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Mark Clark und das schwere Jahr 1945

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Beim Neubeginn Österreichs spielte er eine entscheidende Rolle: US-General Mark Clark. Bisher unveröffentlichte Dokumente vervollständigen das Bild des US-Hoch-kommissars in Österreich.

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Beim Neubeginn Österreichs spielte er eine entscheidende Rolle: US-General Mark Clark. Bisher unveröffentlichte Dokumente vervollständigen das Bild des US-Hoch-kommissars in Österreich.

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Der amerikanische Hochkommissar Mark Wayne Clark hat viele wichtige Entscheidungen getroffen oder mitbeeinflußt, die den politischen und wirtschaftlichen Wiederaufbau Österreichs in den schweren Nachkriegsjahren 1945 bis 1947 ermöglichten. Karl Renner bezeichnete ihn als „warmen Fürsprecher“ Österreichs und meinte, daß der Zukunft mit Vertrauen begegnet werden könnte, solange Männer wie Mark Clark „so aktiv unsere Sache vertreten“.

Wer war dieser Mark Clark, dessen Name kaum ein junger Österreicher kennt? Gerade im heurigen zeitgeschichtlichen Jubiläumsjahr sollte man Clarks wichtigen Beitrag zur Erlangung der österreichischen Unabhängigkeit in Erinnerung rufen. Ein solches Bemühen kann sich auf eine kürzlich erschienene Clark-Biographie und auf noch unveröffentlichte persönliche Dokumente aus Clarks Nachlaß stützen.

Clark starb vor gut einem Jahr 87j ährig in Charleston, South Carolina. Die „New York Times“ betitelte damals einen Nachruf auf ihn mit „The Last of World War II Chiefs“.

Clarks Leben war lang und ereignisreich. Er kannte die meisten großen Männer des 20. Jahrhunderts persönlich und war ein guter Freund Eisenhowers. Als junger Offizier wurde er im Juni 1918 an der Westfront verwundet. 1942 ernannte ihn Roosevelt zum jüngsten amerikanischen Dreisterne-General.

Im selben Jahr befehligte er als Stellvertreter Eisenhowers die nordafrikanische Invasion der westlichen Alliierten und am 9. September 1943 die amerikanischen Landungsoperationen im Golf von Salerno.

Als Chef der 5. amerikanischen Armee und später der 15. alliierten Heeresgruppe leitete er den langsamen Vorstoß entlang der gesamten italienischen Halbinsel.

In diesem Feldzug gab Clark Befehle, für die er später hart angegriffen wurde, etwa das Bombardement des altehrwürdigen Benediktinerklosters Monte Cas-sino, die Landungsoperation bei Anzio, südlich von Rom.

Vorgeworfen wurde ihm außerdem, allzu eitel und gierig nach öffentlicher Anerkennung zu sein, etwa als er als erster in Rom sein wollte, das seine Truppen am 5. Juni von der faschistischen Herrschaft befreiten.

Am nächsten Tag aber landeten die Alliierten in der Normandie, und Italien wurde zum zweitrangigen Kriegsschauplatz degradiert. Clarks Vorstoß in die Po-Ebene wurde zum „vergessenen Krieg“ und sein Beitrag zur Niederringung Hitlerdeutschlands später von den Historikern wenig gewürdigt.

Ebenso unbeachtet blieb er oft als amerikanischer „Prokonsul“ in Österreich.

Für Clarks Ernennung zum Oberbefehlshaber der amerikanischen Truppen in Österreich und als Hochkommissar sprachen vorerst nur seine Erfahrung in Truppenführung, geographische und strategische Überlegungen.

Clark hatte große diplomatische Fähigkeiten im Umgang mit französischen, indischen, neuseeländischen, brasilianischen und polnischen Expeditionskorps in seinem italienischen Feldzug bewiesen. In einem Brief an Eisen-hower (12. Mai) aber gab er offen zu, für die österreichische Aufgabe kaum besondere Qualifikationen zu besitzen:

„Ich war so sehr mit anderen Aufgaben beschäftigt, daß ich zugeben muß, wenig über die österreichischen Probleme zu wissen.“

Clark traf am 12. August aus Verona kommend in Salzburg ein und eröffnete als ersten offiziellen Akt die Salzburger Festspiele. Mit der aktiven Unterstützung und. dem Anschluß an alte Kultur-traditibrien wollten die Amerikaner den geschlagenen Österreichern wieder Selbstvertrauen einflößen.

