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Markt der Nischen

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Verlagswesen und Buchhandel sind vermutlich der einzige Wirtschaftszweig, der seinen eigenen Erfolg scheel beäugt, über seine Verkaufszahlen so spricht als wären sie etwas Unanständiges, und sich für jedes Wachsen zu genieren scheint.

Das hat viele Gründe, hängt mit dem Exklusivitätsanspruch aller geistigen Tätigkeit zusammen, aber auch mit dem Selbstverständnis des gestandenen Buchhändlers, dem in Deutschland hocheffizient gemanagte Ladenketten hart zu schaffen machen. Aber man kann darin auch ein

Anzeichen für das Umsichgreifen der Erkenntnis sehen, daß quantitative Wachstumsprozesse allenthalben an Grenzen stoßen.

Trotzdem hat es die Frankfurter Buchmesse 1987 wieder einmal fertiggebracht, die größte aller Zeiten zu sein: Mehr Titel, mehr Verlage. Aus aller Welt. Wie jedes Jahr, hat auch heuer so mancher amerikanische oder britische Verleger in der Hektik des internationalen Lizenzen-Karussells seinen Fuß nur sporadisch aus der gigantischen Halle 4 in die Halle 5 gesetzt, um die die ganze deutschsprachige Aufmerksamkeit kreist, weü dort Belletristik und Sachbuch deutscher Sprache prä-

sentiert werden.

Die Österreicher und die Schweizer nehmen auf der Buchmesse eine zwitterhafte Sonderstellung ein: Einerseits sind sie Ausländer, andererseits Mitkonkurrenten der deutschen Verlage in deren Land - und zugleich deren wuchtiger Konkurrenz im eigenen Land ausgesetzt.

Theoretisch hat das österreichische Buch dieselben Chancen auf den begehrten Liegeplatz in der Auslage einer großen deutschen Buchhandlung in Köln, Hamburg oder München wie ein deutsches hierzulande. In der Praxis schaut es anders aus. Daß in jeder österreichischen Buchhandlung mehr deutsche als österreichische Bücher liegen, ist selbstverständlich — das größte deutschsprachige Land produziert eben auch die meisten Bücher, und es soll jedem die ganze Palette zur Auswahl offenstehen.

Nun sind die deutschen Verlage mit Zahlen über den österreichischen Anteil ihrer verkauften Auflagen zurückhaltend. Es deutet aber viel darauf hin, daß von

Büchern von überregionalem Interesse, zum Beispiel lyrischer und belletristischer Literatur, Österreich mindestens soviel kauft, wie seinem Bevölkerungsanteil entspricht. Umgekehrt kann davon überhaupt nicht die Rede sein. Für das österreichische Buch ist die Schwelle in die deutsche Buchhandlung allemal ein wenig höher.

Aber auf jedem freien Markt ist nun einmal Initiative alles. Es gibt österreichische Verleger, die dem Besucher aus Österreich am Frankfurter Stand Jahr für Jahr auf die Frage, wie es denn so gehe, sagen: „Glänzend! Wir haben so gute Autoren, daß es für unsere Bücher überhaupt keine Schwelle gibt!“ Und es gibt solche, die antworten: „Wie soll's denn schon gehen? Österreichische Bücher kann man doch in Deutschland nur ganz marginal verkaufen!“

Daß sich Investitionen lohnen können, beweist Styria: Der Grazer Verlag sandte einen hauptberuflichen Repräsentanten nach Köln — innerhalb kürzester Zeit verdoppelte sich sein Umsatz in der Bundesrepublik Deutschland.-Das Auffinden und konsequente Nutzen einer Marktnische ist überhaupt von größter Wichtigkeit. Es gibt ja nicht „den“ Buchmarkt, es gibt hundert Buchmärkte, und mittlerweile dürfte selbst der Leser mit dem ausgefallensten Interessengebiet etwas finden. Dieses konsequente Auffächern, dieser Reichtum an Themen läßt den Eindruck entstehen, das Sachbuch überwuchere die eigentliche Literatur.

Davon kann aber keine Rede sein, da keineswegs weniger Romane erscheinen als vor zehn Jahren. Aber jeder Verleger kann den richtigen Autor für den zigsten Bildband über irgendeine Landschaft, über jeden historischen Stoff oder ostasiatische Weisheitslehren finden. Bloß den großen Roman oder gar einen neuen bedeutenden Romanautor kann man nicht bestellen.

Doch auch der Markt für das literarische Buch ist außerordentlich pluralistisch, offen für die verschiedensten Individualitäten, für Neues und Kontroversielles.

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