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Londoner Impressionen

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Unser Mitarbeiter, Dr. Paul Lorenz, hat im österreichischen Kulturinstitut in London einen Vortrag über die Wiener Oper in Vergangenheit und Gegenwart gehalten. Er benützte die Gelegenheit, einige Eindrücke vom Londoner Musikleben zu sammeln.

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Unser Mitarbeiter, Dr. Paul Lorenz, hat im österreichischen Kulturinstitut in London einen Vortrag über die Wiener Oper in Vergangenheit und Gegenwart gehalten. Er benützte die Gelegenheit, einige Eindrücke vom Londoner Musikleben zu sammeln.

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Die Frühjahrssadson des Londoner Konzertlebens weist eine ganze Reihe international bekannter Dirigenten- und Solistennamen auf, so Solti, Kempe, Boult, Horenstein, Abbado, Karajan, Stokowskl, Leinsdorf und Boulez, die Instrumentali-sten Arrau, Ciano, Curzon, Dichter, Askhenazy, Menuhin, Händel und Szeryng. Die fünf großen Londoner Orchester und als Gäste die Berliner Philharmoniker und das Leipziger Gewandhausorchester bestreiten die Programme, die sich fast durchwegs der Klassik und Romantik widmen und in der Moderne höchstens bis Strawinsky und Schönberg vorstoßen. Wenn einmal Boulez oder Ligeti auftauchen, ist dies als Seltenheit zu vermerken.

Eugen Jochum begann seinen sämtliche Londoner Symphonien umfassenden Haydn-Zyklus mit einer sehr lebendigen, stimmungsvollen Wiedergabe der Symphonien Nr. 93, 94 und 95; der Dirigent, der auch als Bruckner-Interpret hier viele Anhänger hat, leistete sein Bestes in der c-MoH-Symphonie. In dem fugierten Finalsatz erwiesen die famos spielenden „Londoner Philharmoniker” ihre exzellenten Qualitäten am deutlichsten. Der junge Daniel Barenboim — man hat ihn in Wien als eigenwilligen Beethoven-Pianisten noch in guter Erinnerung — zeigte bei Webers „Euryanthe-Ouvertuxe” und Schumanns „Frühlings-Symphonde”, daß er auch als Dirigent berechtigten Anspruch auf Beachtung hat. Mit dem Londoner New Philharmonia Orchestra” begleitete er, im 1. Beet-hovenschen Klavierkonzert den jungen Pianisten Vladimir Askhenazy.

Die in London hochgehaltene, strenge Tradition des englischen Kathedralgesanges pflegen „Monte-verdi-Chor und -Orchester” in ihren Konzerten. Unter der Leitung John Gardiners hörte man in der wundervoll-akustischen „Royal Festival Hall” ein ausschließliches Bach-Programm mit Kantaten, zwei Violinkonzerten und dem „Magnificat in D-Dur”. Man war erstaunt über die Vertrautheit mit der Materie, nicht minder aber über das Stilverständnis und das völlige Eindringen der

Ausführenden in den Geist dieser Musik. Die mit erlesener Stimmkultur und größter Präzision singende Vokalgemeinschaft und das besonders in den Oboen und Trompeten gut besetzte Orchester waren zusammen mit der GeigensoMstin Stoika Milanova Träger des großen Erfolges.

Das derzeit wohl sehr reichhaltige, aber konventionelle, die Moderne kaum berücksichtigende Repertoire der „Covent Garden Opera” bot eine gute, wenn auch die Gipfel des Janacekschen Musikdramas nicht vollends ausschöpfende „Jermfa”-Aufführung. Loma Haywoods ausdrucksvoller Sopran verhalf der Künstlerin zu einer stimmlich und darstellerisch gleich vorzüglichen Gestaltung der Titelrolle. Die zweite Zentralflgur, die in falsche Maralbegriffe verstrickte Küsterin, war mit der auch in Wien nicht unbekannten Amy Shuurd besetzt, Richard Cassilly als vitaler Laca überragte seinen Tenorkollegen Dempsey figürlich und gesanglich bei weitem. Das in den Streichern etwas schwache Orchester leitete Charles Moc-kerras als umsichtiger, für die Sänger sehr rücksichtsvoller Dirigent.

Das „Londoner Festival Ballet” hat derzeit drei Tanzschöpfungen auf dem Programm, „Mendelssohns Symphonie”, „Dansscape” und „Gra-duation Ball”. Bei den nach der Musik Hindemiths eingerichteten „Vier Temperamenten” („Danscape”) gibt die einfallsreiche Choreographie Walter Gores den hervorragenden Solisten Galina Samtsova und Andree Prokovsky Gelegenheit, in eleganten Pas de deux und in einigen von dem männlichen Partner gezeigten Pirouetten und exzellenter Sprungtechnik erstklassige Tanzkunst zu zeigen. Weniger konnte „Mendelssohn Symphonie” (Musik „Die Frühlings-Symphonde”) und der den Abschluß bildende „Graduation Ball” nach Johann-Strauß-Motiven gefallen, wenn ihnen auch das eifrig Blumen werfende Publikum Beifall zollte. Von den das „Festival Orchestra” leitenden Dirigenten Bond und Kern verdient der letztere den Vorrang.

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