Der ganze Herbst 1945 verlief äußerst hektisch für Clark (siehe Kasten mit Briefauszügen). Man mußte die Stäbe in Wien einrichten und die Sitzungen des Alliierten Rates in Gang bringen. Es galt, die Skepsis in Washington gegenüber der Provisorischen Regierung Renner zu überwinden und auch die Briten davon zu überzeugen.

Der Besatzungsalltag brachte vielerlei Schwierigkeiten mit sich. Hunderttausende von Flüchtlingen (Displaced Persons) mußten betreut werden. Die österreichische Bevölkerung hungerte. Mit amerikanischen Armeenahrungsmittel gelang es Clark bis Ende 1945, die Hungerrationen von 800 (Kriegsende) auf immerhin 1550 Tageskalorien zu schrauben.

Clark bemühte sich um Wiens hungernde Kinder und organisierte eine umfangreiche Weihnachtshilfsaktion. In der persönlichen Korrespondenz Clarks findet man viele Briefe, die von der tiefen Dankbarkeit der österreichischen Bevölkerung zeugen.

Der General beobachtete genau und machte eine dramatische innere Wandlung in seiner Einstellung zum sowjetischen Besatzungselement in Österreich durch. Kam er 1945 mit einer unvoreingenommenen Haltung den Sowjets gegenüber nach Wien, wurde er in den täglichen Verhandlungen mit ihnen bis spätestens Ende 1945 eines Besseren belehrt.

Clark schätzte den sowjetischen Hochkommissar Marschall Iwan Konjew als General und meinte, er sei „recht freundlich“. Hingegen konnte er den Stellvertreter Konjews, den „stiernackigen“ Aleksej Zeltow, nicht ausstehen — dem könne man nicht trauen.

Schon 1945 spielten sich die wesentlichsten Auseinandersetzungen mit den Sowjets auf wirtschaftlichem Gebiet ab. Während die Amerikaner versuchten, Österreichs Wirtschaft und Bevölkerung wieder auf die Beine zu helfen, führten die Sowjets ab, was nicht niet- und nagelfest war. Unter anderem protestierte Clark im Oktober 1945 gegen den sowjetischen Vorstoß, mit den Österreichern eine bilaterale ölgesell-schaft zu bilden. Ende November protestierte Clark auch scharf gegen die unzureichende Nahrungsmittelversorgung in der sowjetischen Zone.

Nach den November-Wahlen 1945 machten die Sowjets den Österreichern und den anderen Besatzungsmächten das Leben besonders schwer. In diese Zeit fällt auch Clarks innerer Wandel.

Im April 1946 schildert Clark die veränderten Bedingungen einer Gruppe angesehener amerikanischer Verleger und Publizisten in einer scharfen Rede in Wien:

„Unsere Beziehungen zu den Sowjets sind gut auf der gesellschaftlichen Ebene, aber gespannt auf der offiziellen. Die Sowjets wissen genau, was sie wollen. Sie erhalten ihre Instruktionen von Moskau und weichen keinen Zentimeter davon ab. Konjew ist ein guter Soldat und ein Kerl, den man mögen kann. Zeltow ist ein großer politischer Macher vom Typ eines Kommissars, der meistens andeutet, wo Konjew nachgeben kann oder nicht.“

Clark weiter: „Wir waren ursprünglich nett zu ihnen und haben versucht, bei jeder Gelegenheit nachzugeben. Wir haben von ihnen dasselbe erwartet. W^r mußten aber herausfinden, daß es . keine Gegenseitigkeit gibt. Nun sind wir ganz offen zu ihnen und erklären ihnen die Situation, so wie sie ist.“

Auf Grund dieser Überlegungen bekämpfte Clark in seinem zweiten, für Österreich so entscheidenden Besatzungsjahr, die verschiedenen sowjetischen Maßnahmen, das Land wirtschaftlich auszusaugen und politisch abhängig zu machen.

Clarks vielfältiger Einsatz für Österreich machte ihn zu einem entscheidenden Architekten der Zweiten Republik.

Der Autor studiert amerikanische Geschichte an der Harvard Universität.

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