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Lotsenwechsel in der Hofburg

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Inmitten eines politischen Taifuns hat Kurt Waldheim vor sechs Jahren die Kommandobrücke des österreichischen Staatsschiffs betreten. Bei ruhiger See und strahlendem Himmel geht der Lotse am 8. Juli von Bord. Ein Blick zurück liegt nahe.

Die Mehrheit der Österreicher hat einen ehemaligen Nazi und Kriegsverbrecher zum Präsidenten gewählt. Dies zu behaupten, wurden manche Ankläger nicht müde. Es zu beweisen, gelang ihnen weder mit Hilfe internationaler Militärhistoriker noch mit einem hochrangig besetzten britischen Fernseh-Tribunal, nicht mit echten oder gefälschten Dokumenten und nicht mit parteipolitischer Vernaderei.

Als die Aussichtslosigkeit der Beweisführung klar wurde, versuchten viele, das ursprüngliche Ziel umzudichten: Man habe ohnehin nur beweisen wollen, daß Waldheim ein Opportunist und Lügner sei. Man vergaß dabei, daß ein Sturz aller Wahrheitsmanipulatoren die führenden Staatsmänner der halben Welt entvölkern müßte - das Weiße Haus ganz bestimmt. Daß Waldheim als „möglicher" Figurant in einem Kriegsverbrecherumfeld auf die Watch List der USA gesetzt wurde, der Kaiser von Japan als Oberbefehlshaber einer Tausender Kriegsverbrechen beschuldigten Armee aber nicht, war die Demütigung eines kleinen Landes durch die USA, die Österreich noch immer zu ihren größten Freunden zählen können. Daß die meisten westlichen Demokratien diesen Opportunismus wider besseres Wissen mitmachten, war einfach feig.

Daß Kurt Waldheim durch ungeschickte Antworten, die er teilweise in Unkenntnis europäischer Vergangenheitsdebatten gab („Pflichterfüllung", „Trauerarbeit - was ist das?"), zur Kritik einlud, hat er längst selbst eingesehen. Daß die Debatte um sein Verhalten das Volk von oben bis unten spaltete, war nicht nur von „gewissen Kreisen" verursacht - und gut. 1988 wurde so vom befürchteten Phrasenfest zum psychohygienischen Seelenstrip der Nation. Regierung und Parlament, Kirchen und Schulen haben dazu beigetragen. Daß es dieser Tage auch linksintellektuelle Barden taten, verdient Applaus. Sie sollen nur nicht so tun, als hätte erst Andre Heller den Wiener Heldenplatz entsühnt.

Und Kurt Waldheim selbst, der Präsident der letzten sechs Jahre? Er hat geredet und gemahnt, hundert Geiseln dem irakischen Amokläufer Saddam Hussein entwunden und dreieinhalb Millionen Schilling aus seiner UNO-Pension für soziale Zwecke gespendet. Er hätte sich täglich mit dem Kopf nach unten aus seinen Amtsfenstern hängen können, und es wäre einigen noch immer zuwenig gewesen. Für sein Ausharren sei gedankt - für sein Gehen aber auch.

Thomas Klestil hat in der Volksgunst als erster selbst Bundeskanzler Franz Vranitzky schon vor Amtsantritt überholt. Man darf auf eine Zukunft ohne die Last vergangener Tage hoffen.

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