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Literatur & Politik

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Jn Budapest konzentrieren sich jetzt gerade in der Kultur viele Hoffnungen undErkennt-nisse: Zu den Fakten zählt, daß Arthur Köestlers antikommunistischer Roman „Sonnenfinsternis“ in allen Buchläden liegt und auch als Theaterstück gespielt wird, daß die bis vor kurzemverbotenen Bücher von György Konrad in Auflagen bis zu 80.000 erscheinen.

Noch vor zweieinhalb Jahren durfte György Konrads Name in keinem ungarischen Massenmedium genannt werden, obwohl dieser Autor mitten in Budapest lebt und seine Romane in zahlreichen ausländischen Ausgaben herauskamen.

Sehr aufschlußreich war die von Ann Gętty und Lord Weidenfeld, einem geborenen Wiener, veranstaltete Wheatland-Konferenz über gegenwärtige Weltliteratur, die in Budapest natürlich ein gewaltiges Ost-West-Schwergewicht bekam.

Vor allem sowjetische Schriftsteller stellten die politische Dimension ihres Schreibens überhaupt nicht in Frage: sie waren vom Beginn der Perestrojka an mit dabei, Michail Gorbatschow hatte sich schon sehr früh mit ihnen beraten, und sie sind es, die Glasnost tatsächlich durchführen.

Dazu dienen ihnen als Instrumente weniger die Bücher als die Zeitungen und Zeit-schrifteru Da werden Lyrik und Publizistik eng verwandt, wie etwa Andrej Wossnesensky bewies. Auch der Romanautor Wladimir Makanin ließ an der öffentlichen politischen Bedeutung der Literatur keinen Zweifel. Der polnische Nobelpreisträger Czeslaw Milosz, Verfasser zeitloser Verse, erklärte entschieden, Literatur sei ohne politische Wirkung unmöglich, und die Ungarn Miklös Meszöly und György Konrad sprachensogleichüber Politik.

Die Schriftsteller aus dem Westen hingegen setzten bei dieser Konferenz ihre Akzente meist anders: Friedrich Dürrenmatt sprach noch von der Verantwortung der Schriftsteller für politischen Ausgleich und Frieden als Voraussetzung für menschliches Leben auf der Erde, aber Alain Robbe-Grillet formulierte ebenso elegant wie deutlich: es gebe Schriftsteller, die etwas zu sagen hätten und solche, die nichts zu sagen hätten. Erhöbe nichts zu sagen. Er schreibe aus dem Nichtverste-hen der Welt, er komme aus dem Schweigen und gehe ins Schweigen. Er schreibe gerade, weil er nichts verstehe.

Zwei Lebensformen, gewiß, doch das Nichtverstehen im Westen muß man sich erst leisten können. Stefan Kisielews-kis (Warschau) unvergeßliche Zeilen waren mir quälend gegenwärtig: „Muß es denn unbedingt die Sache des Westens sein, niemals und nichts zu verstehen?“

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