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Loyale Manager
Per Regierungsbeschluß soll der Ineffizienz der Verwaltung ein Ende gesetzt werden. Die Beamten müssen betriebswirtschaftliches Denken lernen.
Per Regierungsbeschluß soll der Ineffizienz der Verwaltung ein Ende gesetzt werden. Die Beamten müssen betriebswirtschaftliches Denken lernen.
FURCHE: Welches Modell stand bei Ihrem Projekt „Verwaltungsmanagement“ Pate?
HEINRICH NEISSER: Unsere Überlegungen haben ihre Wurzeln in einer Aktivität der sogenannten „Grace-Commission“ in den USA. Dieses Gremium erhielt den Auftrag, Rationalisierungsvorschläge für die öffentliche Verwaltung zu machen. Das Ergebnis war beachtlich; es gab mehrere tausend Vereinfachungsvorschläge, und vieles davon wurde auch umgesetzt. Diesen Dialog zwischen Wirtschaft und Verwaltung wollten wir au-strofizieren. Unter Federführung eines Schweizer Experten werden auch in Österreich Aufgaben und Führungsstrukturen gestrafft, effizienter durchgeführt und dadurch die Kosten gesenkt.
FURCHE: Die so gemanagte Bürokratie soll letztlich bestmögliche Qualität zu günstigen Kosten bereitstellen?
NEISSER: Das Unternehmen Staat soll seine Produktivität durch eine qualitative und quantitative Arbeitsverbesserung steigern. Ausländische Erfahrungen zeigen, daß es da um Größenordnungen von 15 bis 25 Prozent geht. Die erste Aufgabe wird sein, die Ressorts zu durchleuchten. Sind alle Aufgaben wirklich notwendig? Werden diese in der einfachsten Weise besorgt? Wie sind die Relationen zwischen Aufgaben
und Ausgaben? Da gibt es geradezu märchenhafte Verfahrens- und Verwaltungsabläufe. Wir haben im Ministerium für öffentliche Wirtschaft und Verkehr festgestellt, daß es zur Erledigung eines einfachen Aktes zwischen zwanzig und dreißig Unterschriften bedarf. Im Bundeskanzleramt wurde ermittelt, daß die Erledigung eines Aktes über die Dienstreise eines Beamten mehr kostet als die Reise selbst. Wir haben ja
wahrscheinlich alle gar keine Ahnung mehr, was uns in Osterreich die Verwaltung wirklich kostet.
FURCHE: Die läßt sich auch nicht wie ein normaler Betrieb berechnen. Ein Akt hat ja keine Stückkosten.
NEISSER: Es gibt in der modernen Verwaltungswissenschaft schon einige Methoden, die eine exakte Kosten-Nutzen-Berechnung ermöglichen. Außerdem
muß in Zukunft auch die Verwaltung selbst darüber nachdenken, was sie verbessern kann, das stärkt ihr Kostenbewußtsein. In der Praxis ist es außerdem so, daß sich oft nicht einmal der Gesetzgeber darüber Gedanken macht, was eine gesetzliche Maßnahme an Beamten und Kosten verursacht. .
FURCHE: Sie sagen, die Beamten sollen sich wieder auf ihre Kernaufgaben konzentrieren. Die können doch nur politisch definiert und nicht durch Managementmethoden herausgefiltert werden.
NEISSER: Unser Konzept zielt sicherlich auch in die Richtung, eine Bereinigung der Auf gabenstruktur von der politischen Seite her in Angriff zu nehmen. Der Gesetzgeber muß weitaus kritischer werden als bisher und sich Vereinfachungsbeiträge überlegen. Ande--erseits soll, wie ermähnt, die Verbindung zwischen Wirtschaft und Verwaltung gestärkt werden.
FURCHE: In wel-'her Form sollen sich die Beamten von den Managern etwas abschauen?
NEISSER: Es gibt bereits 15 Unternehmen, die zu einer Kooperation bereit wären. Die Beamten hätten dort die Möglichkeit, einen Betrieb zu studieren. Wir würden Volon-tariate für die Manager bereitstellen, damit diese umgekehrt die Verwaltung kennenlernen.
FURCHE: Wie wollen Sie den Beamten das entsprechende Gefühl vermitteln, Träger einer großen Reform zu sein? Rudolf Sommer, Vorsitzender der Gewerkschaft öffentlicher Dienst, sieht in Ihren Bemühungen nur eine Modeerscheinung, weil Einsparungsvorschläge halt gerade gefällig sind.
NEISSER: Man kann nicht Budgetopfer verlangen, ohne daß die Verwaltung dazu etwas beiträgt. Durch die Große Koalition hat gerade jetzt eine Reform die Chance, mit
größerem Druck und Tempo durchgeführt zu werden. Es geht außerdem nicht darum, den Beamten etwas wegzunehmen, sondern die Produktivität zu steigern. Außerdem ist die Skepsis der Gewerkschaft bekannt, und wir werden die Maßnahmen auch nur in engster Verbindung mit den Dienstnehmervertretungen durchführen.
FURCHE: Selbst wenn in Zukunft Verwaltungsprozesse rational durchdacht und Leistungen kostengünstig von den Beamten erstellt werden, bleibt immer noch die Schnittstelle zur Politik. Im Endeffekt fällt dann wieder eine irrationale Entscheidung, die nur Geld kostet.
NEISSER: Nach allen praktischen Erfahrungen ist diese Befürchtung berechtigt. Es kamen ja schon Vorschläge zu Verwaltungsreformen. Es fehlte aber ein systematisches einheitliches Denken aller Beteiligten, weshalb es Reibungen und Effizienzverluste gab, wenn es um politische Prioritäten ging. Nur-jetzt bin ich in einer besseren Position, weil ich mich auf eine Regierungsentscheidung berufen kann. Wer sich nun sträubt, setzt sich dem Vorwurf aus, einen Regierungsbeschluß nicht zu befolgen.
FURCHE: Müßten Sie nicht noch einen Schritt weitergehen? Früher waren Beamte loyale Diener des Staates. Jetzt sind sie loyal zu .ihren“ Parteien, ,ihren“ Interessenvertretungen...
NEISSER: Das ist die nächste wesentliche Perspektive. Es ist klar, daß man in einem Parteienstaat keine politisch neutrale Bürokratie schaffen kann. Andererseits hat man in Osterreich den Eindruck, daß die Beamten zu stark unter diesen Einflüssen stehen. Natürlich soll jedem Beamten das parteipolitische Engagement freistehen. Aber der Beamte der Zukunft muß sich wieder mehr als ein Berufstätiger ansehen, der dem Staat und damit dem Gemeinwohl in besonderer Weise verpflichtet ist. Dazu braucht man keine großen Umstrukturierungen oder Gesetzesänderungen, sondern eine Diskussion über das Selbstverständnis. Da wird auch so die Verwaltung einfacher und kostengünstiger.
Mit dem Bundesminister für Föderalismus und Verwaltungsreform sprach Elfi Thiemer.
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