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Markt für neue Musik?

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An sich graut es jedem „ Komponisten davor, die Arbeit am Notenpapier zu unterbrechen, um über Fragen der Kulturpolitik oder des Marktes nachzudenken. Doch: Wer verfügt sonst über Informationen aus erster Hand über neue Musik? Wer sonst könnte geeignete Vorschläge publizieren, die der Lage gerecht werden? Und: Muß man nicht schon froh sein, daß die Betroffenen überhaupt gefragt werden?

Positive Vorschläge zu finden, ist leicht - seltener, einen Partner dafür. Denken wir zum Beispiel an die Versuche junger Musiker zu Ende dersiebziger Jahre, in Altersheimen Musik und Musiktherapie heimisch zu machen, denken wir an junge Initiativen für mehr oder weniger schöne neue Musik, an musikalische Galerien, denken wir an die Wandlung des Erscheinungsbildes neuer Musik: Namen wie Friedrich Gulda, Leonard Bernstein, Kurt Schwertsik oder Ivan Eröd stehen für eine neue - nicht mehr allzu junge - Komponistengeneration, die vom Hörer geliebt werden mag. Denken wir an Komp onistenaufträ- ge für junge Talente: „Machen wir Österreich zum führenden Musikland der Gegenwart - wir können dasl“ Und all dies könnten Mäzene fördern: begeisterte Liebhaber neuer Musik und eines charmant-au- genzwinkemden „Geniekultes" der Komposition.

Doch zunächst aus den Träumen zurück in die Gegenwart: Von einem „Markt“ für neue Musik zu sprechen, wäre verfehlt, sofememan nicht damit auch den Markt für billige Massenproduktion von Tonkonserven meint. Hierbei gibt es W echsel Wirkungen:

Das ausgereizte Subventionssy- stemfür produzierende Künstler hat gewiß seine Licht- und Schattenseiten. Zu den Schattenseiten gehört zum Beispiel die fehlende Berücksichtigung der wahren Situation lebender Komponisten. Aber wäre es - wie aus Österreichs Süden nun zu hören - ernstlich ein tauglicher Vorschlag, diese Subventionen er-

satzlos zu streichen, nur weil sie möglicherweise kulturpolitisch zweckentfremdet werden könnten?

Denn selbst wenn man dem Subventionssystem eine Förderung durch Mäzene vorzieht oder Werbung für Kunst hält und damit Sponsoren folgerichtig mit Mäzenen verwechselt, stellt sich doch die Frage, wem mit neuer Einseitigkeit gedient wäre.

Lang scheint es schon her zu sein, und fast vergessen: Noch im Jahr 1986 stand der damalige Unterrichtsminister Herbert Moritz, SPÖ, dem Vorschlag der Künstlerverbände positiv gegenüber, private Jahresbeiträge zur Kulturförderung bis zu 10.000 Schilling steuerlich zu begünstigen. Und Erhard Busek,

damals ÖVP-Kultursprecher ohne Regierungskompetenzen, forderte, Aufwendungen bis zu 50.000 Schilling jährlich als Sonderausgaben für Kunstgegenstände steuerfrei zu halten.

Das war lange vor der Steuerreform. Was ist aus diesen zugkräftigen Vorschlägen inzwischen geworden? 1987 wurden zunächst nicht die Kunstmäzene steuerbegünstigt, sondern mittels Erlaß des Finanzministeriums die Kunstsponsoren. Firmen, die ohnehin einen Werbeef- fektaus ihrerpublikumswirksamen Förderung musealer Star-Kunst beziehen, wurden den Mäzenen künstlerischen Schaffens vorgezogen.

Die Steuerreform hat an dieser

Situation leidernichts geändert. Seit Jahren fordern die Autoren und Komponisten der AKM, daß der Kunstmäzen mit jenem von Forschung, Lehre und Museen steuer- technisch gleichgestellt werden möge. Vielleicht bringt erst ein neues Kultusministerium entsprechende Regelungen.

Neue Musik erfordert längere Vorbereitungszeiten als andere Kunstformen. Selbst wenn der Komponist heute unter Umgehung von Mitwirkenden und Hörem digitalisierte Klänge vom Orchester- Computer vervielfältigen läßt, reichen dafür Subventionen - auf die zudem kein Rechtsanspruch besteht - nicht aus. Obwohl sich gerade Komponieren so wenig zum Hobby eignet wie 60Mt keine andere Kunst- form, gibt es heute nahezu keine hauptberuflichen Komponisten mehr; Sie sind - wie die Bergbauern

- der Konkurrenz der Massenproduktion nicht gewachsen, denn Reproduzieren ist billiger.

Auch die Tantiemen und Urheberrechte bieten keinen Ersatz für die Bezahlung aktueller kompositorischer Arbeit. Wir muten dem Komponisten die Doppelrolle des Vorreiters und des Unternehmers zu und überf ordern ihn dabei moralisch. Die Untergrabung der Rechtslage macht folgerichtig Fortschritte: Der Gebrauch „tantiemenfreier“ Musik macht sogar vor europäischen Rundfunkanstalten nicht Halt. Der Komponist bleibt anonym, wird einmal (kaum?) honoriert

- und nicht mehr benötigt. Tonkonserven aus dem Archiv sind billiger als die Arbeit lebender Künstler.

Ungeahnte Bedeutung gewinnt in dieser Situation ein prophetischer Satz Gottfried von Einems, der vom Vitaminmangel aus der Tonkonserve sprach:

Längst geht es nicht mehr um den Markt allein. Doch so erstaunlich das zunächst klingen mag: Gerade diese schwierige Ausgangssituation bietet für unser Musikland eine gute Chance. Denn wesentlich vor allem ist das geistige Niveau lebendiger Kunst, die Begeisterung für neue Musik - und dabei kommt dem Markt wie allen Förderern die dienende Rolle zu, die letztlich immer die erfolgreichste ist. Lebendige, neue Musik wird zur Mode werden, weil heute niemand damit rechnet, wird zur teuren, luxuriösen Kostbarkeit werden, Botschaft vom Menschen zum Menschen.

Der Autor ist freischaffender Komponist und für Musik zuständiges Redaktionsmitgjied der Kulturzeitschrift 4rmorgen .

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