7061509-1991_38_17.jpg
Digital In Arbeit

Malerei als Verweigerung

Werbung
Werbung
Werbung

Die Malerei von Arnold Schönberg ist ein Rätsel geblieben. Von Wassily Kandinsky und Albert Paris Gütersloh hochgeschätzt und zahlreichen Zeitgenossen als dilettantisch empfunden, setzt früh jene Ambivalenz der Rezeption ein, die auf seine Musik ebenso zutrifft wie auf die Malerei.

Vielleicht ist diese Ambivalenz auch in der Persönlichkeit Schönbergs begründet. Der Komponist und Musiker Otto M. Zykan bemerkte zu seiner Einspielung „Das gesamte Klavierwerk" auf Platte: „Dem Charakter Schönbergs wohnte, möglicherweise durch Veranlagung oder durch die Zeit, in der er lebte, bedingt, eine Ambivalenz von so hohem Grad inne, daß sie, da sie sich selbstverständlich auch in seinem Werk manifestiert, auch für die Interpretation dieser seiner Werke relevant ist."

Schon der Text von Karl Linke, der die erste Ausstellung von Schönbergs Bildern begleitete (Linke war einer seiner Schüler während der Jahre 1909 bis 1912), wohnt jene kompromißlose Haltung inne, die Gegner und Befürworter dieses umstrittenen Wegweisers der Musik des 20. Jahrhunderts auszeichnet: „Das Auge setzt die Seele nach außen und die Dinge der Welt verschwinden. Die Welt ist der nach außen gekehrte Innenmensch... Über seinen Menschen kann niemand hinaus. Weil außer ihm nichts mehr ist."

Unangepaßte Bilder

Umstritten zu sein ist bekanntlich kein Grund für mangelnde Rezeption. Auch die dem Werk innewohnende Ambivalenz sollte nicht weiter hinderlich sein, die Beschäftigung zuzulassen. Nein, der Komponist Arnold Schönberg hat selbst von Anbeginn zu verhindern gewußt, daß der Maler Schönberg ernst genommen werden konnte.

Am 7. März 1910 schrieb er an seinen Verleger Emil Hertzka, den Direktor der Wiener Universal-Edi-tion, angesichts der miserablen finanziellen Situation: „Sie wissen, daß ich male. AberSie wissen nicht, daß meine Arbeiten von Sachveständigen sehr gelobt werden. Ich soll auch nächstes Jahr ausstellen. Und da denke ich, vielleicht könnten Sie bekannte Mäzene veranlassen, mir Bilder abzukaufen, oder sich von mir malen zu lassen. Ich möchte Sie unentgeltlich malen, wenn Sie mir zusichern, daß Sie mir dann Aufträge verschaffen. Nur dürfen Sie den Leuten nicht sagen, daß ihnen meine Bilder gefallen werden, sondern Sie müssen ihnen begreiflich machen, daß ihnen meine Bilder gefallen müssen, weil sie von Fachautoritäten gelobt wurden; und vor allem aber, daß es doch... interessanter ist, von einem Musiker meines Rufes gemalt zu werden oder ein Bild zu besitzen, als von irgend einem Kunsthandwerker, dessen Namen in 20 Jahren kein Mensch mehr kennt, während meiner schon heute der Musikgeschichte angehört...".

Unschwer läßt sich annehmen, daß Mäzene von einem Diktat, was sie besitzen „müßten", nichts hielten. Gewissermaßen als Bestätigung, wenn auch ganz anders gemeint, liest sich der Brief von Kandinsky: „Nun, gerade in Ihren Bildern spüre ich gerade das Reale so besonders stark. Diese Realistik ist natürlich der schon über-standenen in keiner Weise gleich. Und innerlich entgegengesetzt...".

Das Kriterium von Schönbergs Bildern ist ihre Unangepaßtheit. Das bedeutet: Sie sind stilistisch letztlich nicht ableitbar und Ausdruck der Isoliertheit des Künstlers, weiters sind sie in ihrer Erscheinungsweise voneinander unabhängig, jedes unterscheidet sich derartig von den anderen, daß es schwierig wird, Verbindendes zu erkennen.

Außerdem verzichtet Schönberg in ihnen auf Umraum und Zusammenhang. Die kunstgeschichtliche Forschung hat, wie Thomas Zaunschirm im Katalog zu Recht feststellt, sich in ihrem entwicklungsgeschichtlichen Interesse so sehr auf jene Leistungen beschränkt, in welchen die klassische Konvention der Raumperspektive verlassen wurde (etwa im Kubismus und in der Abstraktion), so daß sie in Schönbergs Bildern eher gewisse Unsicherheiten feststellte, anstatt in den Mängeln oder Unbeholfenheiten eine Verweigerung zu sehen.

Auf Freuds Spuren

„Ich habe niemals .Gesichter' gesehen, sondern, da ich den Menschen ins Auge gesehen habe, nur ihre Blik-ke... Ein Maler aber erfaßt mit seinem Blick den ganzen Menschen -ich nur seine Seele", charakterisierte Schönberg seine Malerei. Er war also auf der Suche nach der größtmöglichen Ausdrucksform, mehr von den Erkenntnissen Sigmund Freuds beeindruckt als von anderen Malem. Schönberg war in diesem Medium ebenso Autodidakt wie in der Musik.

Als weiteren Grund für seine mangelnde Akzeptanz beim Publikum kann die mangelnde Ausstellungstätigkeit gesehen werden. Nach einer Einzelausstellung in Wien im Jahr 1910 und der Teilnahme an der Ausstellung „Der Blaue Reiter" in München 1912 lehnte er jede weitere Präsentation seiner Bilder ab. Die Beschäftigung mit der bildenden Kunst blieb jedoch sein ganzes Leben integraler Bestandteil seiner Kunst, die er als „Notschrei jener, die an sich das Schicksal der Menschheit erleben", definiert hatte.

An die 300 Werke werden im Museum des 20. Jahrhunderts gezeigt. Man kann von der Voraussetzung ausgehen: Unberührt läßt Schönbergs Kunst nicht. (Bis 17. November)

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung