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„Manchmal packt mich das Gewissen"

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Die mehr als 80 Lebensjahre sieht man ihm, wenn er sich um eine geschliffene, nicht selten pointierte Antwort bemüht, plötzlich nicht mehr an: Prof. Rudolf Henz, Mann der allerersten Fernsehstunde in Österreich, erinnert sich an die Anfänge, an den Anfang -am 31. Juli 1955. Und macht sich auch Gedanken über die Gegenwart.

„Es war eigentlich eher geplant, daß die andere Seite das Fernsehen bekommt" - doch Rudolf Henz, Programmdirektor des Hörfunks und nach eigenen Angaben in jenen Jahren der „Mann der ÖVP", gelang ein „Handstreich, den keiner für möglich gehalten hatte".

Denn eigentlich wollte man ja noch zwei, drei Jahre herumprobieren - aber da sind dann plötzlich die Ausländer an die Österreicher herangetreten und wollten eine Übertragung von der Wiedereröffnung der Staatsoper.

„Könnt's ihr des? habens uns gefragt. Natürlich, probieren wir's halt, hab' ich geantwortet. Weil nur Üben, so von Zimmer zu Zimmer, das bringt ja auf Dauer nix für uns."

Das Wagnis gelang: Mit einigen Pannen zwar (etwa weil am Premierentag für eine dreiviertel Stunde das Bild ausblieb), aber immerhin.

übrigens: Die Opernübertragung in das benachbarte Ausland kam trotzdem nicht zustande. Weil die internationale Bühnengewerkschaft keine Zustimmung gegeben hatte ...

Politik spielte also auch schon in den Anfangsphasen mit: Allerdings, so erinnert sich Henz heute, weniger in inhaltlichen als in finanziellen Belangen.

Denn mit der Aufnahme eines regelmäßigen Fernsehbetriebes (auch wenn er anfänglich nur zwei, drei Tage in der Woche und jeweils nur für wenige Stunden aufrechterhalten wurde), mit dem Ankauf und der Produktion von (meist Kultur-)Filmen und der aktuellen Berichterstattung („1956, beim Ungarnaufstand und der Russeninvasion, ist der Raab zu mir gekommen und hat g'sagt, wir sollen doch endlich aufhören mit dieser Art der Berichterstattung, das kann uns nur Schwierigkeiten bringen") war mit der damaligen Rundfunkgebühr von sieben Schilling natürlich nicht mehr das Auslangen zu finden.

Erinnert sich Prof. Henz heute: „Der Minister Waldbrunner wollte gegen den Widerstand seiner SPÖ-Kollegen einen höheren Beitrag erreichen, da hat die ÖVP gesagt, nein, der kriegt von uns kein Geld - und wie die ÖVP nach den Wahlen das Fernsehen gehabt hat, hat halt dann die SPÖ genörgelt, denen geben wir schon gar kein Geld ..."

Allerdings dürften diese Probleme bereinigt worden - und andere aufgetaucht sein: „Manchmal packt mich das Gewissen, daß ma damit ang'fangen haben - aber man konnte eben schon damals an solchen Dingen nicht vorbeigehen".

Obwohl: „Ich hab' immer darauf geschaut, daß den Leuten Tage geblieben

sind, an denen sie miteinander plaudern, tanzen, ins Theater gehen konnten."

Und weiter: „Ich glaub' ateo, daß das eine Gefahr ist, das Kabelfernsehen, weil es einen solchen Informationsüberfluß bringt, eine Uberschüttung mit dem Erfolg, daß die Leute heut' schon überhaupt nichts mehr interessiert, Afghanistan, Indien, was immer Sie hernehmen."

Und konkrete Kritik auch gegen das Verlegerfernsehen: „Wenn's rein kommerziell wird", befürchtet der Fernsehpionier, „besteht schon die Gefahr, daß es um eine Stufe hinunterrutscht... und für wissenschaftliche, kulturelle Dinge, glaube ich, wird da kein Geld bleiben. Ich trau' den Österreichern, ehrlich gesagt, nicht zu, daß in einem' kommerziellen Programm viel Platz für Kultur bleiben wird ..."

Apropos Kultur: Würde ein Rudolf Henz heute nochmals Programm-Macher, Intendant werden, er würde sich dafür einsetzen, mehr Kultur im Programmschema unterzubringen -„schon aus unserer kulturellen Verpflichtung heraus".

Und er würde danach streben, daß Verantwortung wieder einen größeren Stellenwert erhält: „Ich glaube, die wird heute sehr weitgehend kleingeschrieben."

Schließlich würde ein Programmdirektor Henz anno 1980 auch den religiösen Sendungen ihre Berechtigung uneingeschränkt zuerkennen, weil das „einfach keine Belangsendungen, sondern ein wesentlicher Teil unserer Kultur sind".

Was man allerdings aus der verfügbaren Sendezeit macht, stünde auf einem anderen Blatt Papier: Langweilig dürfe es freilich nicht werden ...

Wie dem Privatmann Henz das heutige Fernsehangebot, das er „für viele fast schon eine Droge" nennt, gefällt?

„Ich seh' sehr wenig, ich bin ein alter Mann, da muß mich schon etwas sehr interessieren." Und über seinen Eindruck vom Klima in und um den ORF: „I will gar net hinschauen, i will mei Nasen gar net mehr in des Klima hineinstecken."

Eine resignierende Nachrede für das eigene (Medien)Kind ...

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