7003834-1987_35_08.jpg
Digital In Arbeit

Mach dir von Gott kein Tele-Bild!

Werbung
Werbung
Werbung

Gurus kommen, Gurus gehen. Nach der abflauenden New-Age-Welle kommt eine neue Ideologie zu uns und verspricht die heile Kommunikationswelt. Die Tele-Gurus sind die neuen Vertreter einer alten Firma, deren Ziel es immer schon war, Gott über die technologische Weiterentwicklung aus seiner Schöpfung zu verdrängen. Während das löchrig werdende Netzwerk der Verfechter der Wassermannzeitalter-Erlösung an Glaubwürdigkeit verliert, tritt an seine Stelle ein Computernetzwerk..

Ein perfektes Kommunikationssystem soll unvollkommenes menschliches Zusammenwirken zu einer synchron agierenden Menschheit führen. Das kleinste und entlegenste Dorf soll angeschlossen werden. Das Weltdorf kommt in die Dorfwelt. Zum Nutzen aller. Teleshopping wird es der Hausfrau ermöglichen, über Bildschirm jene Waren zu bestellen, die sie nicht unbedingt braucht und die ihr dann vor die Haustür geliefert werden. Und das alles bargeldlos.

Der Pendler braucht nicht mehr früh am Morgen aufzustehen und zur Arbeit zu fahren. Die Arbeit kommt zu ihm. Was Raumplanungsstrategen bisher nicht gelungenist, in jedes Dorf eine kleine Fabrik zu bringen, vollbringen nun die Kommunikationsstrategen durch Verlagerung der Arbeit in Fabrik und Büro nach Hause in die eigenen vier Wände. Das jederzeit über Knopfdruck verfügbare elektronische Dorf eilt seiner Verwirklichung entgegen.

Es wäre nun realitätsfern, diese Entwicklung ähnlich den Maschinenstürmern des Industriezeitalters zu verdammen. Denn jedes Ding hat bekanntlich zwei Seiten.

Der alte Piaton hat in seinem Höhlengleichnis gezeigt, daß wir uns aus Schattenbildern ein falsches Bild von der Wirklichkeit machen. Heute ist es nicht anders. Wir sitzen in unseren Wohnungshöhlen und machen uns ein verzerrtes Fernseh-Bild von der Welt. Und immer mehr Menschen können nicht mehr zwischen Schein und Wirklichkeit unterscheiden. Insbesondere Kinderärzte und Jugendseelsorger können davon ein Klagelied singen.Steht nicht im Alten Testament: Du sollst dir von Gott kein Bild machen? Und was geschieht heute? Wir machen uns immer mehr ein falsches Fernseh-Bild von Gott! So wie der Heilige Vater, der alljährlich seinen Segen Urbi et Orbi in einem gigantischen Medienverbundsystem über die Erde verteilt.

Die medialen Möglichkeiten lassen heute den Gedanken aufkommen, daß Christus 2000 Jahre zu früh gekommen ist. Heute hätte Christus doch viel mehr Möglichkeiten, die Menschen zu erreichen. Oder wartet er nur darauf, daß jedermann einen Bildschirm hat, bis er wiederkommen kann?

Ich betrachte die Eskalation der Mediennutzung als höchst bedenklich. Wer garantiert, daß nicht Videokassetten verkauft werden, um den immerwiederhol-baren päpstlichen Segen abrufen zu können? Einen endlosen Segen auf einer Endlosschleife. Die elektronische Gebetsmühle.

Wie weit ist es von der Telekommunikation zur Telekommunion?

Was ihr dem Geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan. Unser Nächster ist nicht der Computer, mit dem ich Schach spiele, nicht der am Fernsehschirm abgebildete Landarztkranke, sondern der Mensch in der Nachbarwohnung aus Fleisch und Blut, der stirbt, während ich um eine Dallas-Scheinkranke weine. Offenbart sich Gott aus dem Fernseher? Eher in der Stille des Herzens, so leise, daß der Fernseher abgedreht sein muß.

Wenn Christus wiederkommt, wird er sicher nicht als Tele-Chri-stus in den Medien kommen. Eine Bildschirmerlösung wäre nicht nach jenem Konzept, das damit begann, daß ein scheinbar gewöhnliches Kind in Abwesenheit von Rundfunk und Fernsehen in die Welt kam. Der Gott der Flimmerkiste ist nicht der Erlösergott. Die Software Gottes ist vor allem die Bibel und die darin gespeicherte Information des Glaubens. Um einsteigen zu können, um das persönliche Lebensprogramm zu finden, bedarf es für jeden eines bestimmten Kennwortes.

Der Weg der christlichen Auffassung eines göttlichen Gnadenverbundsystems hilft uns, die Geister zu unterscheiden beziehungsweise jene, die wir riefen, wieder los zu werden. So muß ein abgewandeltes Pauluswort gelten können:

Wenn ich alle Informationen der Welt computerunterstützt gesammelt habe, aber die Liebe nicht hätte, so bin ich nichts.

Wenn ich alles Wissen dieser Welt in einem Datenverbundsystem zur Verfügung hätte, die Liebe aber nicht habe, so nützt es mir nichts.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung