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Machtspiele auf Grenada

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Mit massiver sowjetischer Unterstützung ist die Zuk- kerinsel Kuba nach Brasilien und Argentinien zur drittgrößten Militärmacht Lateinamerikas aufgerückt. Kuba wiederum sorgte dafür, daß die kleine Gewürzinsel Grenad…emessen an seinen 120.000 Einwohner…ie größte Streitmacht aller Karibikinseln zwischen Jamaika und Trinidad aufbauen konnte.

Die viertausend in kubanische Uniformen gekleideten Soldaten der Revolutionsarmee und die Angehörigen der Volksmiliz ga-

ben nicht nur bei ihren Paraden zu erkennen, wo die Macht im Inselstaate angesiedelt war. Überall sah man das Konterfei des Staatschefs Maurice Bishop, jenes bärtigen Revolutionärs und ehemaligen Studenten, der mit einer Handvoll Kommilitonen und kubanischer Assistenz am 13. März 1979 das Regime des Diktators Eric Gairy zu Fal…nd Grenada vom Regen in die Trauf…ebracht hatte.

Ebenso wie Kuba und Nikaragua war Grenada reif für einen Wechsel: Hier wie dort waren Diktatoren vom Schlage Batistas und Somozas zum Ärgernis geworden. Durch Wahlfälschung, Bestechung und Schlägertrupps hatten sie sich an der Macht gehalten und ihre Länder wie einen Privatbe sitz verwaltet. Auf maßlose Selbstbereicherung und brutale Unterdrückung oppositoneller Regungen waren diese Diktaturen ausgerichtet.

Grenada war im Jahre 1974 nach vierhundertjähriger Kolonialzeit von Großbritannien unabhängig geworden. Bishops Grenada wiederum galt als ein Satellit Kubas, man sah die Insel neben Nikaragua vor allem von Washington aus als einen Stützpunkt im karibischen Castro-Dreieck.

Von der strategischen Bedeutung Grenadas erfuhr man zum erstenmal, als kubanische Truppentransporter auf dem Weg nach Angola auf dem Flughafen Pearls zwischenlandeten. Für Düsenmaschinen war die Flugpiste zu kurz. Deshalb wurde an der Südspitze Grenadas ein neuer Großflughafen gebau…in Projekt, das im Westen Unbehagen erregte.

Den Löwenanteil der finanziellen und technischen Hilfe leistete Kuba mit insgesamt 90 Millionen Dollar. 50 Millionen Dollar kamen aus arabischen Ländern wie Libyen, Irak, Algerien und Syrien. Sechs Millionen Dollar der Europäischen Gemeinschaft nahmen sich dagegen bescheiden aus.

Ursprünglich hatte sich Grenadas Regierung an den Internationalen Währungsfonds und die Europäische Gemeinschaft gewandt. Auf Betreiben Washingtons wurden Grenadas Kreditwünsche abgelehnt. Die enge Bindung an Kuba wurde als Begründung für diese Entscheidung angeführt. Tatsächlich hätte sich Fidel Castro ins Fäustchen gelacht, wenn der Westen die Rolle des Geldgebers übernommen hätte. Es steht wohl außer Frage, daß Kuba nicht sosehr an Grenadas Tourismus, sondern an einer militärischen Nachschubbasis interessiert war.

Am Bau des neuen Flughafens waren Sowjets, Kubaner, Ostdeutsche und Tschechoslowaken beteiligt. Bis Ende dieses Jahres sollte das Projekt abgeschlossen sein. Und vor allem die USA rechneten damit, daß Sowjets und Kubanern Nutzungsrechte eingeräumt würden. Das ließ in Washington schon lange die Alarmglocken schrillen. Denn im Konfliktfall hätte sich von hier aus der Schiffsverkehr zwischen Süd- und Nordamerika stören lassen. Die venezolanischen Erdölfelder liegen in der Nähe.

Außerdem entstand auf Grenada ein Marinestützpunkt.

Ostdeutsche bauten das Telefonnetz Grenadas aus, Kubaner richteten einen starken Mittelwellensender ein, die Sowjetrussen bauten eine Satelliten-Erdstation auf Grenada. In der Inselzeitung fand man Stipendienangebote Kubas, der Sowjetunion und der DDR. Im Radio waren Calypsosänger mit Preisliedern auf SWA- PO und PLO zu hören. Solidaritätsplakate betonten Grenadas Verbundenheit mit Kuba und Nikaragua. Propagandatafeln am Straßenrand ließen „Free Grenada”, „Brother Bishop” und die „Revolution vom 13. März 1979” hochleben.

Aber es fehlte auch nicht an Appellen, die zu härterer Arbeit, höherer Produktion und mehr Disziplin auf riefen. Alle Versatzstücke der kommunistischen Länder zwischen Kuba und China fand man auf der landschaftlich sehr schönen Karibikinsel wieder. Demokratie auf Grenada bedeutete Gleichschaltung, Führerkult, Allmacht des Militärs und des Politbüros.

Dennoch gab es im Sommer dieses Jahres Anzeichen für eine ge wisse Öffnung des Linksregimes von Grenada. Premier Bishop traf sich im Juni in Washington mit dem damaligen US-Sicherheits- berater Clark, woraus Beobachter ablesen wollten, daß Grenada nach einem entkrampfteren Verhältnis zu den USA strebte.

Bishops noch linkerem Stellvertreter Coard und den ebenso doktrinären Militärs unter ihrem Oberbefehlshaber General Hud- sun Austin, der gleichzeitig Grenadas Botschafter in Kuba war, paßte das aber offensichtlich überhaupt nicht: Am 19. Oktober putschten sie gegen Bishop, erschossen ihn und mehrere seiner Minister.

Hinter diesem Staatsstreich vermutete Washington wiederum die Regie Kubas, obwohl Havanna diesen Akt verurteilt hatte. Dennoch: Angesichts des befürchteten noch radikaleren Linksrucks in Grenada entschied sich die Reagan-Administration zur militärischen Invasion, unterstützt von Hilfstruppen aus sechs weiteren ostkaribischen Inselstaaten.

Gewiß, der Linkstotalitarismus feierte auch in Grenada fröhliche Urständ. Das erklärt zwar das massive Eingreifen der USA, rechtfertigt die Invasion im Stile kaltschnäuziger Imperialisten aber keineswegs. Die allgemeine internationale Kritik an ihrem Vorgehen auf Grenada jedenfalls müßte den USA zu denken geben.

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