6939363-1983_21_08.jpg
Digital In Arbeit

Maggie gibt den Ton an

19451960198020002020

Bei den britischen Unterhauswahlen am 9. Juni werden aller Voraussicht nach die Konservativen als Regierungspartei bestätigt: Ihr größter Trumpf ist eine Frau.

19451960198020002020

Bei den britischen Unterhauswahlen am 9. Juni werden aller Voraussicht nach die Konservativen als Regierungspartei bestätigt: Ihr größter Trumpf ist eine Frau.

Werbung
Werbung
Werbung

Thatchers Wahlkampfbus mit dem Tiger auf der Kühlerhaube rollt. Später als die Opponenten sind die Konservativen irt die Vorbereitung zum Urnengang eingestiegen, aus Furcht, den Pa- roxymus der Kampagne zu früh zu erreichen.

In keinem Augenblick erheben sich Zweifel, wer den Feldzug der Tories prägt: jene Frau, die den Briten das verlorene Selbstvertrauen wiedergegeben, einen Krieg gewonnen hat, die das Re-

gierungsruder autoritärer führt als ihre Vorgänger und der man auch die Fähigkeit zutraut, den wirtschaftlichen Abstieg des Landes zu revidieren. Doch dazu benötigt sie, wie sie wiederholt gesagt hat, eine zweite, möglicherweise eine dritte Regierungsperiode.

Die Vorzeichen, in der Downing Street zu verbleiben, sind so gut, daß die Wahlstrategen der Konservativen vor Überheblichkeit warnen müssen. Wenn es nach den Meinungsumfragen geht, dann haben die Tories den Sieg am 9. Juni schon in der Tasche.

Wie kein anderer Anwärter auf die Regierung in der Nachkriegsgeschichte führen die Konservativen konstant seit 14 Monaten in der Volksgunst. Wenn der Lauf der Geschichte nicht wie erwartet verläuft, dann ist es nicht die Anziehungskraft eines Foot oder eines Jenkins, sondern ein politischer Ausrutscher der Tories. Um das zu vermeiden, wacht der ge samte Mitarbeiterstab im Zentralbüro am Londoner Smith Square über Reden und Äußerungen ihrer Parteiführer.

Zudem macht es eine Veränderung der Wahlgeographie der La- bourpartei noch ^schwerer, eine Mehrheit zu erringen. Die Neubegrenzung der Wahlbezirke begünstigt die Tories, die im Süden und Westen des Landes ihre Schwerpunkte gelagert haben.

Labours Wahlstrategie ist nicht so sehr auf den Parteiführer zugespitzt. Die Konservativen schießen sich mehr auf den Schattenaußenminister Healey ein, vormals Verteidigungsminister und Schatzkanzler, das „akzeptablere Gesicht von Labour“ angesichts der Unpopularität von Parteiführer Foot. Verteidigungsminister Heseltine ist aufgeboten, um Healey den Glanz seines Rufes als exzellenter Kenner der Nuklearwaffen zu nehmen.

Healey hat allerdings eine rauhe Note in den Wahlkampf gebracht, indem er den Tories vorwirft, vom schrecklichen Anwachsen der Arbeitslosigkeit gewußt zu haben, über die Aussichten allerdings „Lügen“ verbreitet zu haben. Arbeitsminister Tebbit gibt zurück: Healey brauche Beruhigungspillen gegen Hysterie. Richtig, stimmt Healey zu, Pillen seien notwendig, um den Schlaf wiederzugeben, der ihm aufgrund der mehr als drei Millionen Arbeitslosen geraubt wird.

Arbeitslosigkeit ist das Hauptthema der beiden Oppositionsparteien bzw. Parteiverbindungen. Labour verspricht in ihrem umstrittenen Manifest, die Arbeitslosigkeit in fünf Jahren auf eine Million herabzubringen. Die Allianz aus Sozialdemokraten und Liberalen setzt sich das Ziel, in zwei Jahren eine Million in den Arbeitsprozeß zurückzuführen.

