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Digital In Arbeit

Lieber Sog als Druck erzeugen

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Viel wird über die weltwirtschaftliche Herausforderung durch die neuen Technologien geredet. Wie sind österreichische Unternehmen darauf vorbereitet?

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Viel wird über die weltwirtschaftliche Herausforderung durch die neuen Technologien geredet. Wie sind österreichische Unternehmen darauf vorbereitet?

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In Österreich mehren sich - und nicht erst seit Hainburg — die Anzeichen einer Zivilisationsflucht, eines Wissenschafts- und Technikskeptizismus, von Aussteiger-tum und Industriekritik.

Während die Kinder in den USA, in Japan, aber auch in Großbritannien mit dem Computer und den neuen Informationstechniken nahezu aufwachsen, Frankreich im Rahmen eines Großprojektes 10.000 Informatikateliers gründen will, diskutiert man in Österreich darüber, ob die Informatik an den Gymnasien mit oder ohne Benotung eingeführt werden soll. Angesichts der weltwirtschaftlichen Herausforderungen keine beruhigende Situation.

Dabei brauchen wir keineswegs vor den Leistungen beispielsweise der Japaner zu erschauern. Österreich hat ein hervorragendes Potential an qualifizierten Fachkräften, um neue Entwicklungen aufzugreifen, auf besondere Kundenwünsche einzugehen und ein soziales Klima, das auch internationale Konzerne ermutigt, in Österreich zu investieren.

Niemand wird bestreiten, daß inzwischen dem Bildungswesen für die weitere Entwicklung, die Einführung und den Einsatz der Mikroelektronik, der neuen Techniken - insbesondere auf den Gebieten der Information und Kommunikation - eine zentrale Bedeutung zukommt. Heute sind Voraussetzungen zu schaffen, daß diese neuen Techniken als Chance sinnvoll genutzt werden, gilt es zu verhindern, daß aus Unkenntnis der Möglichkeiten und Grenzen entweder unnötige Ängste, Scheu oder eine unkritische Technikgläubigkeit ausgelöst werden.

Bereits heute werden rund 20 Prozent der Informationsverarbeitung von technischen Systemen durchgeführt. In vielen Bereichen, insbesondere der Produktion und Verwaltung, werden sich Berufsbilder und -inhalte sowie die erforderlichen Qualifikationen verändern, angestammte Berufe an Bedeutung verlieren, neue entstehen.

Der Servicetechniker eines Büromaschinenerzeugers beispielsweise ist früher noch mit der Werkzeugkiste zum Reparieren der Lochkartenmaschine ausgerückt', heute löst er Probleme vielfach via Telefon. Er muß in der Lage sein, Bauelemente zu warten und Simulationsmodelle zur Fehlersuche einzusetzen.

Mehr als zwei Drittel der Lehrlinge in der Industrie werden in Kürze mit mikroelektronisch gesteuerten Maschinen umgehen müssen. Ausländische Untersuchungen weisen darauf hin, daß die Mikroelektronik in rund 50 Prozent der Berufe in Produktion und Gewerbe Eingang finden wird. Und wenn diese Zahlen auch nur bedingt auf die überwiegend klein- und mittelbetrieblich strukturierte Wirtschaft Österreichs übertragbar sind, so zeigen sie doch die Dynamik des Wandels, der hier im Gange ist.

Und was tut die Industrie? Auch wenn die letzte umfangreiche Untersuchung des österreichischen Institutes für Bildungsforschuhg der Wirtschaft (IBW) der Industrie besondere Anstrengungen um die Qualifikation ihrer Mitarbeiter bescheinigt hat (86 Prozent der größeren Industriebetriebe führen Weiterbildungsmaßnahmen durch), verlangt die Einführung der Mikroelektronik und moderner Kommunikations- und Informationstechniken die Vermittlung neuer Inhalte, neuer Verfahren, neuer Methoden des Mit-einanderarbeitens, neuer Denk-und Verhaltensweisen, die neben den rein fachlichen auch eine stark emotionale Komponente umfassen.

Das Duisburger „Institut für angewandte Innovationsforschung” etwa kommt in Modellversuchen zum Thema „Einsatz der Mikrocomputer - Technik der Facharbeiterausbildung” zum Schluß, daß selbst in Betrieben, in denen mikroelektronische Produkte hergestellt werden, die erforderliche Qualifizierung von Facharbeitern kaum Schritt halten kann.

In der Phase der Forschung und Entwicklung kommt es unter anderem oft zu einem Mangel an Ingenieuren. In der Produktionsphase steht der Facharbeitermangel im Vordergrund. Bei der Markteinführung führen mangelnde Akzeptanz und das Fehlen geeigneten Servicepersonals zu Schwierigkeiten.

Viele Unternehmen haben aber rechtzeitig neue Schwerpunkte gesetzt. Unter vielen anderen die Firma GFM (Gesellschaft für Fertigungstechnik und Maschinenbau) in Steyr: Sie führt seit Jahren im Rahmen der Lehrlingsausbildung zum Maschinenschlosser einen Zusatzunterricht über die Grundlagen der Elektrotechnik und Programmierung von Werkzeugmaschinen durch und macht bereits die Lehrlinge mit modernsten Maschinen vertraut. Hausinterne Weiterbildungsseminare in den Bereichen Elektronik, Mikroprozessortechnik und Hydraulik ermöglichen den Mitarbeitern, ihren Wissensstand zu aktualisieren.

Bei General Motors Austria gibt es mittlerweile einen neuen Lehrberuf. Es ist der „Anlagenmonteur” — eine Symbiose zwischen Maschinenschlosser und Elektriker. Dieser neue Lehrberuf soll

Auf die Umstellungsprobleme der Mitarbeiter muß eingegangen werden. die Betreuung modernster Anlagen, auch der Roboter, sicherstellen.

Bereits 1978 wurde von der österreichischen Niederlassung der Firma Siemens AG mit Unterstützung der Arbeitsmarktverwaltung die „Umschulung von Jungfacharbeitern zu Mikrocom-putertechnikern” begonnen, um Facharbeitern mit abgeschlossener Facharbeiterprüfung und mindestens einjähriger Praxis eine fundierte Ausbildung in der Mikroelektronik zu bieten. Bis jetzt wurden auf diesem Weg rund 100 Facharbeiter geschult.

Bei der Firma Henkel Austria wurden nach dem Motto „Nicht Druck, sondern Sog erzeugen” bei der Einführung von Personalcomputern und neuer Software-Pakete für die Bildschirmarbeit eine Reihe von Spezialseminaren für Führungskräfte und Sachbearbeiter mit dem Ziel durchgeführt, nicht nur das entsprechende fachlich-technische Wissen im Umgang mit dem Gerät zu vermitteln, sondern auch auf die Umstellungsprobleme der Mitarbeiter besonders einzugehen.

Die „Beratungs- und Informationsstelle für Mikroelektronik” (BIME) des Wirtschaftsförde-rungsinstitutes der Bundeskammer bietet interessierten Unternehmen ein Paket an Hilfestellungen für den Einstieg in die Mikroelektronik an.

Vieles wird also getan, aber bei weitem nicht genug.

Nur wenn es gelingt, in der Bildungspolitik neue Schwerpunkte zu setzen und mit einer Intensivierung der betrieblichen Bildungsarbeit auf breitester Basis den neuen Anforderungen Rechnung zu tragen, braucht uns um die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft und Gesellschaft nicht bange zu sein.

Der Autor ist Leiter der Abteilung Bildungspolitik der Vereinigung österreichischer Industrieller.

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