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Manager: neue Konzepte

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Manager gelten als Technokraten. Man traut ihnen zwar erfolgreiche Problemlösungen in abgesteckten betrieblichen Aufgaben zu, Phantasie und menschengerechte Zukunftsgestaltung aber wird von ihnen nicht erwartet.

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Manager gelten als Technokraten. Man traut ihnen zwar erfolgreiche Problemlösungen in abgesteckten betrieblichen Aufgaben zu, Phantasie und menschengerechte Zukunftsgestaltung aber wird von ihnen nicht erwartet.

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Traditionellerweise wird es den Interessenvertretungen zugeschrieben, wenn sich irgendwo im Betrieb oder bei den sozialen Verhältnissen etwas ändert. Reformerisches Denken, wenn es einmal aus den Unternehmen selbst kommt, gilt hingegen als exotisch.

Dennoch ist für die Bewältigung der Zukunft entscheidend, daß Anstöße dazu auch von den praktischen Gestaltern der Gegenwart kommen - also beispielsweise von den Managern. Die im Management-Club des Wirtschaftsbundes versammelten Führungskräfte haben nun den Versuch unternommen, sich mit dem kommenden Jahrzehnt auseinanderzusetzen.

Das Ergebnis: ein 500 Seiten starkes „Österreich-Modell” mit den zusammengefaßten Meinungen von knapp 250 Managern, ergänzt durch Beiträge von Experten.

Schon in der Entstehungsweise ist man neue Wege gegangen. Ein Jahr hindurch wurde ein aus Diskussionsrunden und schriftlichen Befragungsphasen bestehender Nachdenkprozeß in Gang gehalten, der sich von der gesellschaftlichen Entwicklung über wirtschaftliche Probleme, Soziales, Umwelt und Energie bis zu Bildung, Kultur und zur Frage nach der künftigen Rolle der Führungskräfte hin erstreckte. Dieser schrittweise Vorgang nach der Delphi-Methode bietet den Vorteil, daß unter einer großen Anzahl von Teilnehmern echte Meinungsbildung möglich wird, da die Ergebnisse der jeweils letzten Runde in die darauffolgende Phase eingehen.

Ein Appell durchzieht bekenntnishaft den ganzen Band: der Ruf nach Förderung von Individualität und persönlichen Werthaltungen. „Orientierungslosigkeit und das Fehlen eines übergeordneten Wertsystems” werden als Ursachen für mögliche Fehlentwicklungen der Gesellschaft genannt. Überraschend deutlich geht es also um „Werte jenseits des Konsumdenkens”.

Nur auf den ersten Blick erscheint paradox, daß gleichzeitig mehr Mobilität und weniger Freiheit erwartet wird: Der Abbau von Bindungen an (religiöse) Werte fördert die Abhängigkeit von Institutionen und modernistischen Ersatzreligionen.

Eine Zunahme der Abhängigkeit des Bürgers wird auch vom weiteren Vordringen bürokratischer Tendenzen befürchtet. Bürgemähe der Politik steht daher auf der Wunschliste der Führungskräfte ganz oben, ebenso die Beteiligung der Bürger an öffentlichen Planungsprozessen und eine Stärkung der dezentralen politischen Entscheidungsgremien. Das auch im letzten Wahlkampf kurze Zeit hindurch deutlich gewordene Bedürfnis nach neuen Formen der Kontrolle und einer Erneuerung der Gewaltenteilung drückt sich in der Forderung nach einer Totalrevision der Bundesverfassung aus.

Den Sozialpartnern schließlich setzen die Führungskräfte mit Nachdruck den Programmpunkt „Inner- verbandliche Demokratie” vor das nächste Jahrzehnt. Uber die Erreichbarkeit all dieser Richtungsänderungen machen sich die Autoren des „Österreich-Modells” allerdings keine Illusionen: Das Eintreffen der unerwünschten Entwicklungen wird als wahrscheinlicher eingestuft als die Verwirklichung der im Modell vorgeschlagenen Lösungen.

Im Beeich der Sozialpolitik rechnen die Manager bis 1990 zwar mit einer weiteren Verkürzung der Arbeitszeit. Statt einer Verminderung der Wochenarbeitszeit werden aber Formen des flexiblen Übergangs in den Ruhestand gefordert.

Derartige Regelungen müßten aber betriebsindividuell in einem vom jeweiligen Kollektivvertrag abgesteckten Rahmen erfolgen. Überhaupt will man Arbeitszeitregelungen nicht mehr per Gesetz neu ordnen, sondern durch die Kollektivvertragspartner aushandeln lassen, um Unterschiede in Branchen zu berücksichtigen.

Nicht nur der Sozialen Verwaltung ins Stammbuch geschrieben ist der dringende Wunsch nach Anwendung von Management-Methoden auch im öffentlichen Sektor: Leistungs- und Erfolgskontrollen, Anwendung der Kosten-Nutzen-Rechnung, Abschaffung von Sozialleistungen, die ihren ursprünglichen Sinn verloren haben.

Neue Ansätze liegen in der Verlagerung sozialer Hilfeleistung auf kleinere Gruppen und in der stärkeren Berücksichtigung der am Einzelnen orientierten Förderung an Stelle des teuren Gießkannenprinzips.

Innerbetrieblich steht die Humanisierung der Arbeitswelt weit vor anderen Zielen. Hier scheinen die Manager ein echtes Defizit geortet zu haben, das in den offiziellen Aussendungen von Interessenvertretungen viel zu selten beim Namen genannt wird. Die österreichischen Führungskräfte wären offensichtlich bereit, die Entfremdung am Arbeitsplatz aufheben zu helfen, „die Arbeitsorganisation an den Menschen anzupassen, und nicht umgekehrt”.

Reformerisch (verankert im Grundsatz der Selbstverantwortung und Subsidiarität) sind auch die Vorschläge zur Wirtschaftspolitik. Gefordert wird nicht eine undifferenzierte Trendumkehr weg von staatlichen Einflüssen, sondern die Suche nach neuen Problemlösungen - zweifellos ein sinnvollerer Weg als der sonst übliche Widerspruch zwischen dem Ruf nach einer Marktwirtschaft ohne Staat und einem bis zur Selbst- korrumpierung neigenden Sicher- heits- und Subventionsbedürfnis vieler Unternehmen.

Konkret: Eine an generellen Förderungskriterien wie Forschungsaufwand, Exportquote oder Umstellung auf neue Produkte ausgerichtete Strukturpolitik an Stelle der teuren Stützung „synthetischer” Großbetriebe; Konzentration der staatlichen Hilfen auf Innovations- und Forschungsforderung statt undifferenzierter Kreditstützungen.

Der Staat soll demnach durchaus für die Strukturpolitik verantwortlich zeichnen und Rahmenbedingungen schaffen, ohne den Ablauf des Wirtschaftsgeschehens innerhalb dieses Rahmens zu beeinflussen. An den anfangs der siebziger Jahre aufgetauchten und seither wieder vernachlässigten Entwurf einer „Qualitativen Sozialen Marktwirtschaft” erinnert das Österreich-Modell nicht nur in diesem Punkt.

Der Management-Club hat mit diesem programmatischen Anlauf in Richtung achtziger Jahre gezeigt, daß viele Führungskräfte bereit sind, neue Wege zum gesellschaftlichen Fortschritt mitzugehen. Es sollten nun Möglichkeiten gefunden werden, das so geweckte geistige Potential des Managements auch künftig stärker für die (gesellschafts-)politi- sche Willensbildung zu nutzen.

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