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Marktplate der Fragen

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Abseits von Allerweltschri-stentum und Sektiererei muß eine katholische Hochschulgemeinde Zukunftsperspektiven auf dem Boden des Gewachsenen entwickeln.

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Abseits von Allerweltschri-stentum und Sektiererei muß eine katholische Hochschulgemeinde Zukunftsperspektiven auf dem Boden des Gewachsenen entwickeln.

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„Ich bin mir der Schwierigkeiten bewußt, denen die Hochschul-seelsorge in einer Stadt wie der unsrigen begegnet: die große Zahl der Studenten, das Pendlerwesen, die unzureichenden Aufnahmemöglichkeiten, die religiöse Gleichgültigkeit..., das sind nur einige Stichworte, aufgrund derer man sich eine Vorstellung vom Umfang des Problems machen kann... Die Kirche muß mit ihren Strukturen konkret auf diese Fragen antworten.“

So hat der Papst vor einiger Zeit zu intensiven Überlegungen über eine wirksamere Präsenz der Kirche an den Universitäten Roms eingeladen.

Daß die Entwicklung der Hohen Schulen in Osterreich auch von den kirchlichen Gemeinden eine Neuorientierung fordert, ist naheliegend. Anläßlich ihrer Vierzigjahrfeier hat die Katholische Hochschuljugend Österreichs das neue Fragen nach Gott als ihre Hauptaufgabe für die Zukunft formuliert.

Nüchtern ist zu sehen, daß die Hochschulgemeinden mit dem quantitativen Wachstum der Universitäten nicht Schritt gehalten haben. Neue Herausforderungen deuten sich an: Möglicherweise fallen im Hochschulbereich wichtige Vorentscheidungen über die künftige Rolle der Frau in der Gesellschaft. Wer weiß wirklich, wie junge Menschen zwischen 18 und 25 Jahren ihre Persönlichkeit entfalten?

Strukturell ist man bescheidener geworden: Karl Rahners Überlegung, „Hochschulgemeinde als gegenwärtiges Modell künftiger Pfarrseelsorge“ zu verstehen, dürfte doch an der Realität vorbeigehen: Gemeinde als eine sehr intensive Form kirchlichen Lebens kann die Pfarre nicht ersetzen — und umgekehrt.

Die konkrete Ordnung der Seelsorge und Gemeinden an den Hochschulen steht der jeweiligen Diözese zu. Die Entwicklungen in diesem Bereich berühren aber auch die anderen Diözesen Österreichs: denn die Studenten an den Universitäten kommen aus allen Bundesländern und werden als Ärzte, Lehrer, Ingenieure, Agrartechniker, Künstler, Wirtschaftsfachleute etc. im ganzen Bundesgebiet tätig werden. Darum wurde bislang immer wieder das gesamtösterreichische Einvernehmen in Fragen der Hoch-schulpastoral gesucht.

In den nachgelassenen Schriften von Prälat Karl Strobl, dem Gründer der Wiener Hochschulgemeinde, ist folgende Notiz über Kirche und Universität zu lesen:

• Ort intensiver geistiger Kraft;

• Ort der Auseinandersetzung in Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit;

• Ort der Begegnung der Generationen;

• Ort der suchenden Jugend;

• Ort der geschulten geistigen Leistung.

Unter diesen für — Universität und Hochschulgemeinde geltenden - Koordinaten können unverzichtbare und immer wieder anzustrebende Kennzeichen einer Katholischen Hochschulgemeinde, wie immer sie konkret geordnet sein mag, angegeben werden.

Ort intensiver geistiger Kraft: Bischof Egon Kapellari hat die Hochschulgemeinden als Hochschulseelsorger und als zuständiger Bischof wiederholt zum Katholischsein ermutigt — in der ganzen Bedeutungsfülle dieser Dimension: mit tiefen Wurzeln, um auch die Polaritäten aushalten zu können, gesammelt gesendet.

Quellen der Kraft waren seit jeher Bibel und Liturgie, aus denen sich ein fester Kern der Gemeinde gebildet hat. „Im Religiösen kein Minimalismus“ — war und ist das Selbstverständnis der Hochschulgemeinden von Anfang an.

Ort der Auseinandersetzung in Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit: Im „Versuch, in der Wahrheit zu leben“ sind wir Katholiken gefordert, die eigene Enge zu sprengen und den Dialog zu suchen: die Konfrontation von Wissenschaft und Glaube, die ökumenische Begegnung im engeren und weiteren Sinn, das Gespräch mit den politischen Parteien und Kräften gehören dazu genauso wie die Auseinandersetzung mit der Kunst.

„Eine Generation, vor allem eine junge, muß sich solidarisch fühlen. Was dichten, malen, komponieren die Gleichaltrigen? Man müßte ihre Ateliers besuchen, ihre Musik hören, sie ihre Texte lesen lassen“ (Otto Mauer). In den Hochschulgemeinden müssen Denken und .Glauben einander suchen: das Denken im Glauben „offene Türen, aber auch Schwellen hatten: nicht immer sichtbare, aber spürbare Schwellen zur Unterscheidung der Geister“ (Bischof Kapellari).

Der österreichische Synodale Vorgang 1974 hat diese als Einheit von Büdungszentrum, Wohnbereich für Studenten, Kommunikationszentrum mit Gottesdiensträumen, Bibliothek, Studierzimmern etc. konzipierten Studentenhäuser als „Zentren der Glaubensverkündigung und umfassenden Büdungs- und Sozialarbeit“ bezeichnet.

Bedingung der Offenheit der Gemeinden und Häuser für alle Studenten war aber immer die Präsenz eines lebendigen, festen Kerns, der sich um „eine katholische Liberalität, die in radikalem Widerspruch steht zum ideologischen Liberalismus“ (Joseph Ratzinger), bemüht.

Den Hochschulgemeinden Österreichs ist zu wünschen, daß man auch in ihnen ermutigend und stolz das von Kardinal Innitzer 1954 an die Wiener KHG gerichtete Wort sagen kann: „Hier ist der Areopag“.

Der Autor ist Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der katholischen Hochschulseelsorger und Geistlicher Assistent der Katholischen Aktion Österreichs.

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