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Mangel an allem

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Monica Wanjiru, 53, gehört dank staatlicher Unterstützung zu den wenigen, die es geschafft haben: sie wohnt in ihrem eigenen, kleinen Haus in Kenia. Jahrzehntelang war sie wie rund 72 Millionen Menschen im städtischen Bereich Afrikas eine Obdachlose und lebte mit ihren acht Kindern zumeist in Pappkartons.

Durch die zunehmende Abwanderung der Landbevölkerung in die Städte, den dort herrschenden Mangel an Arbeitsplätzen für Hilfsarbeiter und die hohen Woh-

nungspreise bilden sich rund um die Ballungszentren in den Entwicklungsländern ständig größere Slums. Hunger, Seuchengefahr und hohe Kindersterblichkeit sind die Folgen.

In manchen Ländern Afrikas unternimmt die Regierung heute noch „Säuberungsaktionen“, in denen die Bewohner aus den Elendsvierteln vertrieben und ihre Siedlungen zerstört werden. Dem Übel der Obdachlosigkeit ist jedoch nicht durch kosmetische Korrektur beizukommen: Eine Zusammenarbeit gemeindeeigener, nationaler und überstaatlicher Organisationen ist nötig, um Land und Mittel für den Hausbau zur Verfügung zu stellen. Um weitere Abwanderung aus dem ländlichen Bereich zu verhindern, muß die Infrastruktur und Lebensqualität gerade dort verbessert werden.

Im indischen Dorf Guddalore gab es keine Straßen, keine Sanitäranlagen, keine festen Häuser. Heute pumpen Windmühlen das Wasser in Vorratstanks, Methangas wird aus den menschlichen Exkrementen gewonnen und zur Energieversorgung verwendet, und 192 Häuser mit Wassertoüette stehen den Einwohnern zur Verfügung.

Alles zusammen, inklusive der Begrünung, kostet pro Einwohner etwa 77 US-Dollar, von denen der

Staat für lediglich 35 bis 40 Prozent aufkommen muß.

Bis Ende 1985 konnten in Indien in ähnlichen Projekten 70.000 Häuser fertiggestellt werden. Ein Tropfen auf den heißen Stein, weil Indien mehr als 24 Millionen Wohneinheiten benötigt und lediglich ein Prozent der Landbevölkerung in den Genuß von adäquaten Sanitäranlagen kommt.

Die ärmste, Schicht bildet das größte Problem, weil für sie selbst die geringen Erhaltungskosten zu hoch sind. Am besten funktioniert die Aufbautätigkeit, wenn bereits kleinere Organisationseinheiten, vor allem Nachbarschaftshilfe, vorhanden sind. Besonders wichtig ist die Verwendung von bodenständigen Materialien wie Holz, Ziegel und Lehm, die man leichter beschaffen kann und die nicht so hohe Kosten verursachen wie Beton und Zement.

Grundstückspekulationen und Landakkumulationen treiben die Preise in die Höhe und erschweren den Hausbau, weil man bereits Land besitzen muß, um darauf etwas errichten zu können. Dem schafft man jedoch vielfach durch staatliche Landzuweisung Abhilfe.

Verstädterung ist ein wichtiger Faktor für Produktion und Wirtschaftswachstum, solange die Zu-wanderer in den Städteverband integriert werden. In Zukunft müssen die, Städteverwaltungen eine steigende Zuzugsrate mit in die Planung einbeziehen und auf die Erhaltung von den bereits vorhandenen Wohnmöglichkeiten besonderes Augenmerk legen. Dazu ist als Grundbedingung natürlich Arbeit nötig.

In Orange Bay, Jamaica, gelang es, durch Kredite die Urbarmachung des Landes und den Bau von festen Häusern zu ermöglichen. Durch die intensive Zusammenarbeit und Solidarität der Dorfbewohner erreichte man den Bau einer Schule, und seither gibt es wenigstens bescheidene Einkünfte aus der eigenen Landwirtschaft. Auch religiöse und soziale Gruppen formierten sich. Eines der wenigen Beispiele, das zeigt, daß Obdachlosigkeit kein un-überwindbares Problem ist.

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