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Mallorca lockt

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che Reise. Man „reist” zwar auch zu einer Arbeitskonferenz nach Rio de Janeiro oder New York - zu einer wirklichen Reise wird dieser Flug aber erst dann, wenn man sich einige Tage Zeit nimmt, um die Stadt und ihre Menschen näher kennenzulernen.

Die alte Weisheit, daß Reisen bilden, gilt auch für Urlaubsreisen, nicht aber für Reisen in den Urlaub. In diesem Fall ist man kein Reisender, sondern nur ein Durchreisender.

Man kommt dann irgendwohin, ob in das nahegewordene Mallorca oder ins ferne Thailand, man richtet sich heimisch im Hotel, im Camp oder gar im abgezäunten Club ein, und bleibt die ganze Zeit da.

Bis auf klimatische Unterschiede merkt man gar nicht, in welchem Land oder in welchem Erdteil man ist. Von der Landschaft sieht man im besten Fall die paar Striche, die in der Reichweite eines kleinen Ausflugs liegen.

Von der einheimischen Bevölkerung lernt man die Kellner kennen, eventuell auch einige Barbesucher, die sich um Völkerverständigung mit vereinsamten Touristinnen bemühen, beziehungsweise eingeborene Mädchen, die das Geld der Touristen lieben.

Die Kultur des Landes präsentiert sich den Urlaubern durch ein paar Unterhaltungskünstler dritter bis sechster Garnitur, die im Hotel, Camp oder naheliegenden Nachtclub dargeboten werden, dann noch durch die nicht immer ganz verfälschte und ins Mitteleuropäische übersetzte Landesküche.

Um solcher Bildung willen brauchte man nicht so weit zu reisen, man kann sie biUiger — und wohl auch gründlicher — erwerben: im Fernsehen und in dem spanischen Restaurant um die Ek-ke.

Die meisten Menschen fahren natürlich nicht in den Urlaub, um sich zu bilden, sondern weil sie beim Nichtstun oder bei Freizeitbeschäftigungen nach ihrem Geschmack ausspannen und den Alltag vergessen wollen. Das ist auch absolut in Ordnung — nur sollen sie dann nicht erzählen, daß sie auf Reisen waren!

Was die Fahrten in den Urlaub wirklich mit Reisen verbindet, ist, daß sich in beiden Fällen der alte Spruch von Matthias Claudius bestätigt: „Wenn einer eine Reise tut, so kann er was erzählen.”

Auch ein Durchreisender sammelt Erfahrungen. Er kann erzählen, welche Tricks man sich einfallen lassen muß, um auf dem Flughafen sein Gepäck zu finden; in welchem Zug und wie man sich absichern muß, um nicht bestoh-len zu werden; wo es auf der Autobahn etwas billigeres Benzin oder Radarkontrollen gibt; und wo man essen kann, ohne sich den Magen und den ganzen Urlaub zu verderben.

Urlaub kann man überall machen. Bildlich gesehen ist er immer ein Weg. Es geht allerdings nicht um das „Wohin”, sondern um das „Woher” — weg von den Alltagssorgen, von der Arbeit, von den Menschen, mit denen man immer zusammen ist. .

Die Fahrt macht den Urlaub nicht schöner, im Gegenteil. Wenn man mit dem Wagen fährt, muß man auf ihn aufpassen, man hat Probleme mit Tankstellen, Garagen und Werkstätten. Bei anderen Verkehrsmitteln hat man wiederum andere Probleme. Egal, womit man fährt, man kommt im Urlaubsort und, was schlimmer ist, dann auch zu Hause müde, abgespannt und nervös an.

Man kann aber auch seinen Urlaub für wirkliche Reisen nutzen, bei denen es um tieferes Kennenlernen von fremden Ländern und Städten, ihrer Menschen, ihrer Landschaften und ihrer Kultur geht. Dies ist allerdings keine Erholung im engsten Sinn des Wortes, sondern eine anstrengende Arbeit.

Die Urlauber machen also keine wirklichen Reisen, die Reisetouristen keinen wirklichen Urlaub. Beides kann Spaß machen. Man soll es aber nicht verwechseln.

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