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Liturgie ist kein Knetwachs

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Für eine unverkürzte, unverborgene Gestaltoon Liturgie sind viele Prinzipien bestimmend, die zueinander vermittelt sind. Ich nenne hier in Auswahl nur drei, nämlich die trinitarische Prägung, die escha-tologische Ausrichtung und das Prinzip Schönheit.

Zur trinitarischen Prägung von Liturgie sei hier nur an ein Wort

aus der altkirchlichen Didaskalia erinnert, das den Bischöfen aufträgt, alles gemeinsam zu tun, damit die Heiligste Dreifaltigkeit geehrt werde. Diese Begründung ist für ein heutiges Vorverständnis zunächst überraschend, steht geradezu quer zu ihm. Man hat ja heute üblicherweise etwas gemeinsam, weil das Spaß macht oder weil man dadurch Zeit und Energie sparen kann. Dieses Vorverständnis prägt auch die Liturgie mehr, als man vielleicht wahrhaben will. Der altchristliche Text aber gibt dem kirchlichen Handeln, schon gar dem Prinzip Gottesdienst, eine Perspektive in schwindelnde Höhe beziehungsweise Tiefe bis hinein in das Mysterium des Dreifaltigen Gottes, in den Raum des immerwährenden, dreifaltigen Gesprächs des Vaters mit dem Sohn im Heiligen Geist. Es erinnert an das Wort Christi über jeden, der ihn liebt: „Mein Vater

wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen."

Was die eschatologische Ausrichtung der Liturgie angeht, so wären deren adventliche Ansätze zu beachten und auszufalten. Vom aramäischen Ruf Maranatha (Komm, Herr Jesus) über die Ostung der alten Kirchen bis zur Antwort der Gemeinde auf den Ruf „Mysterium f idei": Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit. Eine Christenheit, der die eschatologische Richtung und Spannung abhanden gekommen ist, verfällt in harmlose Betriebsamkeit oder Nabelschau oder sie gerät in apokalyptische Fieberschau, die wir am Rand der Kirche auch heute beobachten können.

Zum Prinzip Schönheit in der Liturgie ist anzumerken, daß es hier nicht um menschliche Selbstdarstellung gehen darf, sondern um Schönheit als eschatologisches Zeichen. Schönheit des Gottesdienstes ist also nicht Luxus, sondern Hinweis auf die Schönheit Gottes und Teilhabe an ihr; ist als Musik „praeludium vitae aeternae" und als Gestalt „praefiguratio vitae aeternae" - Vorgriff auf das himmlische Jerusalem, das wiedergewonnene Paradies, das nicht Wiederholung, sondern Überbietung des ersten, verlorenen Paradieses ist. Dort sind Schönheit und Güte, die in der Geschichte immer wieder auseinanderfallen, für immer vereint, wie die Apokalypse des Johannes in

einer großartigen Vision verheißt.

Schönheit des Kultes als Ausdruck der Liebe zu Gott und Güte, die teilt und so den Menschen nach einem Wort der Mutter Teresa hilft, bis es wehtut, stehen nicht im Gegensatz zueinander, sondern können miteinander wachsen. 1970 hat sich zur Rehabilitierung der Schönheit, nicht zuletzt der Schönheit des Gottesdienstes, eine Stimme aus Rußland erhoben. Alexander Sol-schenizyn hat in seiner Nobelpreisrede ein Wort Dostojewskijs zitiert und gesagt: „Das Schöne wird die Welt retten". Für Dostojewski] und für Solschenizyn waren das sibirische Totenhaus und der Archipel Gulag überstehbar durch den unverwandten Ausblick auf den Glanz des erhofften ewigen Ostern, wie er zumal in der orthodoxen Liturgie erscheint.

Um den drei oben genannten und anderen tragenden Prinzipien einer authentischen katholischen Liturgie, die heute bedroht oder mindestens nicht ausgefaltet sind, wieder Geltung zu verschaffen, bedürfte es nach meiner Überzeugung einer intensivierten Auseinandersetzung mit drei Gesprächspartnern: Mit der Heiligen Schrift und der alten Kirche in bezug auf deren Aussagen zur Liturgie; mit der Ostkirche; und schließlich mit

alter wie mit zeitgenössischer Kunst und Literatur.

Die jüngste Liturgiereform im Gefolge des II. Vatikanischen Konzils erscheint manchen, die ein revolutionäres Konzept von Liturgie verfolgen, nur (um eine Formulierung von Karl Rahner zu gebrauchen) als Anfang eines Anfanges. Ich halte dagegen die Liturgiereform für lange Zeit als abgeschlossen, weil ich die Richtung der Reform nicht für umkehrbar halte und weil der Rahmen, den diese Reform ausspannt, so weit ist, daß er vielen in seinen Erstreckungen noch gar nicht ansichtig geworden ist. Um aber bereits auftretende Pathologien der erneuerten Liturgie abzubauen und um nicht in alte Pathologien zurückzufallen, wird es einer radikalen Besinnung auf die oben genannten Prinzipien bedürfen.

Liturgie ist nicht machbar, ist nicht Knetwachs. Sie wächst und reift aus dem beständigen Gespräch innerhalb der Kirche im Horizont des Dreifaltigen Gottes. Zu diesem Prozeß des Wachsens und Reifens gehören auch Phasen des Lernens durch Leiden an Fehlern und des Mutes zur Korrektur.

Der Autor ist Diözesanbischof von Gurk-Klagenfurt und Liturgiereferent der Österreichischen Bischofskonferenz. Auszug aus seinem Referat „Liturgische Erneuerung als bleibender Auftrag" bei der Österreichischen Pastoralt j. gung 1990 („Liturgie zwischen Mystik und Politik") in Wien-Lainz.

Vergleiche dazu die Beiträge von Bischof Kapellari in „Singende Kirche" 1 und 2, XXXVII, 1990.

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