7019444-1988_39_21.jpg
Digital In Arbeit

Lustwandeln wie einst

Werbung
Werbung
Werbung

Noch ist es um die Art der Gartengestaltung rund um Österreichs denkmalgeschützte Gebäude schlecht bestellt. Noch werden barocke Gärten in der Regel nur irgendwie mit Blumen geschmückt, und die Bäume werden beschnitten, während die Englischen Gärten allem anderen gleichen, bloß nicht dem, was sie einst waren. Noch gibt es im Unterschied etwa zur Bundesrepublik und den Niederlanden für eine Handvoll historischer Gartenanlagen lediglich ein Konzept, das in dem Ein-Mann-Referat des Bun-desdenkmalamtes ausgearbeitet worden ist. Doch im Park von Prinz Eugens Belvedere hat man im Dezember 1987 damit begonnen, die bereits wild wuchernden Hecken zu erneuern und einige Bäume auszuwechseln. Auch private Schloßbesitzer wie die Familien Schönborn im niederösterreichischen Schönborn bei Göllersdorf und Gudenus in Mühlbach am Manhartsberg haben mit Hilfe von Geza Hajos, der das Referat betreut, ihren Gärten wieder jenes Flair gegeben, das ihnen eigen war. Nach jahrzehntelanger Vernachlässigung einer adäquaten Bestellung der historischen Gärten setzt man somit wenigstens erste Schritte, Schloß und Park als Einheit zu präsentieren.

Stilgerecht gehalten wurden die meisten in Staats- oder Landesbesitz übergegangenen kaiserlichen Gärten beziehungsweise jene des Feudaladels in der Ersten Republik. Damals lebten ja nach wie vor die der Tradition verbundenen Gärtner. Als sie in der Zweiten Republik ausgestorben waren, pflegten und bepflanzten zwar die Angestellten der Gartenbauämter die Rasen und Beete, häufig allerdings nach eigenen

Vorstellungen von Schönheit — existierten doch keinerlei Bestimmungen, die sie zu einem anderen Verhalten veranlaßt hätten.

Nach einem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes aus dem Jahr 1964 — einer Ära, in der man den Begriff des Ensembleschutzes nicht kannte — wurden „Felder, Alleen und Parkanlagen“ sogar ausdrücklich „als Nicht-Gegenstand des Denkmalschutzes“ deklariert. Daß die .Geldgeber im Landwirtschaftsministerium, in deren Kompetenz die Verwaltung der Bundesgärten fällt, darüber nicht erbost waren, liegt auf der Hand. Ihr Interesse richtete sich nicht auf die Bewahrung einer Hofgartentradition. Ihr Ziel sahen sie in der Blumenproduktion.

Mit der Bestellung Gerhard Sai-lers zum Präsidenten des Bundes-denkmalamtes änderte sich die Lage. Er pochte auf die ebenfalls zu schützende, von Menschenhand künstlich geschaffene Umgebung eines Denkmals und er-' hielt Recht. Die Folge: 1986 wurde das Referat für historische Gartenanlagen etabliert. Nun hat Hajos, trotz Unterbudgetierung seiner Dienststelle, Konzepte für die Gartenanlagen der Schlösser Belvedere, Schönbrunn, Augarten, das Neugebäude der Innsbrucker Hofburg und des Schlosses Ambras, des Eisenstädter Esterhazy-Schlosses sowie für jene in Schönborn, Mühlbach und den Grazer Stadtpark erstellt.

Im Oberen und Unteren Belvedere, für deren Erhaltung das Wissenschafts-, Wirtschafts- und Landwirtschaftsministerium aufzukommen haben, sollen seinen Entwürfen nach nicht nur die Hecken erneuert werden. Auch Broderien will Hajos genau nach alten Ansichten mit allen barok-ken Schnörkeln und Motiven aus Buchsbaum, Kohlenstaub und

Ziegelsplittern wieder schaffen. Sogar die seit dem Tod Prinz Eugens nicht mehr reparierte Wasserleitung möchte er instand setzen lassen.

Schloß Schönbrunn soll wie in den Tagen der Monarchie mit einer Orangerie ausgestattet werden, zu der nach barockem Stilempfinden angeordnete Topfpflanzen, Orangenbäume und Palmen gehören. Überdies sollen zwei seit den fünfziger Jahren in Depots lagernde Renaissancebrunnen aus dem Neugebäude in den Schönbrunner Park kommen — so wie damals, als Kaiserin Maria Theresia den Auftrag erteilte, ebenfalls aus Architekturteilen des Neugebäudes die Gloriette zu errichten.

Im Neugebäude selbst, das als größtes Renaissanceschloß nördlich von Italien galt, werden neben dem Haupttrakt Kaiser Maximilians II. mit einem Kostenaufwand von 1,5 Milliarden Schilling auch historische Garten- und Wasseranlagen revitali-siert. Um den nicht verbauten nördlichen Garten in Richtung Donau zu rekonstruieren, haben Wiens Stadtväter archäologische Untersuchungen in die Wege geleitet. An den Tag gekommen sind vor allem Teichaushebungen, Umzäunungsmauern und Spuren diverser Holzkonstruktionen. Sie werden für die Wiedererweckung des schon um 1600 verfallenden Lustschlosses genauso herangezogen wie eine Vielzahl bekannter zeitgenössischer Kupferstiche.

In Zusammenarbeit mit Archäologen wird auch der sogenannte Keuchengarten vor dem „Spanischen Saal“ von Ambras neu erstehen. Dort, vor dem Denkmal, das sich der große Liebhaber von Waffen, Kunstgegenständen, Obskuritäten und der Verehrer der Augsburger Bürgerstochter Philippine Welser, Erzherzog Ferdinand, mit dem Aus-und Umbau von Schloß „Ombra“ gesetzt hat, liegen nämlich seit langem Brunnenfundamente und letzte Reste früherer Garteneinteilungen unter der Erde. Wovon sie Zeugnis ablegen, das will man wiedererstehen lassen.

Nicht zuletzt hat Hajos Vorschläge parat, wie der durch asphaltierte Wege und zu dichten Baumbestand verunstaltete Grazer Stadtpark revitalisiert werden könnte. In die Praxis umgesetzt ist hingegen sein Konzept zur Wiederherstellung der Englischen Gärten in Mühlbach und Schönborn mit künstlichem Teich, chinesischem Pavillon und Apollotempel, während die Pläne zur Sanierung von Schloßpark und Leopoldinen-Tempel in Eisenstadt widriger juridischer Umstände wegen so bald nicht realisierbar sein dürften. Alles in allem aber wagt man in Österreich mit einiger Verspätung erste Schritte, historische Gärten wieder so zu gestalten, wie sie ihre Schöpfer in Harmonie mit den Gebäuden angelegt haben. Es bleibt zu hoffen, daß niemand bremst.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung