7064411-1991_49_09.jpg
Digital In Arbeit

Licht auf Chnumhotep

19451960198020002020

„In den Wintermonaten", hieß es bis zum 100. Geburtstag des Wiener Kunsthistorischen Museums am 17. Oktober heurigen Jahres, „muß die Ägyptisch-Orientalische Sammlung mangels Beleuchtung früher geschlossen werden."

19451960198020002020

„In den Wintermonaten", hieß es bis zum 100. Geburtstag des Wiener Kunsthistorischen Museums am 17. Oktober heurigen Jahres, „muß die Ägyptisch-Orientalische Sammlung mangels Beleuchtung früher geschlossen werden."

Werbung
Werbung
Werbung

Jetzt kann auch die aus Fundgegenständen österreichischer Grabungen und aus der Sammlung Miramar des Erzherzogs Ferdinand Maximilian, des späteren Kaisers Maximilian von Mexiko, bestehende Abteilung bis 18 Uhr besichtigt werden.

Generaldirektor Wilfried Seipel hat es nun möglich gemacht: Er gewann nicht nur die Oberösterreichische Kraftwerk-AG (OKA) als Sponsor. Er tüftelte auch gemeinsam mit Helmut Satzinger, dem Leiter der acht Räume umfassenden Abteilung, eine Methode aus, die in den „ägyptisch" eingerichteten Sälen I und II eine Elektrifizierung gestattete, ohne das kostbare Interieur mit Stein- statt der üblichen Parkettfußböden, mit Tonnenstatt Kreuzrippengewölben und individuellen Vitrinen, Türeinrahmungen, Deckenmalereien und Tapeten zu beschädigen.

Die Lösung ist so einfach wie unauffällig. Sie besteht aus in Oberputz verlegten, Ton in Ton mit den Wänden gehaltenen Plastikkanälen, durch die die Stromkabel führen. Die bislang lediglich Vitrinenbeleuchtung besitzenden übrigen fünf Säle werden in den nächsten Wochen als letzte des Museums ebenfalls voll elektrifiziert. Da ihre stilistische Gestaltung ohne kunsthistorischen Wert ist, gibt es bei der Realisierung keine technischen Probleme.

Bei der von Seipels Vorgängern einmal als „opferungswürdig", einmal als „gefährdet" angesehenen Dekoration handelt es sich zum Teil um Originale aus dem Pharaonenreich, zum anderen Teil um vergrößerte Kopien von Malereien eines Fürstengrabes des Mittleren Reiches (2100 bis etwa 1700 v.Chr.).

Nach Wien gekommen sind die als Clou in die Schausäle der ägyptischen Sammlung einbezogenen drei sechs Meter hohen antiken Papyrusbündelsäulen aus Assuaner Rosengranit bereits 1869. Sie waren Kaiser Franz Joseph zum Geschenk gemacht worden, als er anläßlich der Eröffnung des Suez-Kanals Ägypten einen Besuch abgestattet hatte. Der Wiener Architekt Carl Hasenauer plante sie als Detail der Innenausstattung des Kunsthistorischen Hofmuseums von Anfang an mit ein. Inspiriert vom „Egyptian Court" des Kristallpalastes zu Sydenham, wo die Namen der Königin Victoria und des Prinzgemahls Albert in Hieroglyphen angebracht sind, sowie vom „Ägyptischen Museum" in Berlin mit einer Gründungsinschrift in hieroglyphischen Zeichen, veranlaßte Hasenauer darüber hinaus den Ankauf von Malereien, die der Pionier der archäologischen Illustrationen, Emst Weidenbach aus Berlin, geschaffen hatte.

Ernst Weidenbach, der den großen deutschen Ägyptologen Richard Lep-sius auf dessen Expeditionen von 1842 bis 1845 stromauf, stromab, entlang des Nils begleitet hatte, hatte sie als Schmuckelement fürden Ägyptenpavillon der Wiener Weltausstellung von 1873 angefertigt. Weidenbachs Auftraggeber war der ägyptische Khedi-ve (Vizekönig) Ismail.

Die Bilder geben die Wandmalerei eines Felsengrabes in Beni Hassan wieder, in dem Chnumhotep, ein Provinzfürst aus Mittelägypten, bestattet worden war. Dem ordnenden Sinn der alten Ägypter entsprechend, wird das Umfeld des Bestatteten in räumlich wie zeitlich simultanen Szenen -reihenweise übereinander - dargestellt. Eine Szenenfolge zeigt Chnumhotep mit seiner Familie vor dem Opfertisch. Eine zweite Bildserie ist dem Vogel- und Fischfang im Sumpfland gewidmet, eine dritte und vierte landwirtschaftlichen und handwerklichen Tätigkeiten wie dem Weben und Spinnen, der Bierbrauerei, dem Pflügen, der Getreideernte sowie dem Haus- und Bootsbau.

Figuren & Hieroglyphen Ein weiteres Motiv der Wandmalereien bildet eine Gruppe von Kana-äern, die mit Lyra, Kindern und Eseln Handelsgüter bringt, darunter die von den Ägypterinnen begehrte Augenschminke. Und wie in der vor rund 4.000 Jahren erbauten Grabkammer am ostseitigen Nilufer verschmelzen auch auf den vom Ägyptenpavillon abgenommenen und an den Museumswänden aufgezogenen Gouachen des 19. Jahrhunderts die vorwiegend in Weiß, Rot, Braun, Schwarz, Blau und Grün gemalten Figuren mit den die verschiedenen Aktionen erklärenden Hieroglyphen zu einer Einheit.

Anders als im heute schwer zugänglichen Grab ist dagegen die Anordnung der Szenen. Um sie im Kunsthistorischen Hofmuseum unterzubringen, mußten sie zerschnitten werden. Die meisten fanden im Saal I Verwendung und bilden nun, nach Neuordnung der an Raumnot leidenden Sammlung, den Rahmen für die zu dicht aufgestellten Exponate des Totenkultes: Sarkophage in Mumiengestalt, Kanopengefäße zur Aufnahme der Eingeweide des konservierten Leichnams, sogenannte Uschebti-Statuetten (Doppelgängerfiguren des Toten, die im Jenseits dessen Arbeiten verrichten sollten) und Grabstelen, die oft aus Holz und bemalt sind.

Der Rest der zerschnittenen Kopien von Chnumhoteps Grab schmückt Saal II, in dem die Kulturen der ägyptischen Randgebiete vorgestellt werden. Ein Schwerpunkt entstand durch die seit 1965 von Mitarbeitern des Österreichischen Archäologischen Instituts in Teil el'Dab'a im österreichischen Nildelta gemachten Funde. Sie stammen von Auaris, der ausgegrabenen Hauptstadt der im 17. und 16. Jahrhundert v. Chr. über die Ägypter herrrschenden asiatischen Hyksos.

Der dritte Raum, der hundert Jahre nach der Eröffnung des Museums elektrisches Licht erhalten hat, birgt auf einerSeite mumifizierte Tiere wie den Kopf des als Gott verehrten Apisstieres. Auf der gegenüberliegenden Seite stehen Kleinplastiken - Votiv-gaben aus Totentempeln und Beigaben aus Gräbern, alle in Gestalt von Tieren. Außerordentlich reizvoll: eine Nilpferd-Fayence und eine Katzenbronze, signifikant für das Kunsthandwerk des Mittleren Reiches beziehungsweise der Spätzeit (712 bis 525 v. Chr.)

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung