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Marienverehrer als Hexenjäger

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Marienverehrung und Frauenfeindlichkeit gehen nicht selten Hand in Hand. Die Autorin provoziert mit dieser These, hat aber dafür eine Reihe von Argumenten.

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Marienverehrung und Frauenfeindlichkeit gehen nicht selten Hand in Hand. Die Autorin provoziert mit dieser These, hat aber dafür eine Reihe von Argumenten.

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Die Jungfräulichkeit Marias steht in unserer Tradition von Anfang an in einem christlichen Bezug, und zwar steht sie für die Andersartigkeit und die einmalige Bedeutung des von ihr empfangenen Kindes. Für Maria selbst besagt sie die Hellhörigkeit für den Heilsplan Gottes und die aus Freiheit hervorgehende Entschließung zu ihrer eigenen Funktion in der Heilsgeschichte.

Seit der Väterzeit jedoch und vor allem im Mittelalter verband sich damit eine unheilvolle Diskriminierung menschlicher Sexualität. Die Jungfrauengeburt erschien als Notwendigkeit für die Erlöserfunktion Christi, der sich bei ehelicher Zeugung und Empfängnis die Erbsünde zugezogen hätte. Die Jungfräulichkeit Marias erhält dadurch den Beigeschmack des Befreitseins von sexuellen Empfindungen und Regungen als die besondere Qualität ihrer Heiligkeit. Dies hat sehr negativ die Jahrhunderte hindurch weitergewirkt und bis heute oder vielmehr gerade heute bei verheirateten Frauen und Müttern einen Unmut hervorgerufen, als seien sie bei ehelicher Mutterschaft per se zur Nicht-Reinheit und Nicht-Heiligkeit verdammt und damit zu einer geringeren Form des Christseins am Rande der Sünde. Dagegen wird mit großem Recht protestiert.

Wie kommen wir aus diesem Dilemma? Wie können wir die Reden von der Jungfräulichkeit Mariens verstehen, ohne daß sie unser Menschsein als Frauen, die sich anders als in biologischer Virginität ihr Leben aufbauen, in ein schiefes Licht setzt? Wie können wir eine antifeministische Ausnutzung der Mariengestalt vermeiden, und wie ist es uns als moderne Frauen möglich, wieder neu zu Maria zu finden?

Besonders als Frauen sollten wir hellhörig sein für die mariologische Sprache der Männer, seien es Enzykliken, bischöfliche Verlautbarungen oder Predigten. Was auf den Universitäten an Mariologie — immer noch von Männern — gelehrt wird und in Lehrbüchern greifbar ist, sollte uns zur Kritik herausfordern. Sobald eine Maria über alle Frauen erhebende Sprache einsetzt, ist der Verdacht gegeben, daß Unsere Liebe Frau zu unserer Gegnerin umfunktioniert wird. Das ist eine Lehre, die wir aus dem Verlauf jahrhundertelanger Marientradition ziehen müssen.

Zwar sagen heutige Prediger und Mariologen das nicht mehr so deutlich wie die zur Zeit der Gegenreformation, die Maria unverborgen als die von den Schwächen des weiblichen Geschlechts Befreite bezeichneten und sich manchmal sogar zu der Aussage hinreißen ließen, Maria sei die einzige Frau im Himmel.

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