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Lohnende Denkanstöße

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Regnerisch, aber nicht unfreundlich — das war die Stimmung, als das Oberhaupt der Katholiken am Donnerstag der vergangenen Woche die Maschine der Alitalia verließ und damit seinen zweiten Pastoralbesuch in Osterreich begann. Flughäfen sind kein geeigneter Platz für Herzlichkeit, dennoch war der freundliche Respekt merkbar, mit dem auch die Vertreter der weltlichen Autorität dem Nachfolger auf dem Stuhl Petri begegneten.

Ich erinnerte mich an die Privataudienz, die mir Johannes Paul II. vor etwas mehr als einem Jahr in Rom gewährte. Er schien mir seither etwas gebückter zu sein, sein Gesicht blieb aber unverändert: er strahlt wie eh und je eine schwer beschreibbare Herzlichkeit aus. Als er in seiner kurzen Antwort auf die Begrüßungsworte des Bundespräsidenten unter Bezugnahme auf den Text der Bundeshymne vom „vielgerühmten und vielgeprüften Österreich“ sprach, war dies fast ein wenig symbolhaft für das Programm der folgenden Tage. Osterreich im Gedenkjahr 1988 - der Besuch in Mauthausen und das Gespräch mit den Vertretern der jüdischen Religion werden Marksteine in diesem Jahr der Besinnung bleiben.

Spätestens beim Wortgottesdienst in St. Stephan wurde dem aufmerksamen Teilnehmer bewußt, daß dieser Besuch kein Höflichkeitsbesuch ist. Offen und bestimmt rief der Papst in seiner Ansprache in Erinnerung, daß die Not der Mitmenschen nicht nur eine karitativ-religiöse Herausforderung für den Christen sein muß, sondern gesellschaftliche Aufgabe schlechthin. Mag sein, daß manche mit dem Ruf nach einer „Neu-Evangelisierung Europas“ nicht viel anzufangen wissen, die Fragen des Stellvertreters Christi nach dem Schicksal der Kranken und Alten in unserer Gesellschaft, nach der Scheidungsfreudigkeit und nach der Zahl der jährlichen Abtreibungen sollten auch diejenigen sensibilisieren, die sich vornehmlich mit den Kosten des Papstbesuches beschäftigen. Es sind Kernfragen unserer Gesellschaft.

Auch Kritiker Johannes Pauls II. werden diesem nicht vorwerfen können, in diplomatische Banalität zu verfallen. Seine kurze Ansprache anläßlich der Abschlußveranstaltung des ersten Tages, dem Empfang in der Hofburg, bewies dies. Mehr als eine Stunde warteten zahlreiche Repräsentanten des öffentlichen Lebens, um im Zeremoniensaal der Hofburg dem Gast aus dem Vatikan vorgestellt zu werden. An der Spitze der Bundeskanzler mit nicht allen Mitgliedern der Bundesregierung, einige hatten Verpflichtungen, unter anderem auch, weil der Nationalrat damit beschäftigt war, den Zeitrückstand, der durch eine Monsterrede eines „grünen“ Abgeordneten entstanden war, aufzuarbeiten.

Ich erinnere mich der Aufbruchstimmung, die anläßlich des ersten Besuches im Jahr 1983 geherrscht hatte. Sie war bald vergangen. Wird es diesmal ebenso sein?

Wir alle wären gut beraten, das Bedenkenswerte, das dieser Mann in zahlreichen Ansprachen verkündigt, auf- und mitzunehmen. Es sind Denkanstöße für eine neue Gesellschaft. Angesichts der Hilflosigkeit der Politik, den Menschen unserer Gemeinschaft neue geistige Perspektiven und glaubwürdige moralische Positionen zu vermitteln, sind sie von besonderem Wert. Es lohnt sich, weiter darüber nachzudenken. Das wäre vor allem auch eine Herausforderung für diejenigen, die mit der gegenwärtigen Situation der katholischen Kirche in Österreich nicht zufrieden sind.

Der Autor ist Bundesminister für Föderalismus und Verwaltungsreform.

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