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Mao via Energie

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Die Hoffnung ist zwiespältig und mit Anigst vermischt. Die Erdölarmen stöhnen unter dem Preisdiktat ihrer OPEC-Brüder in der Dritten Welt. Da zeigen sich die ersten Anzeichen einer Alternative. Erdöl aus China fließt bereits in die kommunistischen Staaten Vietnam und Nordkorea, aber auch in die ASEAN-Staaten Thailand und die Philippinen und vor allem nach Japan. Lebensretrtende Erdölinfusionen aus China liegen in gecharterten Schiffen im Bangladesh-Hafen von Chittagong. Über größere Lieferungen wird mit Sri-Lanka verhandelt.

Doch China und Chinas Erdöl sind nicht nur der UdSSR und deren Konkurrenten,, sondern auch den Hierarchien in den anderen Ländern der Dritten Welt verdächtig. Aber die Lockung des chinesischen Erdöls wird stärker als die Angst vor dem chinesischen Beispiel. In diesem Jahr hat China eine Produktion von 80 Millionen Tonnen erreicht. Mit diesen 80 Millionen Tonnen Jahresproduktion hat China sich in die Reihe der zehn größten Erdölproduzenten der Welt geschoben. Milt einemi Jahreswachstum von 24 Prozent steht China mit zwei weiteren Staaten an der Spitze der Produktionserweiterung. 1965 stagnierte die chinesische Förderung noch zwei Jahre lang, und es konnten nicht mehr als jährlich acht Millionen Tonnen gefördert werden. 1970 kam dann der große Sprung: 20 Millionen Tonnen. 1973 waren es 50 Millionen.

Zum Unterschied von den Sowjets übertreiben die Chinesen selten und unterspielen meistens. Die Basis für die hier genannten Zahlen kommt aus chinesischen Quellen — sie ist vom Westen untersucht und nach allen Seiten gewendet worden. Die führenden Untersuchungsinstitute in den USA befassen sich damit. Die asiatischen Staaten, sowohl jene, die auf das chinesische öl hoffen, als auch die anderen, die sich. davor fürchten, isetzen ebenfalls alle Mittel der Nachrichtenbeschaffung ein. Eifrig wird Material verglichen und ausgetauscht. Chinas Erdöl ist heute das Thema Nummer eins im asiatischen und im USA-Untergrundlabyrinth.

Westliche Erdölexperten prophezeien für 1980 eine chinesische Erdölproduktion von 190 bis 200 Millionen Tonnen. Japaner, die einen Teil des chinesischen Erdöls durch ihre Raffinerien laufen lassen, sind weniger vorsichtig und rechnen mit 400 bis 440 Millionen Tonnen im Jahr 1985. Chinas Investitionen bestätigen die Erwartungen. Um rund 1500 Millionen Dollar liegen Bohrgeräte und Raffineriemaschinen bereits in China. Die Geräte kommen aus Frankreich, aus Japan, den USA und aus Rumänien.

Der große Abzugsposten ist natürlich der Eigenbedarf eines 1000-Mil-lionen-Volkes. Die vorsichtige, ihrem Land angemessene Planung der Chinesen: seit jeher hatte und noch immer hat Kohle die Priorität in der Energieplanung. Nach dem ersten Fünfjahresplan, das war 1958 und es gab noch das sowjetische Erdöl, hatte Kohle mehr als 50 Prozent Anteil an der Energieproduktion und der Energieplanung. Das blieb so bis zum großen Sprung, bis 1970. Das Trauma der öllosigkeit führte zur Treue, die man dem Lebensretter Kohle hielt.

Dann stieg — kontrolliert — der Anteil des Öls. Doch die chinesische Erdölraffinerie produziert erst 51 Millionen Tonnen, und der Eigenbedarf wird grundsätzlich kleiner gehalten, als die Eigenproduktion an raffinierter Ware. So bleiben heute mehr als 30 Millionen Tonnen für den Export. 1980 wird der Export weit über 60 Millionen Tonnen liegen. 1985 wird er 20 Prozent des Bedarfs von Japan decken und dem Problem Energie in Asien eine neue, vielleicht eine chinesische Facette geben.

Die Richtung und die Preise der Exporte verraten schon die Tendenz der ölpolitik. Die Preisregulierung mit Vietnam und Nordkorea- ist natürlich ganz geheim. Die Japaner zahlen mehr als den OPEC-Preis, doch weniger als für ihren indonesischen Ölimport. Sie brauchen die Quellen, sie wollen die Quelle gegen alle militärischen und wirtschaftlichen Krisen festigen. Das chinesische Erdöl ist das Bezugsobjekt für ihre China- und für ihre Sowjetpolitik. Weit unter dem OPEC-Preis liegt das chinesische Erdöl für die ASEAN-Länder, für die Staaten am Südchinesischen Meer, die Pekings Vorfeld bilden. Die chinesische Spezialität, Zinsenfreiheit oder Formalzinsen für befreundete Entwicklungsstaaten, spielt sicher auch eine große Rolle. In Bangladesh wollte China zur Stelle sein, als Hilfe gebraucht wurde — in Sri-Lanka will China eine Marinebasis.

Der psychologische Boden der Dritten Welt ist für die OPEC-Staaten und für die UdSSR besser bestellt als für China. Die OPEC-Preise zerstören zwar die Wirtschaft der Paupers, doch sie gefährden kaum deren gar nicht pauperisierte neue Eliten. Die sowjetische Militär-und Wirtschaftsmacht bedroht zwar die Unabhängigkeit und die Souveränität der jungen Staaten, nicht aber deren neue Hierarchie in Politik, Heer und Bürokratie. China aber, noch immer antihierarchisch, unberechenbar, ist seit der Kulturrevolution in dieser Dritten Welt der neuen Herrschaftsstrukturen und der machthungrigen Herrschaftsschichten der Außenseiter, der Aufrührer — wenn auch nur als Beispiel. Um in der Dritten Welt akzeptiert zu werden, muß China das Odium der Kulturrevolution verlieren und Mao darf es nicht mehr geben.

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