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„Lustige Witwe" auf ORF-Stegreifbühne

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Die einen verehrten den „lieben Ernstl", anderen war er immer schon ein Dorn im Auge. Mit seinen flott-direkten Sprüchen, auch mit seiner barocken und kumpelhaften Art, hat sich Ernst Wolfram Marboe zwar manche Bewunderer, aber auch zahllose Feinde geschaffen. Beim Versuch, ORF-Sparpläne zu unterlaufen und die Verfechter der restriktiven Unternehmenslinie auszutricksen, noch dazu mit der Einbeziehung der Firma seines Juniors, ist er gestolpert. Marboe wurde vom Kuratorium als Programmintendant abgesetzt. Auch wenn dem ORF unmittelbar noch kein materieller Schaden erwachsen sei, habe er dem Ansehen des Unternehmens in der Öffentlichkeit geschadet.

Hat es Marboe da an G'spür gemangelt, abzuschätzen, was noch geht, besser: was nicht mehr (hinein-)geht? Oder wurde etwa nur ein willkommener Anlaßfall gefunden, angesammelte alte Rechnungen zu begleichen? Beides dürfte zutreffen.

Also ein Reinigungsprozeß, nach dem man quasi wieder zur Tagesordnung zurückkehrt? Wer in diesen Tagen in den ORF hineinhört, merkt vielmehr ungeheure Verunsicherung. Da brodelt es. Denn da gibt es auch noch zahlreiche andere offene Rechnungen, die jetzt einmal wechselseitig aufgelistet werden. Ein Fall hat einen Stein ins Rollen gebracht hat, der zum Felssturz führen könnte.

Und wenn es - gut wienerisch gesagt - ums Leiberl geht, werden auch Interessenkoalitionen gebildet, die alle Einschätzungen, wer denn da eigentlich mit wem kann oder nicht, über den Haufen werfen. So wie auch politisch am Freitag der Vorwoche im Kuratorium. Da üben Fraktionen Schulterschlüsse, die sich sonst nicht schmek-ken können. Parteisekretäre rotieren, üben Polit-Strategie- und „Feuerwehr"-Spiele - da zieht die ÖVP aus, dort müssen wegen Nicht-Beschlußfähigkeit erst Kuratoren herbeigekarrt werden.

Buch, Inszenierung und Regie dieses Vorspiels zur Neubestellung der ORF-Geschäftsführung im kommenden Jahr erinnern an laienhaftes Stegreiftheater.

„Parteipolitik hat in einer für den Kulturstaat Österreich entscheidenden Frage versagt." Dieser Aufruf zum Rundfunk-Volksbegehren 1964 klingt jetzt sinngemäß immer öfter an. Nur wird es heute keine vergleichbare Initiative von 44 Zeitungen zur Stärkung der „Konkurrenz" ORF mehr geben. Längst laufen auch da die Interessen auseinander. Und wo dazu bei Zeitungen ausländisches Medienkapital mitmischt, ist man sogar mehr an einer Schwächung, denn an einer Stärkung und Sicherung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks interessiert.

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