7024397-1989_06_01.jpg
Digital In Arbeit

Macht und Ohnmacht

Werbung
Werbung
Werbung

Nicht nur im ORF herrscht hellste Aufregung, ja Empörung über die Vorgangsweise des Generalintendanten Thaddäus Podgorski im Zusammenhang mit dem am Donnerstag vergangener Woche erfolgten „freiwilligen Rücktritt“ - so die offizielle Diktion — des Hauptabteilungsleiters Dokumentation (F 9) Franz Hlavac.

Manche sehen — in Kenntnis des Kräftespiels im Hintergrund - die freie Berichterstattung im Monopolbetrieb ORF gefährdet — zumal die ganze Angelegenheit durch Recherchen sowohl des Inlandsreportteams als auch des

Wochenmagazins „Profil“ in Sachen ehemaliger Mitgliedschaft des ORF-Generalintendanten Podgorski beim ominösen Udo Proksch-Verein „Civil und Militär“ (CUM) ins Rollen gebracht wurde.

Anstrengungen zur Desinformation seitens des ORF in dieser Affäre sind groß. Podgorski bestritt in einer Pressekonferenz am Dienstag dieser Woche, daß sein Vertrauensentzug gegenüber den für den Inlandsreport hauptverantwortlichen Hlavac etwas mit Recherchen bezüglich seiner CUM-Mitgliedschaft oder seiner Freundschaft mit Proksch zu tun habe.

Eine von ihm eingesetzte Kommission werde untersuchen, ob sich Hlavac einer allfälligen Dienstrechtsverletzung schuldig gemacht habe. Auf die Frage, worin diese bestanden haben könnte und was dann eigentlich der Rücktrittsgrund für Hlavac gewesen sei, gab der Generalintendant keine Antwort, er wolle nichts präjudizieren.

Nach der Podgorski-Presse- konferenz, bei der der Generalintendant ausführlich über sein „reines Gewissen“ betreffend Udo Proksch-Freundschaft, CUM- Mitgliedschaft und Lucona-Affä- re gesprochen hatte, herrschte unter den Journalisten der Printmedien, aber auch des ORF, großes Erstaunen.

Ein bekannter Zeit im Bild-Moderator meinte: „Jetzt hatten wir eine Pressekonferenz, wissen aber nach wie vor gar nichts.“ Ähnlich reagierte Peter Nürnberg, Redakteurssprecher der F 9, unmittelbar nach einer Sitzung von Redakteursvertretern mit dem Generalintendanten und dem Informationsintendanten Johannes Kunz am Montag dieser Woche. Gegenüber der FURCHE bedauerte er das „große Informationsdefizit“ in dieser Angelegenheit unter den Kollegen im ORF. Alle haben ihr Wissen aus den Zeitungen bezogen, die Verunsicherung sei groß. „Im Endergebnis“, so Nürnberg, „kenn i mi a net

Ist Franz Hlavac Opfer eines Fluches der Lucona, der offenbar auch Leute trifft, die nur in den Schlammresten des Club 45 herumstochern? Noch in FURCHE 4/ 1989 hatte Hlavac die Philosophie des Inlandsreports erläutert und damit den Startschuß zur Seherbefragung von FURCHE und Club (M) über das Fernsehmagazin gegeben, für das jetzt interimistisch Horst Friedrich Mayer verantwortlich ist. Mit dem Motto der Sendung „Schnell reagieren, hart, aber fair berichten“ konnte der Hauptabteilungsleiter a. D. für sich persönlich nichts anfangen, als ihm Podgorski das Vertrauen entzog — wahrscheinlich wegen eines Telefongesprächs, das Hlavac mit „Profil“-Heraus- geber Peter Rabl in Sachen CUM- Recherchen geführt hatte.

Daß „Profil“ schon länger hinter der CUM-Story her ist, wurde der FURCHE von mehreren Seiten bestätigt. So ist es nicht verwunderlich, wenn im Gespräch Hlavac—Rabl auch dieses Thema erörtert und über etwaige Materialien gesprochen wurde. Wer wem Material angeboten oder angefordert hat, ist widersprüchlich.

