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London siegt, aber was kommt jetzt?

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Der militärische Sieg der Briten auf den Falkland-In-seln löst in London einen Freudentaumel, in Buenos Aires schwere politische .Nachbeben aus. Der Konflikt geht weiter...

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Der militärische Sieg der Briten auf den Falkland-In-seln löst in London einen Freudentaumel, in Buenos Aires schwere politische .Nachbeben aus. Der Konflikt geht weiter...

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Nur Winston Churchill hat seit den Tagen des Zweiten Weltkrieges einen solchen Augenblick des Sieges vor dem britischen Parlament erlebt. Der heutige Premier, Margaret Thatcher, kostet dieses Hochgefühl, von dem die gesamte Nation ergriffen wird, sichtlich aus. Der Triumph ist der Lohn für zehn Wochen höchster Spannung und Unsicherheit, die ihre Spuren im Gesicht der „Eisernen Lady” hinterlassen haben.

Die letzte große Krise Albions, vor mehr als einem Vierteljahrhundert um den Suezkanal entbrannt, hat die Nation zerrissen und Ministerpräsident Anthony Eden zum Rücktritt gezwungen. Nach der militärischen Aktion in der fernen Falkland-Inselgruppe, ist die Position des Regierungschefs unglaublich gefestigt und die nach langem geeinte Nation fand ihr lange vermißtes Selbstvertrauen und Selbstachtung wieder.

Und um den schlagenden Erfolg noch zu vergrößern tritt kurze Zeit später in Buenos Aires General Galtieri, der mit diesem Konflikt identifiziert wird, zurück. Die Abdankung des argentinischen Staatschefs ist letztes Eingeständnis des Versagens. Der gestürzte Diktator, der die Krise vom Zaun gebrochen hat, um seine Position zu retten und um von den innenpolitischen Schwierigkeiten, dem allgemeinen Groll über Menschenrechtsverletzungen und Siechtum der Wirtschaft abzulenken, wird in die politische Wüste geschickt.

In gewissem Sinne erntet Thatcher aus dem Krieg das, was sich Galtieri erhofft hat. Ihr Rückhalt in der Bevölkerung ist ohne Beispiel. Die Briten erwarten nun von ihr, daß sie den häuslichen Problemen mit derselben Energie zu Leibe rückt, die den militärischen Sieg ermöglicht hat.

Die Chancen sind niemals größer gewesen, daß Thatcher eine zweite Regierungsperiode in der Downing Street bleibt, die sie so dringend benötigt, um ihr mone-taristisches Programm erfolgreich durchzuziehen.

Die große Oppositionspartei macht es ihr leicht. Parteiführer Michael Foot steht auf dem Gipfel der Unpopularität, die Organisation ist wie immer zerstritten und in alle Himmelsrichtungen geteilt, die langsam in Szene gesetzte Hätz nach linken Extremisten tut dem allgemeinen Ansehen gar nicht gut.

Für kurz ist auch die junge Sozialdemokratische Partei, die ihren Führer wählt, aus dem Gesichtsfeld gerückt, vom „Falkland-Effekt” getroffen, doch sie könnte wieder zurückkehren, wenn sich erstmals* der Freudenrausch um den Sieg auf dem Archipel verzogen hat. Die Ernüchterung kommt mit absoluter Bestimmtheit.

Zunächst muß Thatcher eine Untersuchung über sich ergehen lassen, ob dieser Krieg vermeidbar gewesen wäre, ob nicht hätte verhindert werden können, daß 250 Soldaten auf britischer Seite ihr Leben lassen mußten. Einer jener wenigen, die bei Ausbruch der Krise als Schuldige ihren Platz räumen mußten, Ex-Außenminister Lord Carrington, drängt auf diese Untersuchung, weil sie ihn vom Vorwurf des Versagens reinwaschen könnte.

Noch immer besteht der Verdacht, daß die Anzeichen mißdeutet, die Nachrichten über argentinische Truppenbewegungen verniedlicht und damit sofortige Vorkehrungsmaßnahmen unterlassen worden sind.

Sollte die Tatsache des Versagens doch erhärtet werden, dann wird dies kaum auf Thatcher selbst zurückfallen. Sie hat sofort entschlossen reagiert und die „Task Force” in den Süden geschickt, zunächst um der Diplomatie einen Auftrieb zu geben, dann um den militärischen Sieg zu erkämpfen.

Die Premierministerin wird jedoch nicht von dem Vorwurf verschont bleiben, in der Periode der Verhandlungen zu unnachgiebig und hart gewesen zu sein. Dabei ist sie allerdings auf einen Gegner getroffen, der sie an Hartnäckigkeit übertroffen hat und der die gute Gelegenheit ungenützt verstreichen ließ, weil er alles gewinnen wollte nur um letztlich noch tiefer zu stürzen.

Thatchers politische Stärke lag in ihrer Fähigkeit, die Emotionen ob der Verletzung des nationalen Stolzes auszunützen und sich zum Verfechter des Rechtes zu machen, das die Selbstbestimmung sichert und die Aggression zurückschlägt. Nun, da dieses Recht gewaltsam durchgesetzt ist, sind unbedingte Härte und Kompro-mißlosigkeit fehl am Platz.

Vorläufig aber denkt Thatcher nicht daran, versöhnlichere Töne anzustimmen. Sie bleibt bei ihrem Konzept der „Festung Falkland”, das heißt: Verteidigung der Falklandinseln durch britische Truppen, unter Kosten, die jährlich bis zu 24 Milliarden Schilling steigen könnten.

Die politischen Auswirkungen wären unausweichlich: Reibungsflächen mit den USA, schwerste Belastung der stabilsten Allianz, die noch vor wenigen Tagen von US-Präsident Ronald Reagan in London gepriesen worden ist.

Thatcher scheint zu vergessen, daß auf lange Frist ein Modus vivendi mit dem jetzt gedehmütig-ten Feind geschlossen werden muß. Für die USA ist eine ewige Verteidigung der Inseln durch Großbritannien ein Alptraum: Perpetuierung eines Krisenherdes ähnlich wie im Nahen Osten.

Darüber hinaus wartet die andere Großmacht, der im Konflikt ein Logenplatz zur Beobachtung westlicher Waffensysteme und ihrer Wirksamkeit zugeordnet worden war, ihren Einfluß in Lateinamerika auszudehnen.

Vorläufig, so lange in Buenos Aires ein Machtvakuum besteht, sind direkte Kontakte freilich ausgeschlossen. Dies muß allerdings nicht immer so sein. Der britische Alleingang löst freilich kaum etwas. Eher schon internationale Sicherheitsgarantien unter Einschluß anderer Nationen im Krisengebiet, vor allem der USA.

Der militärische Sieg ist errungen, aber die zweite Stufe des Konfliktes wird für Thatcher damit keineswegs leichter.

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