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Luft ist kein Freiraum

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Engstirnige militärische Sturschädel und Friedensbewegte bilden derzeit eine eigenartige Allianz. Beide wenden sich gegen die Beschaffung von leistungsfähigen Uberwachungsflugzeugen, die von der Bundesregierung beschlossen wurde, wenngleich mit durchaus unterschiedlichen Motiven.

Die einen, weil sie ausschließlich in Kriegsführungskategorien denken, für die die geplante Stückzahl freilich unbedeutend erscheint — sie hätten die Mittel lieber anderswo militärisch investiert; die anderen, weil ihnen jegliche militärische Investition suspekt oder zuwider ist, ohne nach dem Sinn zu fragen.

Wo liegt der Sinn? Das Militär ist Instrument der Politik, und die österreichische Politik ist unzweideutig auf Friedenserhaltung ausgerichtet.

Mit der Erklärung unserer dauernden Neutralität haben wir unseren Wunsch und festen Willen erklärt, auch dann im Frieden leben zu wollen, wenn andere bereits Kriege führen. Im Fernbleiben vom Krieg liegt also der eigentliche Sinn unserer Neutralität.

Neutralität ist aber keine Einbahnstraße. Sie schützt nicht nur, sie muß auch beschützt werden. Ob und wie wir sie beschützen werden, ist freilich nicht ausschließlich allein unsere Sache. Hier gibt es eindeutige Pflichten nach internationalem Recht.

Freilich neigen alte Haudegen dazu, internationales Recht als „einen Fetzen Papier" abzutun, und manchmal schlagen auch Friedensbewegte in die gleiche Kerbe.

Solche Arroganz verbietet sich aber einer ernstzunehmenden österreichischen Politik. Sie hat internationales Recht zu achten, wenn sie möchte, daß auch unsere Rechte geachtet werden sollen — gerade eben auch unser Recht, im Frieden zu bleiben.

Wie sehen diese Pflichten aus? Vor allem dürfen wir keinen Kriegführenden unterstützen. Wir dürfen es weiters nicht zulassen, daß Kriegführende unser Staatsgebiet für ihre militärischen Zwecke benützen — und dazu gehört auch die Benützung unseres Luftraumes.

Um Irrtümern vorzubeugen: Es geht hier nicht darum, Luftschlachten zu schlagen, sondern um die unmißverständliche Fähigkeit, die Benützung unseres Luftraumes nicht ohne aktiven Widerstand hinzunehmen.

Würden wir dies zulassen, wäre nämlich der andere Kriegführende berechtigt, seinen Gegner bereits hier zu bekämpfen — wir würden zum Kriegsschauplatz.

Dies ist durchaus keine abstrakt-theoretische Aussage. Sie hat hohen politischen Stellenwert, weil in dieser Frage die Rechtsansichten aller unserer Nachbarn übereinstimmen.

Das (westliche) Wörterbuch des Völkerrechts vermerkt unter dem Stichwort „Entwaffnung durch Neutrale": Im „Luftkrieg sind Militärflugzeuge kriegführender Mächte zur Landung zu zwingen und in Verwahrung zu nehmen ... Die Mannschaften sind zu entwaffnen und zu internieren".

Das Lehrbuch „Völkerrecht" der DDR führt aus, „daß der Luftraum eines neutralen Staates unverletzlich ist... Der neutrale Staat ist berechtigt und verpflichtet, seinen Luftraum gegen jede Neutralitätsverletzung zu schützen".

Auch im blockfreien Jugoslawien wird dieselbe Rechtsansicht vertreten: „So hat die Schweiz... von 1939 bis 1945... 203 Flieger interniert, die ihren Luftraum verletzt hatten, hat aber deshalb keinen Protest von Seiten der Kriegführenden erhalten" (S. Avra-mov, Völkerrecht, Belgrad 1978).

Die Rechtsansichten von heute sind die Ansprüche der anderen von morgen. Ihnen hat eine vorausschauende Politik Rechnung zu tragen.

Wer ausschließlich österreichische Nabelbeschau betreibt, mag sie ignorieren und mit Travnicek sagen: „Wos brauch i des". Wer die Erwartungen der anderen dagegen ernst nimmt, wird wohl auch Handlungen setzen müssen, die ihnen entsprechen.

Auf dem Boden dürfte uns der Nachweis mit der Heeresreform und einem sehr eigenwilligen, den österreichischen Zwecken angepaßten Wehrkonzept gelungen sein, das glaubhaft den Selbstschutz ermöglicht, ohne die anderen zu bedrohen.

Dieselben Grundsätze gelten auch für die Luft. Die Beschaffung einer angemessenen Zahl von leistungsfähigen Uberwachungsflugzeugen stellt somit das funktionale Gegenstück zur Raumverteidigung dar — nicht um selbst Krieg führen zu können, sondern um sicherzustellen, daß der Krieg draußen bleibt.

Der Autor leitet das Institut für strategische Grundlagenforschung an der Landesverteidigungsakademie in Wien.

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