6822512-1973_45_06.jpg
Digital In Arbeit

Lizitationshzitation

Werbung
Werbung
Werbung

In der Fernsehdiskussion der Parteiobmänner knapp vor den letzten Landtagswahlen klopfte der Bundeskanzler der Opposition gehörig auf die Finger: Sie betreibe Sozial-lizitation, fordere einerseits vom Bund immer neue Leistungen, anderseits aber Stabilitätspolitik. Fordern sei leicht, aber zahlen müsse schließlich der Finanzminister.

Vergebens wartete das Fernsehpublikum darauf, daß einer der beiden Oppositionsführer den Kanzler schonend darüber aufklären würde, daß der Finanzminister rein gar nichts bezahlt, sondern sich jeden Groschen aus den Taschen der Steuerzahler und der Sparer holt, die durch die Inflation schamlos ausgebeutet werden. Aber offenbar ist man sich dieser schlichten Tatsache auch bei den Oppositionsparteien nicht ganz bewußt.

Nicht viel mehr als eine Woche nach der tüchtigen Oppositionsschelte Kreiskys fand in Krems die Klausurtagung der SPÖ statt, bei der Sozialminister Häuser verlangte, daß sein aus zehn gesetzlichen Maßnahmen bestehendes „Sozialpaket“, das schon beim gegenwärtigen Stand der Dinge einige Milliarden Schilling pro Jahr kosten wird, noch in diesem Jahr vom Parlament beschlossen werde. Bei der gleichen Tagung verkündete außerdem der lizitationsfeindliche Bundeskanzler, die Regierung werde eine Wohnungsbeihilfe für junge Ehepaare nach schwedischem Muster schaffen.

Dieses Projekt wurde zunächst einmal als vage Idee in den Raum gestellt und wir wissen noch nicht, was dabei herauskommen wird, ob dabei wieder das Gießkannenprinzip — ähnlich wie bei der Heiratsbeihilfe — angewendet werden soll, so daß der Hilfsarbeiter wie der Generaldirektorssohn des staatlichen Segens teilhaftig wird, oder ob es eine gezielte Hilfe je nach Bedürftigkeit sein wird. Eines steht jedenfalls schon heute fest: Die Beihilfe bleibt entweder eine Augenauswischerei oder sie wird, wenn sie substantiell sein und wirklich den Erwerb einer modernen Sozialwohnung ermöglichen soll, den Staat sehr viel kosten.

Sicherlich enthält sowohl das Sozialpaket viele dringend notwendige Maßnahmen, wie auch die Wohnungsbeihilfe einen neuralgischen Punkt unserer Gesellschaft trifft, nämlich die Tatsache, daß die Wohnungsbeschaffung gerade für junge Ehepaare ein sehr diffiziles Problem darstellt. Die Regierung, die aber offenbar — speziell nach einigen enttäuschenden Regionalwahlen — eifrig bemüht ist, soziale Munition für die nächsten Nationalratswahlen herbeizuschaffen, wird zweifellos mit beiden Initiativen ihr Image als die soziale Partei wieder aufpolieren können.

Nun, so mag man einwenden, die Opposition hätte sieh ja das gleiche einfallen lassen können. Gewiß — aber mehr hätte sie nicht gebraucht! Wäre auch diese Idee von der Opposition gekommen, dann wäre sie nicht ein berechtigtes soziales Anliegen gewesen, sondern verantwortungslose Lizitation. Finanziell viel weniger aufwendige und sozial mindestens ebenso wünschenswerte Initiativen der Opposition fielen bereits unter dieses Verdikt.

Die Regierung wird sich endlich entscheiden müssen, ob sie der Stabilitätspolitik Priorität einräumt oder Sozialpolitik um jeden Preis — auch ohne Rücksicht auf die Folgen — betreiben will. Aber sie kann nicht der Opposition stabilitätspolitisches Verantwortungsgefühl und Verzicht auf soziale und damit populäre Initiativen abfordern, selbst aber jene Lizitationspolitik in großem Maßstab betreiben, die sie der Opposition schon in kleinen Dimensionen verübelt.

Dies muß prinzipiell festgestellt werden, auch wenn man vielen der geplanten Maßnahmen, isoliert betrachtet, zustimmt. Aber: Die gleiche Zustimmung kann so manche Forderung der Opposition ebenfalls für sich in Anspruch nehmen, deren gutes Recht es ist, andere Prioritäten zu setzen.

Darüber hinaus sollte man nicht übersehen, daß viele der Miseren,

die nun mit aufwendigen Sozialmaßnahmen kuriert werden sollen, erst durch falsche politische Maßnahmen geschaffen wurden. Wenn allein für die pensionsreehtlichen Aspekte des „Sozialpakets“ drei Milliarden Schilling aufgewendet werden sollen, so klingt das imponierend. Der Glanz verblaßt aber sehr schnell, wenn man sich überlegt, daß der Großteil dieses Aufwands nur dazu dient, die Inflationsverluste der Pensionisten, die nicht zuletzt durch die Ausgabenforcierung der Regierung mitverschuldet wurden, zu kompensieren.

Die gleiche Inflation führte ja auch zum raketenhaften Anstieg der Baupreise, wodurch heute die Sozialwohnungen — trotz den für sie eingesetzten öffentlichen Mitteln — für den jungen Normalverdiener aber praktisch unerschwinglich geworden sind, und erst wieder durch eine zusätzliche staatliche Hilfe verbilligt werden müssen. Ebenso hat die seit eh und je forcierte falsche Wohnbau- und Mietenpolitik in Österreich erst die Notsituation auf dem Wohnungssektor herbeigeführt.

Die Regierung agiert also weitgehend als Retter aus der selbst geschaffenen Not. Daß es ihr gelingt, für diese Politik noch immer Zustimmung zu finden, beweist ihr propagandistisches Geschick — und das notorische Ungeschick der Opposition.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung