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Luggers Aufholjagd

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Die großen Plakatflächen In Niederösterreich bleiben auch nach der Landtagswahl fest in Händen der beiden Großparteien. In diesen Tagen werden in größter Eile alle Maurer- und Czettel-Knnterfeis mit dem kräftig-soignierten Lugger-Bild (der Kandidat vor holxgetäfeitern Hintergrund) und dem wirklichkeitsentrückt-träumerischen Kirchschläger-Photo (der Kandidat in der Balkon türe seines Arbeitszimmers stehend) überklebt.

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Die großen Plakatflächen In Niederösterreich bleiben auch nach der Landtagswahl fest in Händen der beiden Großparteien. In diesen Tagen werden in größter Eile alle Maurer- und Czettel-Knnterfeis mit dem kräftig-soignierten Lugger-Bild (der Kandidat vor holxgetäfeitern Hintergrund) und dem wirklichkeitsentrückt-träumerischen Kirchschläger-Photo (der Kandidat in der Balkon türe seines Arbeitszimmers stehend) überklebt.

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Vor allem in der ÖVP hat man sich am Abend des vergangenen Sonntags nicht lange mit Analysen des Landtagswahlergebnisses aufgehalten, sondern hält die ganze Wahlkampfmaschinerie weiterhin untei-Volldampf. Denn die Sozialisten haben dem Maurer-Team hier eines voraus: Sie haben ihren Präsidentschaftskandidaten schon durch die Lande ziehen lassen und der Bevölkerung präsentiert. ÖVP-Landes-hauptmann Maurer hatte sich solches von den Lugger-Wahlwerbern seiner eigenen Partei verbeten. Er vertrat die Ansicht, es müsse einmal mit ganzer Kraft ein gutes Landesergebnis für die Volkspartei aus dem Boden gestampft werden, dann sei es auch ein leichtes, Lugger binnen vierzehn Tagen zum Präsidentschaftskandidaten für die Niederösterreicher zu machen.

Die Stoßrichtung der erbarmungslosen SPÖ-Propaganda bis zum 23. Juni hat sich allerdings schon am Abend des vorigen Wahlsonntags gezeigt, als die Spitzenvertreter der Parteien ihre Statements abgaben. SPÖ-Zentralsekretär Marsch formulierte es in mehreren Varianten in Hörfunk und Fernsehen: Man wird jetzt den ÖVP-Sieg abzuschwächen wissen, Maurer und seiner Mannschaft demagogische Wahlkampfführung und Materialschlachten vorwerfen und sich selbst als Opfer einer solchen Kampagne darstellen.

Für die letzte Phase des Präsi-den'tschaftswahlkampfes hat sich die Parteizentrale auch die Mitwirkung von Bundeskanzler Kreisky gesichert, der vor allem am kommenden Wochenende im Einsatz sein wird. Wer die letzten Einsätze Kreiskys für Kirchschläger, vor allem vor Gewerkschaftern in der Wiener Hofburg, miterlebt und beobachtet hat, kann ein Gefühl der Flucht in eine weitere Radikalisierung in der allerletzten Phase — mit allen erdenklichen Mitteln — nicht los werden. Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, daß sich der Kreiskysche Zorn gleichzeitig auf seinen Erzfeind Maurer und auf ÖVP-Kandidat Lugger entlädt.

Fest steht, daß die ÖVP bei der

Niederösterreichwahl einen Stimmenanteil von mehr als 52 Prozent erzielen konnte. Ist es nun möglich, diesen Prozentsatz für Lugger zu mobilisieren, so ist an seinem Vorsprung in diesem Bundesland nicht zu rütteln (Waldheim erhielt 1971 in Niederösterreich nur 50,6 Prozent). Die Freiheitlichen, die in diesem Bundesland nur 3 Prozent der Stimmen innehaben, dürften sich wohl auch zum Großteü für Lugger entscheiden.

Man könnte jetzt, zehn Tage vor der Wahl, natürlich eine bundesländerweise Hochrechnung für die Präsidentschaftswahl auf Grund der Ergebnisse der Wahlgänge der letzten Zeit, die allerdings rein regionaler oder kommunaler Natur waren, anstellen. In diesem Zusammenhang muß aber darauf hingewiesen werden, daß es sich ja bei der Bundespräsidentenwahl letztlich um eine reine Persönlichkeitswahl handelt und daß — auch wenn dies die Sozialisten immer wieder geradezu hartnäckig abstreiten wollen — das „schöne Gesicht“ des jeweiligen Kandidaten und seine ganze Art, bei den wenigen Gelegenheiten, da ihn der einzelne Wähler zu Gesicht bekommt, gut zu wirken, die entscheidendste Bedeutung für das Wahlergebnis hat. Denn das Versprechen des Baues einer Straße oder Schule kann im regionalen oder kommunalen Bereich Ausschlag geben, sich für diese oder jene Partei zu entscheiden, nicht aber bei der Bundespräsidentenwahl. Trotzdem können natürlich Spitzenpolitiker, „Lokalmatadore“ der in diesem oder jenem Ort führenden Partei die Wähler schon auf ihren jeweiligen Kandidaten festlegen.

Dies hat auch in gewisser Beziehung zur steigenden Nervosität der Sozialisten beigetragen. Denn es ist doch etwas anderes, ob hinter einem Kandidaten Persönlichkeiten wie Czettel, Fridl, Steinocher oder Salcher, in der regionalen Wahlwerbung etwa Nieder- und Oberösterreichs, Salzburgs und Tirols stehen, oder ob siegreiche Landeshauptleute, wie Maurer. Wenzl, Lechner

oder Wallnöfer, die Stimme erheben. Die SPÖ hat nicht vergessen, daß die Mehrheiten in sechs Bundesländern bei der ÖVP liegen.

Die ganze Hoffnung der Sozialisten konzentriert sich in bezug auf die Bundespräsidentenwahl auf die Bundeshauptstadt Wien. Aus dem Ergebnis der Landtagswahl des Vorjahres, die einen überwältigenden Sieg für Gratz gebracht hat, glauben die Wahlstrategen der SPÖ ableiten zu können, daß die Mentalität der Parteigenossen auch einen Kandidaten Kirchschläger nach allen Attacken des politischen Gegners verträgt. Man erinnert hier daran, daß schließlich Gratz auch kein „gewachsener“ Wiener Parteimann war, daß er sich mangels Betätigung in der Organisation auch keine Hausmacht geschaffen hatte und trotz allem einen phantastischen Erfolg erringen konnte. Demnach würden die treuen Wiener Sozialisten auch Kirchschläger, ehemals Mitglied der Vaterländischen Front, ehemals Mitglied der ÖVP, ausgetretenes Gewerkschaftsmitglied, Nicht-SPÖ-Mitglied, praktizierender Katholik usw., wählen. Ob diese Rechnung wirklich aufgeht?

Italiens Linksmagazin „L'Espresso“ zeigt auf seinem Titelbild einen im Meer versinkenden Mann. Sein Kopf ist sthon unter Wasser, seine Hand hält noch ein Bündel zerknüllter Banknoten: „Italien versinkt, wer wird es über Wasser halten?“

Nach dem Rücktritt der Regierung Rumor gibt es eigentlich nur noch zwei Wege aus dem Chaos: eine Aufnahme der Kommunisten in die Regierung — und damit die Befriedung der Gewerkschaften mit scharfen Maßnahmen an der Lohn- und Preisfront — oder die massive Hufe der europäischen Partnerländer des kranken Mannes am Appennin.

Italiens Uhren gehen nicht nur wegen der Sommerzeit anders. Italien wird mehr denn je ein Angelpunkt für die europäische Demokratie. Rechts und links lauern die Henker, die lieber heute als morgen dem demokratischen System ein Ende machen wollen (siehe unseren Beitrag auf Seite 6). Wird Italien aber auf den Weg zur Volksdemokratie gedrängt oder rutscht es auf einen „griechischen“ Weg ab, hat dies unübersehbare Folgen für die weitere Entwicklung Europas.

Noch ist Italien zu stabilisieren: durch ein engeres Zusammenrücken von Christdemokraten und Sozialisten. Die geistigen und politischen Partner der DC in Europa und die Sozialistische Internationale haben eine Chance — und die Verpflichtung — diesen Prozeß zu fördern. Wer jetzt abseits steht — in den Technokratenbüros Brüssels oder in den demokratischen Bewegungen Europas — macht sich mitschuldig an der Liquidation der Stabilität. Und verantwortet alle Folgen mit.

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