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Luftraumüberwachung ohne Sicht
Nach langwierigen Verhandlungen darf nun endlich die NATO militärisch den Luftraum über Bosnien überwachen. Ein junger Pilot sagte kürzlich nach dem Flug erleichtert in die TV-Kamera: „Wir sind alle unversehrt heimgekehrt. Über den Einsatz dürfen wir nichts sagen."
Wir wünschen allen jeweils einen sicheren Rückflug. Nach dem Erfolg des Einsatzes aber wird man doch fragen dürfen. Nach Hunderten von Flügen wurde noch kein einziges serbisches Flugzeug gesichtet. Wo die Flugpolizei patroulliert, findet der Krieg nicht statt.
Gleich darunter aber werden weiter Spitäler zerschossen, Kinder und alte Menschen getötet, Frauen vergewaltigt, sterben völlig Unschuldige an Hunger und Erschöpfung. Man überwacht, wo nichts geschieht, überläßt die Hilflosen aber ihrem Schicksal. Man durchforscht den Luftraum, ist aber offenbar kurzsichtig für das, was sich weiter unten blutig abspielt.
Ist es nicht typisch für unsere Zeit, an der Oberfläche zu agieren, statt zum Eigentlichen zu kommen? Ein Alibi zu suchen, um dem Entscheidenden zu entkommen? Den Blick nach einer Seite zu fixieren, um nicht der Realität auf der anderen ins Auge schauen zu müssen?
Die Geduld der Diplomaten ist zu bewundern. Sie reisen, verhandeln und verhängen Sanktionen, obwohl sie wissen, daß der Krieg nicht zu stoppen ist.
Die Friedensbewegung hat ihre traditionellen Ostermärsche abgehalten. Wo hörte man den lauten Schrei gegen einen so absurden und brutalen Krieg? Laut wurde hingegen der Protest gegen eine deutsche Beteiligung an den AWACS-Überwachungs-flügen.
Zu danken ist allen, die mit Geld und durch persönlichen Einsatz humanitäre Hilfe in die besetzten Gebiete bringen. Aber ist es insgesamt genug, Eingekesselten Nahrung und Medikamente zu liefern? Müßte man nicht mit allen Mitteln versuchen, sie zu befreien?
All dem Gesagten kann man entgegenhalten: „Kritik ist leicht. Wer aber weiß schon einen gangbaren Weg aus dieser ausweglosen Situation?"
Sicher, dahinter steht so viel historisch Unbewältigtes, stehen handfeste Interessen da und dort, regiert Haß und nicht Vernunft. Aber warnen wird man dürfen, ja sogar müssen. Denn die Art dieser Politik, am Oberflächlichen hängen zu bleiben, statt an die Wurzeln zu gehen, sich Alibis zu suchen, ist nicht nur in solchen Ausnahmsfällen zu finden. In ähnlicher Art wird heute oft so Politik gemacht: nicht nur in der großen Weltpolitik, sondern auch in der Innenpolitik, Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik.
Spätere Generationen werden fragen: „Was habt ihr gegen diesen Krieg getan?" Es wird nicht genügen zu sagen: „Wir haben Sanktionen verhängt und den Luftraum überwacht und sind alle unversehrt wieder heimgekehrt."
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