Hlavac bestritt im Gespräch mit Podgorski die Darstellung Rabls, er, Hlavac, habe dem „Profil- Herausgeber CUM-Materialien angeboten. Podgorski soll übrigens das Gespräch mit den Worten „Du recherchierst gegen mich wegen CUM“ eröffnet haben. Nach einem Telefonat mit Rabl, der seine eigene Version bestätigte, fiel Franz Hlavac in Ohnmacht - für Rabl ein Beweis der Unglaubwürdigkeit des Hauptabteüungsleiters.

Hier steht Aussage gegen Aussage. Rabl sagt, ihm seien CUM- Materialien von Hlavac angeboten worden, er habe diesen „aufgefordert“, sie ihm zu überlassen, weil Hlavac ja doch nichts damit anfangen könne. Hlavac sieht in dem Telefonat mit Rabl, in dem er auf die CUM-Unterlagen angesprochen worden sei, den Hauptgrund für den Vertrauensentzug des Generalintendanten. Merkwürdig an der Rabl-Darstellung ist folgender Satz: „Franz Hlavac sagte mir (Rabl) zu, in seinem Archiv nachzusehen und sich nach erfolgreicher Suche wieder zu melden.“ Wie paßt das zur Aussage, Hlavac habe bereits „Material“ angeboten?

Hlavac selbst wollte sich zu den Vorfällen um seinen Rücktritt nicht äußern. „Sie sehen ja, wie die Sache läuft, bilden Sie sich selbst ein Urteil“, meinte er in einem kurzen Gespräch mit der FURCHE. Der ehemalige Hauptabteilungsleiter, der als Redakteur der F 9 weiterarbeitet, wirkte sehr verunsichert.

Gelassenheit ist schwer, wenn’s einem an den Kragen geht. Das gilt auch für Generalintendant Podgorski. Was steckt hinter seiner vielleicht als Uberreaktion zu bezeichnenden Maßnahme im Fall Hlavac, die Aufregung bis hinein in den parlamentarischen Lucona-Untersuchungsausschuß verursachte?

Peter Pilz von den Grünen, der als erster in einer Pressekonferenz am vergangenen Freitag auf die ORF-Vorgänge reagierte und Podgorskis rasche Zeugenladung vor den Lucona-Ausschuß forderte, kritisierte gegenüber der FURCHE die „unübliche Vorgangsweise“ Podgorskis, die eine „echte Panikreaktion“ darstelle. Und diese Reaktion bringt Pilz mit Podgorskis CUM-Mitgliedschaft zusammen.

Für ÖVP-Mediensprecher Heribert Steinbauer ist das nichts anderes als „Lesen im Kaffeesud“. Die Podgorski-Hlavac- Rabl-Geschichte läßt sich für den Abgeordneten auf die einzige — vom Lucona-Thema nicht berührte — Frage zurückführen: „Wer lügt hier eigentlich?“

Podgorski weist jeden Konnex von schlechtem Gewissen in der CUM-Sache und Hlavac-Affäre weit von sich. „Civil und Militär“ - so der Generalintendant - sei ein skurriler Proksch-Verein gewesen, wie der Verein der senkrecht zu Bestattenden. „Das war eigentlich gar keine b’soffene G’schicht. Ich habe einmal vor mich laut hingedacht, daß man für ein fashionables Publikum ein Restaurant mit einem Speisenangebot aus der Kriegszeit einrichten könnte. Also einfache Speisen, dabei hätten die Leute noch abnehmen können.“ Proksch sei davon so begeistert gewesen, daß er die Idee mit der Gründung des CUM-Vereins — zur Errichtung einer Art militärischen Disneylands — weiterverfolgt habe. An den „zweifelhaften Geschäften, für die Udo Proksch CUM mißbraucht haben könnte“, habe er, Podgorski, „niemals mitgewirkt“.

Es bleibt ein schaler Geschmack in der ganzen Angelegenheit zurück. Die Optik ist wieder einmal, diesmal im ORF, der Vorgänge doch transparent machen will, total verzerrt. Welches Licht wirft die Affäre Hlavac auf die Unabhängigkeit der ORF-Berichter- statter?

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung