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Literatur von Günter Grass
„Das Treffen in Telgte“ fand zwar nie statt, aber die verblüffend literaturkundig konzipierte Geschichte einer Zusammenkunft von rund zwanzig Barockdichtern im Sommer 1647 wurde geschrieben, „weil ein Freund, der im siebenundvierzigsten Jahr unseres Jahrhunderts seinesgleichen um sich versammelt hat, seinen 70. Geburtstag feiern will.“ Gemeint ist die Gründungstagung der „Gruppe 47“, und das Buch ist ihrem Spiritus rector „Hans Werner Richter gewidmet“.
Die Hauptfiguren sind echt, das heißt literarhistorisch bekannt, was an „Lotte in Weimar“ von Thomas Mann erinnern könnte; nur kommt bei Grass eben der aktuelle Anlaß und die Analogie der Zeitläufte hinzu.
„Wo alles wüst lag, glänzten einzig die Wörter.'- Es ist noch immer die Zeit des Dreißigjährigen Krieges, „der Frieden ist noch immer nicht ausgehandelt“, und so gilt es, „dem zuletzt verbliebenen Band, der deutschen Hauptsprache, neuen Wert zu geben“, auch ist „schließlich die Sorge der versammelten Dichter als Patrioten: Es drohe dem Reich Zerstückelung“.
Der Vergliech mit der Epoche vor genau 300 Jahren hat etwas für sich, die Manuskript-Lesungen und anschließenden Dispute gehen ungefähr so vor sich wie bei besagte „Gruppe 47“; es wird heftig kritisiert, doch war es „zur Regel geworden, daß der Vorlesende nichts zu seiner Verteidigung sagte“.
Die Rolle Hans Werner Richters ist dem damals 42jährigen Simon Dach zugeschrieben. Er hatte die Idee zu dem Treffen, leitet es mit großem Geschick, so daß die Erzählung zu einer ergreifenden Hommage für Dach/Richter wird. „Ich weiß noch mehr“, heißt es auf der letzten Seite und „Ich saß dazwischen, war dabei“ vorher einmal; doch läßt sich der Ich-Erzähler in der Versammlung nicht zu Wort kommen.
DAS TREFFEN IN TELGTE. Von Günter Grass. Hermann Luchterhand Verlag, Darmstadt und Neuwied 1979, 182 Seiten, öS 199,60.
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