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Listen statt Parteien

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Sensationen sind wohl keine zu erwarten bei den am 16. März stattfindenden Gemeinderatswahlen in Tirol (außer in Innsbruck, wo zu einem eigenen Termin gewählt wird). Der für die Gemeinden zuständige Landesrat, Alois Parti (ÖVP), dürfte recht haben, wenn er meint, daß die stabilen Verhältnisse auf der Tiroler Gemeindeebene nicht gefährdet seien.

1980 entfielen 71,7 Prozent der gültigen Stimmen auf die ÖVP und auf der ÖVP nahestehende Listen, 22,7 Prozent auf die Sozialisten, 3,5 Prozent auf die Freiheitlichen und 2,1 Prozent auf Sonstige. Von den 277 Bürgermeistern (ohne Innsbruck) stellt die ÖVP 267, die SPÖ neun und die FPÖ, aufgrund einer Wahlgemeinschaft in Kufstein, einen Bürgermeister.

Bei diesen Wahlen sind erfahrungsgemäß Überraschungen eher selten. Trotzdem kann es in der einen oder anderen Gemeinde zu lokalen Umwälzungen kommen. Immerhin ist auch in Tirol der Trend der Zeit spürbar: die Jugend drängt in die Institutionen, und auch die Frauen sind im Vormarsch. Und 60.000 Erstwähler sind ein Potential, das schon etwas bewegen kann.

Jedenfalls ergeben die nunmehr vorliegenden Daten ein durchaus interessantes Bild: insgesamt sind 335.662 Personen wahlberechtigt, um 36.387 oder 12,2 Prozent mehr als im Jahr 1980. Die starke Zunahme an Erstwählern ist vor allem auf die geburtenfreudigen sechziger Jahre zurückzuführen.

Bei den Mandaten ergab sich seit 1980 ein Zuwachs um 68 auf nunmehr 3.272 Gemeinderatssitze und bei den Wahlvorschlägen ebenfalls um 68 auf 1.134 eingebrachte Listen.

Spitzenreiter in bezug auf die Zahl der Listen ist die Gemeinde

Längenfeld im ötztal mit 2.080 Wahlberechtigten und zwölf Listen Statistisch gesehen trifft dort auf jeweils 173 Dorfbewohner eine Liste. Jeweils zehn oder mehr Vorschläge wurden auch in den Gemeinden Imst, Tarrenz, Thiersee und Wildschönau eingebracht. Landesrat Parti: „Für Tirol ist diese Listenvielfalt nicht außergewöhnlich, sondern historisch gewachsen. Vor allem in Streusiedlungen kandidieren Fraktionen oder Ortsteile meist getrennt. Es gibt aber auch immer mehr (berufsspezifische) Interessens-gemeinschaften, die bei Wahlen antreten.“

Uber die verstärkte Präsenz des „schwachen Geschlechts“ unter den Kandidaten zeigt sich Parti befriedigt. Tatsächlich werden diesmal viele Listen von Frauen dominiert, aber auch der politische Nachwuchs ist entsprechend vertreten. So wird sich der Prozeß der Verjüngung und Erneuerung der Kommunalparlamente weiter fortsetzen. Allein bei den Urnengängen 1974 und 1980 kam es im Endeffekt zu einem rund 90pro-zentigen Austausch der Mandatare. Parti rechnet damit, daß diesmal ein Drittel neue Frauen und Männer in die Gemeindestuben einziehen werden.

Wenn man die Wahlziele und Taktiken der einzelnen Parteien betrachtet, ergibt sich folgendes Bild: Die OVP will natürlich ihre bisherige Traummarke halten, wozu auch die vermehrt in die Listen aufgenommenen Frauen mithelfen sollen.

Die Sozialisten erhoffen sich von der Devise „Teilopposition“, also durch eine klarere Abgrenzung gegenüber der ÖVP, den langersehnten Erfolg. Angesichts des Debakels der Bundespolitik werden sie es allerdings schwerhaben, zusätzliches Vertrauen zu gewinnen. So sind diesmal auch die Sozialisten dazu übergegangen, vermehrt mit Namenslisten aufzutreten. In Kundl gibt es sogar zwei rote Listen, weil dort die Jungsozialisten getrennt marschieren.

Die Freiheitlichen haben sich viel vorgenommen. Sie wollen vier Bürgermeister erringen. Das realistische Ziel ist die Festungsstadt Kufstein, wo Siegfried Dil-lersberger nun doch noch einmal (nach diversen Rückzugsgefechten) in den Ring tritt und auf das weitere Vertrauen der Wähler hoffen kann. Landesparteiob-mann Hermann Eigentier will sich in seiner Heimatgemeinde Fulpmes um die Funktion des Gemeindeoberhauptes bewerben, und auch in Haiming und Imst rechnen sich die Freiheitlichen gewisse Chancen aus. „Privatisierung auch in Tirol“ lautet übrigens die Devise der FPÖ, wobei man darauf hinweist, daß das Land an 37 Kapitalgesellschaften beteiligt sei.

In etlichen Gemeinden — wie zum Beispiel in St. Ulrich am Pil-lersee, in Abfaltersbach und in Außervillgraten wird es der Wähler einfach haben: er wird dort nur jeweils eine einzige Liste vorfinden.

Der „Tiroler Arbeitsbund“, der nur bei den Innsbrucker Wahlen kandidiert und dort 1983 überaus erfolgreich war, hat sich in Inseraten jenen Frauen und Männern, die sich „grundsatztreu für mehr Demokratie in Tirol“ einsetzen, als Ratgeber angeboten. Europas älteste Festlanddemokratie soll also noch demokratischer werden.

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