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Maos Joch abgeschüttelt

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Als am 1. September in Peking der 12. Parteikongreß der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) begann, erwartete die ganze Welt eine grundlegende Änderung der Führungsspitze des Riesenreiches. Nach sechs Jahren des Ubergangs von den Wirren der Kulturrevolution und der späten Mao-Ära zur pragmatischen Politik des Deng Xiaoping und seiner Leute sollte dieser Kongreß den Weg für die restlichen Jahre dieses Jahrhunderts weisen.

In seiner Eröffnungsrede legte Deng die drei Hauptziele der Volksrepublik für den Rest dieses Jahrhunderts dar: wirtschaftliche Modernisierung, Wiedervereinigung mit Taiwan und den Kampf gegen den „Hegemonismus”, ein Wort, das nach den letzten diplomatischen Schwierigkeiten zwischen China und den USA nicht mehr ausschließlich für die Politik der Sowjetunion verwendet wird.

Nach Deng lieferte der energische Hu Yaobang, einer der beiden Hauptschützlinge Dengs, seine Marathonrede, die vier Stunden dauerte.

Seine Ansprache war, wie erwartet, unkonventionell und im wahrsten Sinne revolutionär. Zunächst kritisierte er den letzten Parteikongreß für seine Unfähigkeit, linke Radikalgruppen innerhalb der Partei zu säubern, die die Verwirklichung neuer, pragmatischer Richtlinien verhindert hatten.

Danach ging Hu auf die bevorstehende Arbeit und die Struktur der Partei ein. Der Posten des Parteivorsitzenden würde aufgehoben werden, an seine Stelle tritt ein Generalsekretär. Damit soll eine kollektivere Regierung ermöglicht und die Konzentration von zuviel Macht in einer Hand verhindert werden. Es bestanden keine Zweifel, daß Hu Yaobang selbst diesen Posten 'beziehen würde.

Den kräftigsten Hinweis für die Selbstsicherheit der neuen, pragmatischen Führer Chinas lieferte Hu, als er bestätigte, daß China das „Joch der falschen Ideen Maos” abgeschüttelt hat und einer neuen Zukunft entgegen gehe.

In einem während des Kongresses beschlossenen, neuen Parteistatut ist jegliche Form des Personenkults verboten. Dieser Paragraph richtet sich nicht nur gegen den ehemaligen „Steuermann Mao”, sondern auch gegen dessen unmittelbaren Nachfolger Hua Guofeng, der diesmal völlig aus der zentralen Machtarena Pekings verschwinden mußte.

Die 1600 Delegierten zum Kongreß hatten ein neues Zentralkomitee, ein neues Politbüro, eine neue Kommission der Parteidisziplin und ein neues Ratgeberkomitee zu wählen. Letzteres wurde von Diplomaten „Komitee der Alten” genannt, da es eine Einrichtung darstellt, durch das die älteren Führungsleute ohne Gesichtsverlust schrittweise abtreten können.

Denn ein Hauptanliegen Dengs und seiner pragmatischen Gruppe war es, zu alte Spitzenpolitiker aus den Führungsgremien zu entfernen, um jüngeren und energischeren Leuten Platz zu machen.

Unter der Führung Chen Yuns, 77, wird die Disziplinar-Kommis-sion eine völlige Umkrempelung der Partei durchführen. Hu kündigte in seiner Rede an, daß alle der 39 Millionen Parteimitglieder im nächsten Jahr von neuem registriert werden müssen, und daß somit eine gründliche Säuberung von unangenehmen Elementen ermöglicht würde. Politische Kurse und Umerziehung würden auch eine Rolle spielen, um unfähige, korrupte oder noch zu sehr Mao und Jiang Quing anhängende Kader zu rektifizieren.

Nach zehn Tagen Kongreß hatte sich innerhalb der obersten Führungsspitze nicht allzuviel geändert. Im ständigen Ausschuß des Politbüros sitzen Generalsekretär Hu Yaobang, Marschal Ye Jia-nying, Deng Xiaoping, Premier Zhao Ziyang, Li Xiannian und Chen Yun. Zhao ist mit 64 Jahren der Jüngste. Auch das Zentralkomitee der Partei zeigte wenig neue Gesichter; beinahe alle alten Mitglieder wurden wiedergewählt.

Deng Xiaoping, der noch Anfang des Kongresses den Posten des Parteivorsitzenden abschaffte, wurde Vorsitzender von gleich drei neuen Kommissionen oder Komitees: er leitet nun die mächtige Zentrale Militärkommission der Partei, das Ratgeber-Komitee der Älteren und eine Ratgebende Konferenz der Einheitsfront, eine Gruppierung nichtkommunistischer Parteien.

Die durch den Kongreß festgesetzten Richtlinien für die Außenpolitik lassen Chinas Bemühen erkennen, das Gleichgewicht zwischen den beiden Supermächten zu bewahren.

Durch die diplomatische Krise mit den USA wegen der Waffenverkäufe Washingtons an Taiwan, die China als Einmischung in innere Angelegenheiten bezeichnet, ist das Verhältnis zur westlichen Supermacht stark abgekühlt.

Moskau hat sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen, friedlichere und freundschaftlichere Beziehungen anzubieten. Peking jedoch will nicht nur Worte, sondern auch Taten zum Beweis der guten Absicht der Sowjetunion.

China möchte den Druck an seiner 7200 Kilometer langen Grenze mit dem nördlichen Nachbarn mindern, und zugleich ein freundschaftliches Verhältnis zu den USA bewahren, da es deren Hilfe für den wirtschaftlichen Aufbau benötigt. Nicht, daß China die russische Karte spielen will, aber es ist an einer ambivalenten Beziehung zu beiden Supermächten interessiert. Es braucht Ruhe, um seine ehrgeizigen Pläne verwirklichen zu können.

Dieser 12. Parteikongreß wird als der Abschluß der Ubergangsperiode von Mao zum neuen China in die Geschichte der Volksrepublik China eingehen. Es bleibt indessen abzuwarten, inwieweit Deng, Hu und Zhao — ungehindert durch interne Machtkriege — ihre Richtlinien verwirklichen können.

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