7039195-1990_09_16.jpg
Digital In Arbeit

Literaturpreis für Nichtschreibende

Werbung
Werbung
Werbung

Man kann sagen, daß es zu wenig Literaturpreise gibt. Jeder Autor, der sich für preiswür­dig hält - also praktisch jeder Schreibende - wird es bestätigen. Man kann aber auch sagen, daß es zu viele Literaturpreise gibt, wenn man sieht, wie sie immer wieder an einige berühmte Schriftsteller ver­teilt werden. Was ein weiterer Preis für den einen oder aftderen Bestsel­ler-Giganten bedeutet, kann ich mir nicht vorstellen: Er kann weder sein Vermögen noch sein Prestige nen­nenswert erhöhen, also auch keine neuen Impulse fürs Schreiben ge­ben. In solchen Fällen dient die Er­teilung des Preises nur dem Preis selbst - sein Prestige wächst, wenn seine Preisträger große Namen tra­gen.

Die Frage ist indes: Ist es gut, Menschen zum Schreiben zu ermun­tern? Gibt es nicht bedrucktes Papier genug? Sicher: Ein junger oder weniger junger Anfänger, durch einen Preis zum Weiterma­chen beflügelt, kann bedeutende literarische Werke schaffen, die ihn und auch die Leser glücklich ma­chen oder zumindest bereichern werden.

Es kann aber auch sein, daß der Text, der bei einer Jury Beachtung fand, ein einmaliger oder ein zufäl­liger Treffer war. Und der Autor, mit dem Preisdiplom als Bestäti­gung seines Könnens in der Hand, sich nun ein Leben lang mit dem Schreiben herumplagt, ohne daß etwas dabei herauskommt. Nur wenige Schicksale sind schlimmer als das Los eines verkannten Dich­ters, besonders, wenn er zu Recht nicht anerkannt wird.

Natürlich ist privates Schreiben eine harmlose Beschäftigung. Sie hat eindeutig positive Auswirkun­gen auf den Schreiber selbst -manchmal erweckt sie sogar bei ihm Interesse für Literatur und Kunst, und auch für Allgemeinheit.

In der Zeit, in der man mit dem Schreiben beschäftigt ist, treibt man keinen anderen Unfug.

Wer allerdings glaubt, daß er nur für sich allein schreibe, belügt sich selbst. Geschriebenes Wort ist eine Mitteilung an andere Menschen, es will an die Öffentlichkeit kommen. Was oft für den Autor - und zum Teil sogar für die Öffentlichkeit -ungute Folgen haben kann.

Deshalb wäre es nötig, für das Nichtschreiben zumindest gleich starke Anreize zu schaffen wie für das Schreiben. Ein Preis zum Bei­spiel für nichtgeschriebene Lyrik -genauso ehrenvoll und mit der glei­chen Summe dotiert, wie einer für geschriebene - könnte viele Verse­schmiede für andere Hobbies frei machen. Ich bin überzeugt, daß Medienredakteure und Verlagslek­toren gerne so einen Preis aus eige­ner Tasche subventionieren wür­den. Jeder Bewerber müßte nur den Plan seines Romans einreichen, und dazu eine eidesstattliche Erklärung, daß er ihn nie schreiben werde.

Solche Preise für nichtgeschrie­bene Werke würden zumindest diejenigen vom Schreiben abhal­ten, die es nur deshalb tun, weil sie glauben, daß sie so zu Ruhm und Geld kommen. Die anderen kann nichts vom Schreiben abhalten.

Das Problem ist die Dotierung der Preise. Literaturpreise in der heute üblichen Höhe können nur Amateure, Anfänger und solche professionelle Autoren vom Schrei­ben wegführen, die auf dem Markt wenig Erfolg haben. Diese Katego­rien von Schreibern sind aber nicht sehr gefährlich - bei ihnen ist der Weg vom Manuskript zur Veröf­fentlichung lang und dornig. Viel wichtiger wäre, manche Bestseller­schreiber zum Berufswechsel zu animieren. Woher aber soll man die Gelder nehmen, die sie bewegen könnten, auf ihr Geschäft zu ver­zichten.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung