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Madame reist

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Nixons China-Besuch hat die alten Freund-Feind-Verhältnisse unversehens über Bord geworfen. Im Fernen Osten gibt es nun einen Wettlauf im Linksüberholen. Die Philippinen, die bisher eine unabhängige Außenpolitik betrieben, nähern sich zunehmend den kommunistischen Staaten an.

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Nixons China-Besuch hat die alten Freund-Feind-Verhältnisse unversehens über Bord geworfen. Im Fernen Osten gibt es nun einen Wettlauf im Linksüberholen. Die Philippinen, die bisher eine unabhängige Außenpolitik betrieben, nähern sich zunehmend den kommunistischen Staaten an.

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Madame Imelda Remedios Visi-taciön, geborene Romualdez, 43, die attraktive Ehefrau des philippinischen Staatspräsidenten Fernando E. Marcos, fungiert seit dem 3. März 1972 als Privatbotschafterin der Geheimdiplomatie ihres Gatten und bereist mehrere eurasische Länder.

Noch bei ihrem Abflug vom Flughafen in Manila in Richtung London und Madrid verneinte ihr Gatte energisch das Gerücht, wonach sie Osteuropa und Peking besuchen wolle: „Sie geht auf keinen Fall nach Rotchina. Ihre Reise ist rein privater und gesellschaftlicher Natur. Sie wird nur das Problem der philippinischen Schüler in England untersuchen ...“

Aber am 14. März flog sie von London aus in die Sowjetunion, um dort sechs Tage lang zu bleiben. Einen Tag zuvor bestritt Marcos nochmals die Behauptung eines Journalisten der „Manila Times“, der drei Wochen lang die Volksrepublik China besuchte, daß Frau Marcos den Wunsch geäußert habe, China als Touristin zu besuchen und daß ihrer Bitte von Peking nicht entsprochen wurde. Hat sie inzwischen doch heimlich in Peking recherchiert?

Seit einigen Monaten gibt es eine Reihe von Anzeichen dafür, daß eine umfangreiche außenpolitische Um-orientierung der Filipinos im Gange ist. Zum ersten Male in der Geschichte der Republika ng Pili-pinas wurden volle diplomatische Beziehungen zu zwei kommunistischen Staaten aufgenommen: zu Rumänien und Jugoslawien. Die Gründe dafür: „Diese beiden Staaten sind politisch unabhängig, weder von Moskau noch von Peking kontrolliert ...“ (Außenminister Ro-mulo) und „Die Botschaften der beiden Länder im Ausland betreiben keine Spionage.“ (Oberbefehlshaber der Sicherheitstruppen, General Fidel Ramos.)

Narciso Reyes, der permanente Vertreter Manilas bei den Vereinten Nationen, hält seit einigen Monaten ständig Kontakte zur chinesischen UNO-Delegation aufrecht. Thema der Verhandlung ist die Möglichkeit der Entsendung eines „Non Resident

Ambassador“ der beiden Länder. Er soll bei der Botschaft in irgendeinem Land mitakkreditiert werden, mit einer Dauer von vier bis sechs Monaten. Er kann zwar verhandeln, unterscheidet sich jedoch wesentlich von einem echten Botschafter darin, daß er keine Botschaft errichten darf und seine provisorische Residenz in einem Hotel aufschlagen soll.

Schon am 2. Februar 1972 sandte Marcos seinen Schwager Kikoy Ro-mualdez, den Gouverneur der Provinz Leyte, als Sondergesandten nach Peking. Dieser „Kissinger der Philippinen“ weilte heimlich neun Tage lang in China und führte Gespräche mit Tschu En-lai und vielen hohen außenpolitischen Funktionären Pekings.

Dazu kommt, daß die vorderste Verteidigungslinie der USA bald nach Guam verlegt werden wird. Und alle fünf Staaten der ASEAN (Association of South East Asian Nations), die Philippinen, Thailand, Indonesien, Malaysia und Singapur, befinden sich zur Zeit in einem drastischen Prozeß des Kurswechsels. Besonders stark sind die Philippinen und Thailand davon betroffen, weil sie am Rande Chinas liegen und deshalb besonders empfindlich sind.

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