Die Arbeiterpartei will dies durch massive Staatsausgaben erreichen, durch Steueranhebungen und durch gesteigerte Anleihen. Die Absichten der Allianz liegen auf einem geringeren Niveau: neue Jobs durch Straßen- und Hausbau und verschiedene Ausbildungsprogramme für die Jungen.

Also geht die Inflation wieder haushoch hinauf? Labour nimmt einen Anstieg in Kauf, hofft allerdings mit den Gewerkschaften ins Reine zu kommen, ein Vorhaben, das bisher noch nie gelungen ist. Die Allianz richtet sich auf eine Art Sozialkontrakt ein und will Firmen bestrafen, die höhere Löhne zahlen, als sich der Staat leisten kann.

Für die Tories ist Arbeitslosigkeit der wunde Punkt, und sie vermeiden es, bessere Zeiten für die Beschäftigungslosen vorauszusagen. Thatcher weigert sich ausdrücklich, die Lehren einer Partei anzunehmen, unter deren Regierungsverantwortung der Arbeitsmarkt jeweils gedrückter wurde. Das Programm der Konservativen erstrebt eine gesunde Wirtschaft, die „echte“ Berufsstellen schafft, nicht künstliche, durch Ausschütten des Füllhorns der öffentlichen Hand.

Die Konservativen lenken ihre Stoßrichtung nach außen: Bekenntnis zur Europäischen Gemeinschaft und starke Verteidigung unter Einschluß der unabhängigen Nuklearwaffe. Nicht von ungefähr sorgen die Tories selbst für die Verbreitung des La- bourmanifestes, das in seinem ausgesprochenen Linksdrall der Arbeiterpartei nicht sonderlich viele Vorschußlorbeeren einbringt.

Healey und Co. auf der rechten Parteiseite müssen zu spitzfindiger Rhetorik Zuflucht nehmen, um ein Programm zu vertreten, das ihnen innerlich zuwiderläuft. Auszug aus der EG, ein unilaterales Verteidigungsprogramm, das den Friedensbewegungen auf der ~ Insel zu Gesicht steht, und Abschottung der Wirtschaftsgrenzen durch protektionistische Maßnahmen. Rückverstaatlichung aller Bereiche, die von den Tories in private Hände überantwortet worden sind.

Die Allianz schlägt in der Verteidigungspolitik einen Mittelweg ein: nicht das von den Konservativen in Aussicht gestellte Trident-System, sondern die noch eingesetzte Polaris, Schwerpunkt auf konventionellen Waffen, Plan eines nuklearfreien Gürtels am Eisernen Vorhang.

Was immer die Mittelallianz vorbringt, der Widerhall aus dem

Publikum bleibt vorderhand noch aus. Das erstaunt angesichts einer politischen Verbindung, die unter dem Anspruch, die Gestalt der politischen Szenerie umzuformen, ins Leben getreten ist. Die Allianz besitzt attraktive Führer, die Unstimmigkeiten über Sitzverteilung sind aus der Welt geschafft.

Doch es scheint so, daß sich die Briten wieder an ihre alte Partei- Loyalität erinnern. SDP und Liberale fuhren so lange gut, als die beiden großen Parteien am Boden lagen. Inzwischen tat der „Falklandfaktor“ für die Tories seine Wirkung, die wirtschaftlichen Erfolge in der Bekämpfung der Inflation stellten sich ein. Labour hat den inneren (Schein)-Frieden erreicht und mehr oder weniger glaubwürdig versprochen, dem Land die schwerste Bürde, die Arbeitslosigkeit, abzunehmen. Nicht Labour, sondern die Allianz sei die Alternative zu Thatcher, behauptete der Spitzenkandidat Roy Jenkins, wirksamer als die Arbeiterpartei, den Konservativen die absolute Mehrheit abzujagen.

Am 9. Juni knapp vor Mitternacht wird man wissen, ob diese Rechnung aufgegangen ist.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung