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Macht euer Spiel!

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Das neulich vom Parlament in Budapest verabschiedete Vereinigungsgesetz steckt nun den außerparlamentarischen Rahmen für die Tätigkeit der neuen politischen Organisationen ab, unter denen den nach 40 Jahren Gleichschaltung neuentstandenen „alten“ Parteien eine besondere Rolle zukommt. Grundsätzliche Übereinstimmung herrscht bei diesen hinsichtlich der restlosen Verwirklichung der Rechtsstaatlichkeit, in der die grundle-

genden Bürgerrechte verfassungsmäßig garantiert werden sollen.

Demokratisch sind sie also alle — was sie noch darüber hinaus verbindet, ist eine biologische Gegebenheit: nämlich das hohe Alter der Mehrheit ihrer Mitglieder und Sympathisanten. Die jüngeren Jahrgänge suchen ja ihre politischen Ideale bei den sogenannten Altemativbewegungen, deren Zahl mittlerweile zweitausend überschritten hat, wobei sich da allerdings auch maßgebende Organisationen formiert haben.

An der Spitze steht die gesamtnational orientierte Massenbewegung „Forum Ungarischer Demokraten“ mit zahlreichen Ortsvereinen; ihm folgt der linksliberale „Bund Freier Demokraten“. Beide lehnen es einstweilen artig ab, sich als Parteien zu bezeichnen. Ähnlich verhält es sich mit dem einst radikal-sozialistischen „Verband Junger Demokraten“ (FIDESZ), der mittlerweile eine

Wende zur liberalen Mitte durchgemacht hat, oder mit dem „Donau-Kreis“, der Vereinigung der Grünen.

Es wäre jedoch verfehlt, die wieder aktiv gewordenen alten Parteien zu unterschätzen. Die im vorigen Oktober neuentstandene „Partei der Kleinen Landwirte“ — vom Kriegsende bis zur Gleichschaltung 1948 die stärkste bürgerliche Partei des Landes überhaupt — verfügt bereits über 4.000 registrierte Mitglieder, die in 45 Ortsgruppen überall im Lande tätig sind. Im Programm stehen Rechtsstaatlichkeit, freie Wahlen und die garantierte Chancengleichheit der Eigentumsformen an erster Stelle.

Obwohl die Partei vor allem die Agrar inter es sen vertreten will, wünscht sie auch den relativ breiten Stand der Kleinunternehmer anzusprechen. Dabei muß sie allerdings einige Schwierigkeiten überwinden.

So etwa die Trennungslinie, die zwischen den Weggefährten und den Opfern der Kommunisten verläuft. In der Tat - es kann wohl kaum gleichgültig sein, ob jemand die Jahre des Terrors als ein willfähriger parteiloser Kollaborateur in hohen Positionen oder aber als Gefangener der Staatsschutzpolizei in Zuchthäusern verbracht hat.

Denn manche „Hofparteilosen“

entdecken jetzt auf einmal mit beispiellosem Eifer ihre Vergangenheit als treue Kleinlandwirte und geben dies auch der Öffentlichkeit bekannt - keine attraktive Werbung für eine Partei, die samt ihrer Greisenhaftigkeit auch diese Schandflecken aus der Vergangenheit überwinden will.

Auf jeden Fall scheinen die Kleinlandwirte für die Kommunisten als potentielle Partner für eine’Koalition in Frage zu kommen. Diesbezügliche Absichtserklärungen sind bereits von beiden Seiten abgegeben worden.

Anders verhält es sich in dieser Hinsicht mit den „Sozialdemokraten“, die ihre Tätigkeit als Partei Anfang Jänner offiziell wiederaufgenommen haben. Historisch von der Zwangsfusion mit den Stalinisten 1948 belastet, wollen sie nun nicht einmal von einer Koalition mit den Kommunisten hören. Das Provisorische Programm unterscheidet sich von dem der Kleinlandwirte im Grunde nur in einem Punkt: Die Sozialisten fordern die unverzügliche Rückgabe des Bodens an die Bauern.

Interessanterweise sammeln sich die potentiellen Anhänger der Sozialdemokratie weniger in der Partei als im Kreis sozialdemokratischer Jugend oder auf dem linken Flügel des „Bundes Freier Demokraten“, der sich für eine radikale Sozialpolitik einsetzt. Der Zugang zur Masse erscheint vorerst auch für sie problematisch.

Ähnlich geht es der „Ungarischen Unabhängigkeitspartei“, die nach vierzig Jahren Kaltstellung ebenfalls vor kurzem die politische Bühne wieder betreten hat. Als die kleinste Gruppe unter den anderen, überaus koalitionsfreudig, verkündet sie als Ziel die „Schaffung des schöpferischen Friedens im Geiste der christlichungarischen Vergebung“.

Militant verhält sich die „Leninistische Kommunistische Partei“, deren erzdogmatische Polit- mumien - einstweilen noch allesamt Mitglieder der Ungarischen Sozialistischen Arbeiterpartei (USAP) — neulich in ihrem Klub schon Waffen verlangt haben, um Bewegung, Partei und Sozialismus zu retten, woraufhin Jänos Berecz, die Nummer zwei in der Parteiführung, „ihre politische Einschränkung“ in Aussicht stellte, „damit sie keinen größeren Schaden anrichten können“.

Nun kann also jeder setzen und sein Spiel machen. Das Wahljahr 1990 rückt geschwind heran. Die Frage, ob die neuentstandenen alten Parteien auch von den Wählern als vertrauenswürdige Partner angesehen werden, ist noch offen.

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