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Maria als Thema der Ökumene

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Neben der Frage des Papsttums, dem Jurisdiktionsprimat des Papstes und der Unfehlbarkeit seines außerordentlichen Lehramts sind es die Fragen um Maria, die im Dialog der Konfessionen, besonders zwischen evangelischer und römisch-katholischer Kirche, noch offen und strittig sind. Konkret sind es die neueren mariologischen Dogmen: das Dogma von der Unbefleckten Empfängnis Mariens, also das Dogma von ihrer Sündenlosigkeit von Anfang an (1854), und das Dogma von ihrer,,leiblichen A ufnahme in die himmlische Herrlichkeit" (1950).

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Neben der Frage des Papsttums, dem Jurisdiktionsprimat des Papstes und der Unfehlbarkeit seines außerordentlichen Lehramts sind es die Fragen um Maria, die im Dialog der Konfessionen, besonders zwischen evangelischer und römisch-katholischer Kirche, noch offen und strittig sind. Konkret sind es die neueren mariologischen Dogmen: das Dogma von der Unbefleckten Empfängnis Mariens, also das Dogma von ihrer Sündenlosigkeit von Anfang an (1854), und das Dogma von ihrer,,leiblichen A ufnahme in die himmlische Herrlichkeit" (1950).

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Die Redlichkeit des ökumenischen Gesprächs verlangt es, über das Thema Maria zu sprechen. Dies vielleicht umso mehr, als durch Papst Johannes Paul II. persönlich dieses Thema als Frage des Glaubens und der Frömmig­keit neu hervorgehoben und akzen­tuiert worden ist.

In den Fragen der katholischen Lehre von Maria ist ein Gespräch mit den evangelischen Christen möglich, wenn die Mariologie nicht isoliert be­trachtet, sondern dem Heilsplan Gottes eingeordnet wird, der in der Mensch­werdung des Sohnes Gottes kulminiert. In ihm hat Maria eine einzigartige Stel­lung. Sie ist Mutter Jesu Christi durch Gottes Gnade, Liebe und Berufung und ist es dadurch, daß sie sich dem Wort Gottes nicht verweigerte, sondern glaubte (Lk 1,45).

Maria ist das neutestamentliche Vor­bild des Glaubens. Sie kann mit vollem Recht Mutter des Glaubens in Entspre­chung zu Abraham, dem Vater des Glaubens, genannt werden. Sie gehört zu denen, die selig gepriesen werden, weil sie Gottes Wort hören und befol­gen (Lk 11,28). Der Weg ihres Glau­bens war noch schwerer und unbegreif­licher als Abrahams Weg. Er führte unter das Kreuz und erfuhr dort seine größte Erprobung und Bewährung.

Als Mutter des Glaubens, der Hin­gabe und der Liebe ist Maria des Lobes, der Verehrung und Nachahmung wür­dig. Deshalb wird sie von allen Ge­schlechtern selig gepriesen (Lk 1,48). Aber Lob und Preis Mariens stehen ganz im Dienst dessen, dessen Mutter und Jüngerin sie ist.

Die katholische Lehre von Maria kann in dem Satz ausgesprochen wer­den, daß sie die erste und die vollkom­men Erlöste ist. Wenn aber das gesagt wird - und das und nichts anderes ist der Sinn auch der heute umstrittenen Dogmen, denn in dem weiten Bogen vom Beginn bis zur Vollendung des Le­bens stellt sich der Reichtum der Erlö­sung dar -, dann wird der Lobpreis Ma­riens zu einem Lobpreis Gottes und

Jesu Christi selbst, der so Großes an ihr getan hat und an uns tun will.

Überlegungen wie diese sind wohl auch dem evangelischen Christen zu­gänglich. Sie entsprechen einem be­kannten reformatorischen Prinzip, das Melanchthon so formuliert hat: Das heißt Christus erkennen - seine Wohl­taten erkennen! Wenn Maria ganz das Werk und die Wohltat Christi ist, dann bedeutet Maria kennen so viel wie Chri­stus kennen. Der Preis Mariens wird zu

jenem Lied, das dem Werk und der Gnade Gottes gilt.

Ob es sich nicht lohnte, einmal über diese Seite des oft so genannten „maria- nischen Maximalismus“ nachzuden­ken? Ist es nicht unsere christliche Pflicht, das Maximum dessen zu erwä­gen und zu preisen, was Gott in Chri­stus für uns Menschen und um unseres Heiles willen getan hat? Und sollten wir nicht ständig vor Augen haben, was der glaubende, liebende, begnadete Mensch ist, was er tun kann und soll?

So gesehen, bekommt die Mariolo­

gie ihre eigentliche Form und Gestalt. Sie wird zur entfalteten Lehre von Chri­sti Person und Werk. Sie wird desglei­chen zur Darstellung des glaubenden und liebenden, des erlösten Menschen. Das so verstandene Marianische ist kein Hindernis auf dem Weg zu Chri­stus, sondern ein Weg, Christus und sein Werk konkret zu erfahren, zu ken­nen und zu bekennen.

Das ökumenische Gespräch über Maria kann und soll durchaus mit der Frage beginnen: Was sagt die Heilige Schrift über Maria? Der katholische Christ würde dabei die rechte Art und Weise lernen, wie von Maria zu reden ist, und der evangelische Christ würde erfahren, daß eine besondere Geltung der Herrenmutter der Kirche des Neuen Testaments schon selbstver­ständlich war (Bultmann), daß das ma- riologische Zeugnis des Neuen Testa­mentes nicht spärlich und karg, son­dern mannigfaltig und tief ist (Schelkle, „Die Mutter des Erlösers“, 92).

Die orthodoxe Kirche des Ostens kennt zwar die Dogmen von der unbe­fleckten Empfängnis und der leiblichen Aufnahme Mariens in die himmlische Glorie nicht. Das hat jedoch seinen Grund nicht darin, daß der Glaube dar­an nicht vorhanden wäre, sondern liegt in der Tatsache, daß die Kirche des Ostens dogmatischen Definitionen als solchen abgeneigt ist.

Beide Wahrheiten werden in der or­thodoxen Kirche geglaubt und litur­gisch gefeiert. Kult und Frömmigkeit aber sind dort noch ungleich mehr als in der Kirche des Westens von mariani- schen Texten und marianischem Lob­preis durchdrungen. Daran nehmen die evangelischen Christen und Theologen im allgemeinen viel weniger Anstoß als bei uns. Geschichtliche und psychologi­sche Gründe mögen dafür ausschlagge­bend sein.

Jedenfalls gibt diese Tatsache für das Gespräch über Maria gewisse Hoffnun­gen auf Annäherungen und Verständi­gung. Denn: Was irgendwo ökume­nisch geschieht, kommt der Ökumene insgesamt zugute.

Der Verfasser ist emeritierter Professor Tür öku­menische Theologie an der Universität München.

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