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Marktnischen gibt es in allen Branchen

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„Im Schnitt“, sagt Karlheinz Kailab von der Handelskammer Graz, „kommen 100 junge Leute pro Monat zu mir ins Büro. Entweder haben sie sich schon selbständig gemacht oder befinden sich gerade in der Startphase und brauchen Hilfe.“

War es früher ein finanzieller Anreiz, so ist jetzt der Wunsch nach Unabhängigkeit, der die jungen Steirer trotz bürokratischer Hürden, trotz Steuerlast und den Launen der Konjunktur den Sprung in die Selbständigkeit wagen läßt.

Nur — viele befinden sich in einer regelrechten Gründungseuphorie; sie haben es mit der Selbständigkeit so eüig, daß sie ebenso schnell wieder auf die Nase fallen. Dazu kommt, daß sich im Zuge der Innovationsdiskussion eine regelrechte Hektik bei der Erfindung von technischen Neuheiten bemerkbar macht. Originelles wird um fast jeden Preis gesucht und entwickelt, die Zielgruppen dabei nur mangelhaft mitbedacht.

Bei anderen Gründern erweist sich ein sehr guter Einfall als Flop, weil die finanzielle Belastung unterschätzt wird. „Das Maß der Uninformiertheit ist erschreckend“, bringt Kailab das Problem auf den Punkt.

„Eine erfolgreiche Neugründung ist eine Frage der richtigen Vorbereitung und Information“, stößt Alfred Obermayer, Firmenchef der Bijouterie Erzeugungsund Vertriebsgesellschaft mbH („ABC-Creation“), in dasselbe Horn. Der Jungunternehmer steht seit Februar dieses Jahres in Königsberg in den Startlöchern und hofft auf gute Geschäfte. Mit seinem Designerteam entwirft und produziert er hochwertigen Modeschmuck, teils in Handarbeit, teils unter Verwendung modernster Produktionstechniken. Er hat diese Betriebsansiedlung mit Pioniergeist und Eigeninitiative in einem erklärten Krisengebiet der Obersteiermark gewagt; dabei einen „sicheren“ Job als Techniker und Ingenieur bei einem großen internationalen Konzern aufgegeben, „um endlich für sich selbst kreativ sein zu können“.

Ebenfalls in der Schmuckbranche hat der junge steirische Goldschmiedemeister Michael Unter-kofler in Arnstein-Voithsberg seine Marktnische gefunden. Er entwirft Trachtenschmuck, stellt Kleinserien in Gold und Silber her und macht Modelle für die Schmuckindustrie. 6.000 bis 10.000 Schmuckstücke kreiert der Jungchef mit seinen drei Mitarbeitern jährlich, 60 bis 70 Prozent der Produkte gehen in den Export. Besonders die Bayern, heißt es, tragen gerne seine Uhrenketten auf ihren Trachtenwesten.

„Management Buy Out“ heißt ein neues Schlagwort. Neu ist allerdings nur das Wort, nicht die Sache: Als 1950 das Zweigwerk des Wiener Betriebes Franz Wieser in Altaussee gegründet wurde, produzierte das Unternehmen dort unter anderem auch den Kunststoff Styropor. 1982 brachte die Ölkrise das „Aus“ - das Unternehmen mußte den Ausgleich anmelden. 1983 gründeten fünf ehemalige Mitarbeiter eine Auffanggesellschaft und führen seither den Betrieb auf eigene Rechnung weiter. Heute erzeugt das 80köpfige Team nicht nur komplette Anlagen, sondern liefert auch maßgeschneiderte Maschinenteile, die nach Baukastensystem in mehreren Varianten zusammengesetzt und verwendet werden können. 95 Prozent der Produktion gehen in den Export, unter anderem in die USA.

Not macht bekanntlich auch erfinderisch. In den Nachkriegswir-ren von 1947 wußte der Friseur Erich Stelzer nicht, wo er genug Haarklemmen für seine wieder modehungrig gewordenen Kundinnen hernehmen sollte. Also fertigte er sie selbst in der Schlosserei seines Vaters an. Vierzig Jahre später dreht er noch immer. In den Standorten St. Lorenzen im Mürztal und Kindberg werden Präzis-Drehteile nach Kundenwunsch hergestellt. Der kleine Betrieb namens „Este“ ist auch Zulieferant für die Unterhaltungselektronik, den Apparatebau und die Fahrzeugindustrie.

Werkzeugbau ist ebenfalls eine stark exportierende Branche. Die Firma „actual“ beispielsweise liefert Gußwerkzeuge nach Ungarn, in die UdSSR und nach Großbritannien. Mit ihren 38 Mitarbeitern behauptet sich die Firma gegen die starke inländische Konkurrenz durch Maßanfertigung und Erfüllung von Spezialwün-schen.

Auch in Sachen Mode müssen die Österreicher nicht nur neidisch nach Paris schauen. Für die Modezaren Pierre Cardin oder Yves Saint-Laurent ist umgekehrt die Lodenfabrik Josef Leichtfried in Möbersdorf bei Zeltweg kaum zu ersetzen, wenn sie hochwertigen Loden für ihre Trachtenkollektionen brauchen. Das Leitmotiv dieses Betriebes aus der Krisenregion Aichfeld-Murboden ist einfach: „Die exklusiven Wünsche weniger, aber exklusiver Kunden erfüllen.“

Ebenfalls recht geschickt vermarktet Herfried Zechner, Tischlermeister in Weißkirchen bei Judenburg, ein Stück österreichischer Tradition, der Ruhe und Geborgenheit. Mit seinen 35 Mitarbeitern produziert er Bauernmöbel, die sich besonders gut in die Bundesrepublik und die USA absetzen lassen.

Umweltschutz hat Siegfried Graf in Nestelberg auf seine Fahnen geheftet. Er produziert und vertreibt ein umweltfreundliches Nahbereichsfahrzeug, das auch für behinderte oder ältere Menschen interessant ist. Sein „Graf Carello“ ist einfach zu bedienen und hat sogar einen Drehsitz für bequemes Sitzen bei Tisch (siehe Foto).

Seit 20 Jahren behauptet sich auch Gerhard Völckl in Leoben erfolgreich in einer schwierigen Branche. Seine Stahl-Metallbau G. Völkl GmbH hat als kleine Schlosserei angefangen; seither ist er bemüht, die entscheidenden Innovationsschritte immer vor der Konkurrenz zu tun.

Sein Programm umfaßt Stahl-und Anlagenbau, Bauelemente und Alu-Konstruktionen; viele der schußsicheren Fenster und Türen der Polizei stammen aus diesem steirischen Betrieb.

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