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Linke Sorgen

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Der Vertrauensverlust der Arbeiterpartei bei ihren traditionellen Wählern kann dazu beitragen, daß nach den norwegischen Parlamentswahlen vom 9. September zum erstenmal seit 16 Jahren wieder einmal einer der führenden Kommunisten des Nordens, der Vorsitzende der norwegischen KP, Raidar Larsen, im Stortinget Sitz und Stimme erhält. Und es ist dabei durchaus möglich, daß Larsen bei seinem Einzug in das Parlament von mehr als einem Genossen begleitet sein wird.

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Der Vertrauensverlust der Arbeiterpartei bei ihren traditionellen Wählern kann dazu beitragen, daß nach den norwegischen Parlamentswahlen vom 9. September zum erstenmal seit 16 Jahren wieder einmal einer der führenden Kommunisten des Nordens, der Vorsitzende der norwegischen KP, Raidar Larsen, im Stortinget Sitz und Stimme erhält. Und es ist dabei durchaus möglich, daß Larsen bei seinem Einzug in das Parlament von mehr als einem Genossen begleitet sein wird.

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Wenn die Meinungsforscher recht haben, dann hat die früher so angesehene und mächtige norwegische Arbeiterpartei seit ihrem unglücklichen Einsatz für eine Vollmitgliedschaft Norwegens in der EWG zahlreiche Anhänger verloren. Die Wahlen des Jahres 1969 brachten ihr noch 46,6 Prozent aller Stimmen und 74 von 150 Mandaten im Stortinget. Nach den letzten Wählerbefragungen pendelt ihr Stimmenanteil nun um 40 Prozent, mit einem tiefsten Stand von 39 Prozent. Die Partei hat die schweren Auseinandersetzungen, von denen sie vor und nach der Volksabstimmung im Herbst 1972 erschüttert worden war, bis heute noch nicht überwinden können.

Ursache dieses Niederganges ist natürlich die ungewöhnlich starre und kompromißlose Haltung des Parteivorsitzenden Brattell in der Europamarktfrage, der viele ehemalige Wähler der Arbeiterpartei aus Arbeiter-, Intellektuellen- und Fischerkreisen veranlaßt hat, der Partei den Rücken zu kehren, als sich gezeigt hatte, daß die Parteiführung aus der Niederlage bei der Volksbefragung nichts gelernt hatte. Auch das Zusammengehen mit den Konservativen in dieser Frage findet in breiten Wählerschichten kein Verständnis. So war der Boden reif geworden für eine Gruppenbildung links von der Arbeiterpartei. Diese

ist es nun, die dem Wahlkampf eine neue Note geben wird.

Viele ehemalige Anhänger der Arbeiterpartei wandten sich jener Linksgruppe zu, die sich bereits vor zwölf Jahren als „Sozialistische Volkspartei“ konstituiert hat. Auch damals handelte es sich um oppositionelle Sozialdemokraten. Die „SF“ konnte durch zwei Parlamentsperioden je zwei Mandate behaup-

ten, blieb jedoch bei den letzten Parlamentswahlen im Jahre 1969 ohne Mandat, obwohl sie immerhin 73.300 Stimmen auf sich vereinigen konnte. Sie führte seither ein recht bescheidenes Dasein und hat es eigentlich nur der Europapolitik der sozialdemokratischen Parteiführung zu verdanken, daß sie nun zum Sammelbecken unzufriedener Sozialdemokraten avancierte.

Bedeutungsloser noch als die „SF“ war jedoch in den letzten Jahrzehnten Norwegens kommunistische Partei, die es bei der letzten Wahl nur auf 21.500 Stimmen gebracht hat. Neben ihr gibt es noch eine Gruppe unabhängiger Linkssozialisten, die „links von der Linken“ stehen und seit dem März dieses Jahres eine Gruppe oppositioneller Sozialdemokraten, die es vorgezogen haben, wegen der Europapolitik Brattelis aus der Partei auszutreten. All diese Gruppen und Grüppchen haben sich nun zu einem „Sozialistischen Wahlverband“ zusammengeschlossen, von dem Optimisten in den eigenen Reihen annehmen, daß er es auf acht Prozent aller Wählerstimmen bringen kann.

Dieses Auftreten einer neuen Linkspartei bringt jedoch nicht nur für die Arbeiterpartei Sorgen mit sich, es dürfte auch der Linken, die sich hier zusammengeschlossen hat, bald schwere Probleme bringen. Man wünscht in diesem Lager natürlich die Ablösung der bürgerlichen Koalitionsregierung Korvald durch eine mehr linksorientierte Regierung. Eine solche kann logischerweise nur von einem Sozialdemokraten — in der Praxis also von jenem Bratteli gebildet werden, den man wegen seiner Europapolitik bis in die letzten Tage hinein erbittert bekämpft hat.

Ein Wahlsieg muß aber auch im Kampfe gegen jene Regierung Korvald errungen werden, die eben einen für Norwegen recht vorteilhaften Handelsvertrag mit der EWG glücklich in den Hafen gebracht hat; dies ist noch dazu ein Vertrag, dem die Linke im großen und ganzen zustimmt. Im Grunde genommen ist die Europapolitik des Christdemokraten Korvald den Linkssozialisten weit sympathischer als jene der Arbeiterpartei, die man — einen Wahlsieg vorausgesetzt — wieder an die Macht bringen muß. Wieweit wird die Arbeiterpartei bei der Beachtung der linkssozialistischen Wünsche in der Innenpolitik gehen?

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