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Das wahre Land der unbegrenzten Möglichkeiten liegt nicht zwischen Pazifik und Atlantik, sondern an der angeblich einst so blauen Donau. In Österreich wurde die Fähigkeit, aus den verzwicktesten Situationen einen oder sogar mehrere mögliche Auswege zu finden, zur Perfektion entwickelt.

In Österreich genügt ein desolates Stadion, um eine Bewerbung für Olympische Sommerspiele ernsthaft ins Auge zu fassen.

Am aktivsten wird mancher österreichische Politiker, wenn die andere Reichshälfte ein Lieblingsprojekt von ihm ablehnt. Seit gegen das Konferenzzentrum bei der Wiener UNO-City 1,360.000

Unterschriften gesammelt wurden, sprüht der Bundeskanzler geradezu vor Ideen, was auf dieser „neuen Ringstraße” alles entstehen könnte. Zuerst wird natürlich zu bauen begonnen und dann „fair und demokratisch” das Volksbegehren dagegen behandelt.

Österreich als Land der unbegrenzten Möglichkeiten ist durch das Vorherrschen eines Politikertyps bedingt, der sich selbst immer alle Möglichkeiten offenläßt, sei es im Hinblick auf Volksbefragungen, Volksabstimmungen, Wahlen oder mögliche Koalitionen.

Dieser Politikertyp behält sich seinen Rücktritt vor, wenn er bei einer Volksabstimmung nicht zum gewünschten Erfolg kommt, macht nach Volksbefragungen in Wien genau das Gegenteil dessen, was herausgekommen ist (Konferenzzentrum), oder gar nichts (Flötzersteig-Schnellstraße in Wien).

Wien ist überhaupt das klassische Beispiel dafür, wieviel hierzulande möglich ist. Zum Beispiel, daß bei einer Volksbefragung (Steinhofgründe) die gleiche Frage zweimal — unterschiedlieh formuliert — gestellt wird. Daß Schnellverbindungen (früher Stadtbahn, jetzt U-Bahn) in Wien die Großbahnhöfe immer knapp verfehlen (Südbahnhof, Franz-Josefs-Bahnhof, demnächst Meidlinger Bahnhof) hat hierorts ja bereits Tradition.

Skandale mag es überall geben, du, glückliches Österreich, sei stolz auf das „Wie”. Der Geldbote, der nächtens mit schwarzem Koffer in die Parteizentrale schleicht, scheint in dieser Form nur hierzulande möglich zu sein, ähnlich wie die „sybillinischen” Aussagen betroffener Politiker.

Auch was die Zeit betrifft, sprengt Österreich den Rahmen der üblichen Möglichkeiten, einmal zu früh, einmal viel zu spät. Bruno Kreisky hat PLO-Chef Arafat längst vor dem Papst empfangen, dafür kam man erst nach Jahrzehnten drauf, daß Exkaiserin Zita gar nicht zur Erbfolge berechtigt ist und daher keine Verzichtserklärung unterschreiben muß.

Daß man sich ein äußerst subventionsbedürftiges „Museum moderner Kunst” von einem ausländischen Schokoladefabrikanten einrichten läßt, dürfte auch ein österreichischer Sonderfall sein. Desgleichen die Verlegung einer Fachschulabteilung für Flugtechnik durch einen lokalpatriotischen Unterrichtsminister an einen Ort in seinem Heimatbundesland, wo gerade der nächstgelegene Flugplatz aufgelassen und damit die praktische

Ausbildungsmöglichkeit für die Schüler beseitigt wird.

Und ein wahres Unikum dürfte die Tatsache sein, daß jetzt ein lautes Rufen nach dem ehemaligen Finanzminister seitens jener Kreise eingesetzt hat, die vor zwei Jahren seinen Sturz betrieben haben. Es gilt aber nur als Gerücht, daß Herr Androsch deswegen wieder an Beliebtheit gewonnen habe, weil er sich jüngst in seinem Urlaubsort als Klingelbeuteleinsammler in der Kirche betätigt hat (und dabei zwangsläufig mit bescheideneren Einnahmen denn als Finanzminister vorliebnehmen mußte).

Sonst müßte man ja erwarten, daß demnächst irgendwo Ingrid Leodolter gratis Hustenzuckerln verteilt oder etwas ähnliches tut.

Besondere Möglichkeiten (sicher nicht nur in Österreich, aber hier hat das besondere Tradition) finden auch Journalisten vor, denen Berufskollegen ein Dorn im Auge sind. Sie können in Ausübung ihres Berufs besagte Kollegen verbal über die Klinge springen lassen. Vor allem Theaterkritiker, denen das ewige Verreißen von Kulturereignissen zu fad ist, tun sich hier gerne hervor.

Ein Teil der Leserschaft genießt das, ein anderer, der von einer Zeitung Information, Kritik, aber keine Insiderquerelen erwartet, weniger. Aber alle müssen die Suppe auslöff lern. Wenn sie sich überhaupt einen Reimann darauf machen können.

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