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Digital In Arbeit

Macher weg!

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Angebote der öffentlichen Hand werden oft nur schamhaft und nicht kundengerecht vermarktet. Doch der Verkauf von „politischen“ Produkten braucht ein Management.

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Angebote der öffentlichen Hand werden oft nur schamhaft und nicht kundengerecht vermarktet. Doch der Verkauf von „politischen“ Produkten braucht ein Management.

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Das Problem, auf das ich Ihr Augenmerk richten möchte, und bei dessen Bearbeitung Marketingdenken instrumenteil eingesetzt werden sollte, würde ich aphoristisch folgendermaßen umschreiben: Neue Notwendigkeiten haben selten product ma-nager. Solche gibt es - wie der Name schon sagt - meist nur dort, wo es ein umschriebenes Produktfeld gibt oder die programmierten Innovationen.

Nun gibt es Problemfelder, in denen zwar dringend und/oder vorausschauend etwas getan werden müßte - von der professionellen Problemanalyse über die .Produktenzeugung“ bis zur Schaffung eines entsprechenden Problembewußtseins, das weitere Handlungen auslöst. Aber es gibt keine bestehenden Institutionen, die sich dafür eindeutig zuständig fühlen, keine klar gewachsenen Verantwortlichkeiten. Vielmehr eine Verantwortungsdiffusion, wo jeder auf die erlösende Initiative des „eigentlich Zuständigen“ wartet, man wartet auf die Mächtigen, und diese auf die Fachleute oder auf die Medien — und alle miteinander auf Godot.

Lassen Sie mich vorweg bemerken, daß ein zentralistisches Marketingkonzept, ausgearbeitet von einer Stabsstelle und hierarchisch exekutiert für Fälle, wie ich sie genannt habe, „unmöglich“ wäre. Nicht denkbar - und deplaciert; es wäre der Traum eines bürokratischen Demiurgen, eine totalitäre beziehungsweise absolutistische Versuchung. Wohl täte uns mehr Professionalität in der Verfolgung unserer Ziele gut - mehr Rationalität bei der Zielbestimmung im Rahmen einer Aktion, mehr Sorgfalt bei der Wahl der Mittel.

Aber ebenso sicher ist, daß Probleme der genannten Art (für die mehr Marketing sehr wohl ein öffentliches Anliegen sein müßte) anderer Natur sind als betriebswirtschaftliche Ziele und auch einen anderen Komplexitätsgrad haben.

Zunächst: Probleme der genannten Art entstehen an vielen Punkten gleichzeitig - sind historisch, gesellschaftlich, politisch usw. gezeugt und genährt; werden von den Medien und ihren Empfängern gewichtet; haben hundert verschiedene Facetten und ergeben daher kein eindeutiges Bild. Ein Beispiel:

Hat Österreich ein Imageproblem? Ja? In welchen Ländern? Auf welchen Dimensionen? Wie lange schon? Welche Faktoren trugen und tragen dazu bei? Bei welchen Zielgruppen? Mit welchen Konsequenzen? Muß es uns kümmern? Wen muß was kümmern?

Das gestellte Problem ist kaum durch einen Marketingexperten allein zu klären — nicht weil seine Speicherkapazität zu gering sein könnte oder seine multivariaten Denkmuster; noch immer zu simpel gestrickt —, sondern weil die Problemdefinition bei Fragen dieser Art sehr oft Wert- und Wertungsfragen impliziert.

An welchem Österreich nehme ich Maß? Welches Österreichbild lege ich als Idealmaßstab zugrunde? Das sind Fragen, die man nicht nur auf Exportebene klären kann. Es bedarf zumindest eines vagen Konsenses. (Nur der Minimalkonsens einer künstlichen Stichprobe oder des erlauchten Konsenses jener Patrioten, die in ihren besten Minuten wissen, was dieses Land sein und was es werden könnte?)

Und gesetzt, es gäbe das Maß für das Österreichbild — wie erkundet man das für das ganze Land (und nicht nur für den Tourismus) relevante Image?

Gewiß - Koordinationsstellen, wie die immer wieder ins Gespräch gebrachte „Austria foun-dation“, könnten grundlegende Marketingvorarbeit leisten. Aber

- so wünschenswert und wichtig solche Aktivitäten mit betrieblichem Marketingschema auch sind

- sie entsprechen nicht voll. Eine Gesellschaft - vor allem eine demokratische - kann man nicht wie ein Unternehmen führen: mit zuständiger PR- und Werbeabteilung. Allgemeine Rollenzuteilungen sind nicht möglich (jedenfalls nicht ohne unerwünschte Rückwirkungen).

Politik kann - im Verein mit anderen Kräften - Initialzündungen geben, dje Problemsuche fördern, durch Begünstigung einer Atmosphäre, in der einschlägiges Denken und Probieren gedeiht (und wenn die Politik das gut macht, so ist das schon eine rechte Kunst und ein schöner Erfolg: die Wek-kung der Aufgeweckten, die Motivierung der Motivierbaren, die Begeisterung verschiedener Geister).

Die Exekution der vielen - vielleicht/und hoffentlich - entstehenden Einzelprojekte sollte nicht mehr nach einem Generalplan, nach dem „master plan“ eines „master minds“ gesteuert sein. Zu groß ist das Risiko einer Fehlsteuerung, zu unflexibel die Organisation.

Das „Marketing“, das die Politik als Vertreterin öffentlicher Anliegen leisten muß, ist anders geartet als das Marketing von profit oder non-profit organizati-ons. Ziel der Politik ist nämlich nicht unbedingt der Aufbau und die Bereitstellung der Lösungsmaschinerie. Die Politik hat die Problemlösungen möglichst zu delegieren. Die Beschäftigung mit Problemen anzuregen, Spielregeln auszugeben, die zielkonform sind. Ihre eigenen Dienstleistungsaktivitäten hat sie auf ein Minimum zu beschränken und auch diese sind immer wieder Nutzwertanalysen zu unterziehen.

Die Rolle der Politik, die ich verstärkt sehen möchte, ist keine „do-it-yourself“-Politik, wo die politischen Institutionen auf der Suche nach Marktnischen (in denen sich Problemgruppen oder Wechselwähler aufhalten) neue .Produkte“ anbieten und sie ministeriell vermarkten.

Die Rolle der Politik bestünde: in der Aufbereitung des Problems (und dazu sind nicht nur die Politiker berufen, sondern auch die Funktionseliten bzw. die jeweils Betroffenen) und in der Ermutigung von Kräften und Aktivitäten - die vielfältiger Natur sein können und sehr wohl den einzelnen Marketingphilosophien entsprechen können.

Diese Art von Marketingdenken: Versuch komplexer Problemanalyse, Ermutigung möglichst subsidiärer Marktkräfte, frühzeitige Abschätzung von Kosten und Nebenwirkungen, Evaluation und Kontrolle muß ein öffentliches Anliegen sein.

Das große Geheimnis liegt in der Politik nicht beim „Macher“, sondern beim „Tunlassen“, nicht beim „In-die-Hand-nehmen“, sondern beim „In-geeignete-Hände-legen“.

Der Autor ist Landeshauptmann-Stellvertreter und Vizebürgermeister von Wien. Der Text ist ein Auszug aus seinem Eröffnungsreferat anläßlich des 5. Osterreichischen Marketingtages in Wien.

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