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Luegerkirche

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Den Besuchern des Wiener Zentralfriedhofes an Allerheiligen und Allerseelen wird die mächtige Friedhofskirche zum heiligen Karl Borromäus ihre Tore wieder einladend offen halten. Die Luegerkirche stellt als Friedhofskirche in der Kunstgeschichte eine Rarität dar. Sie wird oft mit der Kirche am Steinhof, Wien 14., von Otto Wagner verglichen. Die Gemeinsamkeit rührt daher, weil Max Hegele in

den Jahren seiner Bautätigkeit am Wiener Zentralfriedhof gleichzeitig Leiter der Baukanzlei von Otto Wagner gewesen ist.

„Der wesentliche Unterschied liegt darin, daß Wagner dem Äußeren seines Baues die Erscheinung des Dünnen, Zweidimensionalen verleiht. Wagner ist mit diesem Projekt auf dem Gipfel seiner Phase der Materialauflösung ange-kommen.Er läßt die gesamte Außenfläche seiner Kirche sich in spiegelndem Glanz auflösen. Hegele dagegen läßt die Außenflächen in mattem Weiß erscheinen. Er schichtet geradflächige und gekrümmte Mauern durch .Auflagen' von würfeligen Formen und läßt seinen Bau sehr kräftig erscheinen. Wagner verwendet geschichtete Pfeiler nur dort, wo er andeuten will, daß hier großen Kräften entgegengewirkt werden muß. Ein typisches Beispiel dafür sind die Hauptpfeiler des

Nußdorf er Nadel wehrs, die, wie die brüllenden Löwen darüber, 'gegen den Strom kämpfen'. Hegele gibt den seitlich abschließenden 'Pfosten' der Kolumbarienarkaden, die nichts als ein Dach zu tragen haben, die Wucht und Schlichtung eines Wagnerschen Strompfeüers!“, so Dietrich Auer in den „Simme-ringer Museumsblättern“ vom Mai 1986.

Diese Auffassung ist wohl eine Erklärung dafür, warum die Luegerkirche in der Fachliteratur kaum beachtet wird. Auch in der großen Wien-Ausstellung „Traum und Wirklichkeit“ 1985 wurde sie nicht einmal erwähnt, wohl mit der „Begründung“, daß die Luegerkirche ein Traum und keine Wirklichkeit sei! Dabei ist sie ein unübersehbares Baujuwel und eines der Wahrzeichen von Wien.

Max Hegele hat mit dieser Friedhofskirche den Versuch unternommen, auf Fragen über das Leben, die sich den Menschen angesichts des Todes stellen, eine Antwort aus dem christlichen Glauben anzubieten. Mit den Mitteln der Kunst hat er unter Mithilfe vieler Künstler die Botschaft der Bibel sehr beeindruckend dargestellt. Diese Kirche will die Allmacht Gottes zum Vorschein bringen. So wie eine Burg in der Brandung den Wellen des Ozeans trotzt, so trotzt Gott den Mächtigen des Todes, auf die der riesige Zentralfriedhof so unmißverständlich hinweist. Zudem sollte die Luegerkirche, die im Brennpunkt des Friedhofes steht, nicht

nur dem zeitgenössischen Bau- und Kunstbegriff (Jugendstil) entsprechen und in einer direkten Verbindung zur alten christlichen Baukunst stehen (die Karlskirche in Wien, die Peterskirche in Rom oder die Hagia Sophia in Konstantinopel), sondern auch eine Brücke zu den Tempeln und Pyramiden der Pharaonen im alten Ägypten schlagen, die auch an ein Leben nach dem Tod geglaubt haben. Diese Grundidee ist der notwendige Schlüssel zur Deutung dieses Gesamtkunstwerkes. Keine andere Kirche stellt den Kampf des Lebens mit dem Tod so eindrucksvoll dar wie diese Friedhofskirche. Selbst die Zifferblätter der Turmuhren fügen sich in das Gesamtkonzept des Architekten und weisen mahnend auf die Vergänglichkeit hin: Anstelle der Ziffern bilden Buchstaben, im Uhrzeigersinn gelesen, die Worte: Tempus fugit (die Zeit flieht). Bilder, Reliefs und Mosaike stellen die gemeinsame Geschichte Gottes mit den Menschen von der

Vertreibung aus dem Paradies über Mose, Elia, Jona und Johannes den Täufer zu Jesus Christus dar. Der unentrinnbare Tod (dargestellt im linken Bild über dem Hochaltar) und darüber die tröstende Botschaft Jesu Christi: „Ego sum resurectio et vita“ - Ich bin die Auferstehung und das Leben - fassen die Grundaussage dieses Gesamtkunstwerkes zusammen. Überdies hat sich die Gemeinde Wien in dieser Friedhofskirche selbst auch dargestellt: Die Vindobona mit der Friedhofskirche in der Hand, daneben der Bürgermeister Karl Lueger (im Bild über dem Hochaltar) und das Wappen der Stadt Wien (über den Eingängen in die Epitaphienräume, an der Stirnseite der Bänke und an der Außenfassade sowie in den Glasfenstern über den Seitenemporen und in der Bürgermeistergruft) weisen auf den Besitzer und Erhalter dieser Kirche hin.

Mag. Karl Wagner ist Leiter des Referats für den Einsegnungsdienst der Erzdiözese Wien und Rektor der Dr.-Karl-Lueger-Geaächtniskirche.

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