegt als beim Urnengang für das Abgeordnetenhaus und den Senat vor sieben Monaten, doch verloren die Liberalen im Verhältnis zu den letzten Gemeindewahlen Stimmen. Die stolze, der savoyischen Tradition verbundene Partei Ca-vours und Giolittis, die Italien geeint und während mehr als 60 Jahren, von 1861 bis 1922, allein oder mit Mitläuferparteien regiert hat, verfügt heute nur über weniger als 5 Prozent der Stimmen. Die Frage stellt sich, wie lange unter solchen Vorzeichen Andreotti seine ohrist-lichdemokratisch-sozialdemokratisch-liberale Zentrumsregierung über Wasser zu halten vermag. Dies um so mehr, als die Linkssozialisten, die sich auf ihrem letzten Parteikongreß mit allerdings geringer Mehrheit für eine Neuauflage des Centro-Sinistra-Regierungskurses, also für die Koalition mit Sozialdemokraten und Democrazia Cristiana, ausgesprochen haben, ihren Anhang beträchtlich vermehrt sehen.

Die Befürworter des gegenwärtigen Zentrumskabinetts — ein Forlani, Generalsekretär der democrazia Cristiana, und ein Piccoli, Sprecher der Christdemokraten im Abgeordnetenhaus — geben zu bedenken, daß bei diesem Urnengang beide extremistischen Parteien — KPI und Neofaschistische Bewegung — Stimmen und Sitze verloren haben, was der zugleich entschlossenen und ausgewogenen Politik

Andreottis und seiner Regierung zu verdanken sei. Die Jünger Mussolinis wurden tatsächlich fast überall auf die 8-Prozent-Hürde zurückverwiesen und die kommunistische Partei bleibt im großen und ganzen bei ihren bisherigen 30 Prozent stehen. Daß die KPI lediglich in Mittelitalien das Drittel aller Stimmbürger erreicht oder überschreitet, ist um so beachtlicher, als die Sozialproletarische Partei nach der Niederlage vom 7. Mai aufgelöst wurde und ihr Führungskorps fast geschlossen zur Kommunistischen Partei überlief. Die Partialwahlen vom 26. und 27. November zeigten nun aber, daß die Wählermassen diesem Führungskorps nur zu einem kleinen Teil gefolgt sind und daß die meisten ehemaligen Sozialproletarier wiederum linkssozialistisch wählten.

Versuchte Andreotti, mit einer Zentrumskoalition eine Linkspolitik durchzusetzen, um die Linkssozialisten für eine neue Zusammenarbeit zu gewinnen, so mußte besonders die Liberale Partei den Preis für einen derart widersprüchlichen Regierungskurs bezahlen.

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