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Liebe zum Musizieren

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FURCHE: Wie sehen Sie nach 28 Jahren im Ausland, vor al­lem als Dirigent, Musikprofessor und Komponist in den USA, die Si­tuation der Musikerziehung?

GERHARD TRACK: Die Musik­lehranstalten der Stadt Wien - das Konservatorium, die 17 Musikschu­len und an die 80 Kindersingschu-len mit fast 400 Klassen - beschäf­tigen zur Zeit rund 470 Lehrkräfte für insgesamt über 9.000 Schüler. Das Konservatorium hat dreizehn Abteilungen, die jüngsten Abtei­lungen Ballett, Tanzerziehung, Operette, Musical und Schauspiel leiden vor allem an Platzmangel. Nicht jeder Wiener Bezirk hat eine eigene Musikschule und einige Musikschulen haben nicht die Räume, die für einen erfolgreichen Unterricht nötig sind. Das Interes­se der Kinder ist so groß, daß fast alle Musikschulen eine Warteliste haben. Das zeugt von der Qualität des Unterrichtes, der weiter ver­bessert werden soll. In der Unter­stufe zahlen die Schüler 2.000 Schil­ling pro Jahr, das ist sehr wenig im Vergleich zu Privatstunden.

FURCHE: Gibt es genügend Musiklehrerin Wien?

TRACK: Wir brauchen dringend neue Dienstposten, in den Prüf ungs-und Konzertzeiten gibt es auch einen Bedarf an Korrepetitoren.

FURCHE: Was wollen Sie in Ih­rer Direktionszeit den jungen Leu­ten besonders vermitteln?

TRACK: Die Liebe zum gemein­samen Musizieren - in den vier Orchestern und den Kammermu­sikensembles - und zum Chorsingen sollte geweckt werden. Die kul­turelle Grundfähigkeit des gemein­samen Singens wird zu sehr ver­nachlässigt, das fängt schon beim Wiegen- und Kinderlied im Eltern­haus an, das durch Videos ersetzt wird.

Auch Gesangstudenten sollten im Ensemble singen können. Um das Niveau von professionellen Opern­produktionen für die Zukunft zu sichern, werden mehr und mehr ausgebildete Chorsänger benötigt. In der Bundesrepublik Deutschland ist ein Mangel an ausgebildeten Chorsängern zu verzeichnen. Sehr am Herzen liegt mir die Streicher­erziehung. Dafür werden in näch­ster Zukunft große Werbeveranstal­tungen stattfinden. Die Holz- und Blechbläser müssen, um der inter­nationalen Konkurrenz standhal­ten zu können, früher mit dem Unterricht beginnen. In den USA lernen Kinder bereits mit acht Jahren Trompete oder Klarinette spielen. Kein Wunder, daß ameri­kanische Orchester immer wieder bewundert werden wegen ihrer hervorragenden Bläser! Unsere Absolventen sollten, wie jene der Hochschule für Musik und darstel­lende Kunst, einen Diplomtitel erhalten.

FURCHE: Vor Ihrer Bestellung haben Sie auf vorbildliche Initiativen in den USA hingewiesen, die zeitgenössische Musik zu fördern. Wie stehen Sie nun als Direktor dieser musikalischen Institutionen dazu?

TRACK: Viele Lehrer an den Musikschulen und im Konservato­rium spielen in ihren Konzerten und mit ihren Klassen Werke lebender österreichischer Komponisten. Wir werden vor allem die Zusammen­arbeit des Komponistenbundes mit den Musiklehranstalten forcieren. Dies hat damit begonnen, daß die Konzerte der Musiklehranstalten gemeinsam mit Veranstaltern durchgeführt werden, die das Pu­blikum bringen, wie Vereine und Gesellschaften. Schüler, die Werke lebender österreichischer Kompo­nisten bei Prüfungen und Wertungs­spielen vortragen, werden um eine Note besser bewertet. Auch unsere Orchester, Chöre und Ensembles werden in Zukunft mehr Werke lebender österreichischer Kompo­nisten aufführen und wir werden auch versuchen, Kompositionsauf­träge zu verteilen. Das hat auch einen Werbeeffekt für unsere Insti­tution. Eine Musikschule hat dies bereits mit großem Erfolg getan und ich bin sicher, daß andere Schulen folgen werden, ebenso natürlich das Konservatorium, das schon immer Werke lebender Komponisten auf­geführt hat.

FURCHE: Sie selbst sind Kompo­nist und setzen sich sehr für Ihre Kollegen ein. Wie können Sie dazu beitragen, daß mehr und mehr zeit­genössische Musik aufgeführt wird?

TRACK: Ich möchte die „Wochen zeitgenössischer österreichischer Musik" aktivieren.

Konzertveranstaltungen mit jun­gen Komponisten, Austauschkon­zerte mit ausländischen Konserva­torien, vor allem nach dem nun offenen Osten, stehen bereits auf dem Programm. Neue Kommuni­kationstechnologien sollen genutzt werden um beispielsweise mit amerikanischen Musikverlagen mithalten zu können. Auch Spon­soren sollen stärker einbezogen werden.

FURCHE: Sie haben Erfahrun­gen mit Sponsoren in den USA. Wie wird das Musikleben durch sie beeinflußt?

TRACK: In den USA ist es Eh­rensache, daß Banken, Zeitungen, Unternehmen das Kulturleben ei­ner Stadt finanzieren. Das wird ja auch langsam in Österreich üblich. Auf die Programmgestaltung darf auf keinen Fall Einfluß ausgeübt werden.

Mit dem neuen Direktor der Musiklehranstal­ten der Stadt Wien (Konservatorium) und Präsi­denten des österreichischen Komponistenbun­des sprach Ulf-Diether Soyka.

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